Teure Beerdigung: Microsoft investierte Milliarden ins Windows Phone, das aber letztlich nicht zum Konkurrenten für iOS und Android aufsteigen konnte.

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Große Techunternehmen sind sehr projektfreudig. Egal ob es darum geht, früh in einen neuen Markt vorzustoßen oder in einem bereits lukrativen Geschäft mitzumischen: Man will zumindest ein Pferd im Rennen haben auf der Suche nach dem "nächsten großen Ding". Falsche Erwartungen, Managementfehler, neue Pläne oder schlicht Desinteresse der Kundschaft bereiten den oft in blumigen PR-Sprech angekündigten Geräten und Services häufig ein mehr oder weniger schnelles Ende.

Als Großmeister in der Kategorie "Neue Dinge vorstellen und wenige Jahre später wieder einstampfen" gilt in der Techbranche Google, wie sich auf einer als virtueller Friedhof ausgestalteten Website nachsehen lässt. Mit "Killed by Microsoft" gibt es dazu nun aber auch ein analoges Projekt, das sich dem Techkonzern aus Redmond widmet. Auch der hat bereits eine beachtliche Sammlung an beerdigten Produkten vorzuweisen.

Die Ende 2020 gestartete Website listet akribisch auf, von wann bis wann welches Angebot bestand (oder anhand eines von Microsoft festgelegten End-of-Life-Datums noch bestehen wird), wie alt es wurde und um was es sich dabei handelt bzw. handelte. Darunter finden sich einige Klassiker, an die sich vor allem auch nicht mehr ganz junge Computernutzer erinnern dürften.

In seiner langen Firmengeschichte hat Microsoft schon so manches Produkt vorzeitig beerdigt.
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Digitales Lexikon

Da wäre etwa die "Encarta". Unter diesem Namen vertrieb Microsoft ab 1993 jahrelang erfolgreich ein digitales Nachschlagewerk auf Disketten, CDs und DVDs. Die 1990er waren auch die Zeit, in der andere Anbieter bekannter Enzyklopädien wie Brockhaus oder die Encyclopedia Britannica den Einstieg ins Geschäft mit Computerbesitzern wagten.

In den 2000ern begann die Popularität der Wissensdatenbanken auf Datenträgern aber massiv nachzulassen. Die wichtigsten Gründe dafür liegen auf der Hand: einerseits der Aufstieg des Internets zum Massenmedium – und andererseits die Gründung der Wikipedia im Jahr 2003. Die kollaborativ betriebene Online-Enzyklopädie ist heute eine der meistbesuchten Webseiten der Welt. Mangels Erfolgsaussichten beerdigte Microsoft die Encarta in ihrer CD- und DVD-Variante sowie auch die Web-Ausgabe im Jahr 2009.

iPod-Konkurrent

Während das Nachschlagewerk lange Zeit ein gutes Geschäft war, lässt sich das über den Zune nicht behaupten. Fünf Jahre nach der Vorstellung von Apples iPod und drei Jahre nach Inbetriebnahme des iTunes Store war der Zune im Jahr 2006 Microsofts Versuch, einen eigenen Player zu etablieren und im digitalen Musikvertrieb mitzumischen. Dabei leistete man sich aber so manche Fehltritte. Songs von anderen Plattformen ließen sich, trotz Kooperation mit Microsoft, aufgrund dessen proprietären Kopierschutzsystems nicht abspielen. Und alle Geräte mit 30-GB-Festplatte der ersten Zune-Generation crashten am Jahresende 2008 aufgrund eines Schaltjahrfehlers.

Obwohl man erhebliche Geldmittel darin investierte, um der Konkurrenz Marktanteile abzujagen, brauchte das Angebot vier Jahre, um Europa zu erreichen. Auch dort war die Nachfrage eher verhalten. 2011 begann dann der langsame Abschied mit dem Aus für die Zune-Player. 2012 stellte man die Unterstützung für die gleichnamige Medienmanagement-Software ein. Ein Jahr darauf folgte der Onlineshop Zune Marketplace. 2015 wurde die Marke komplett eingemottet.

Windows Phone

Ein Milliardengrab wurde auch das Projekt Windows Phone. Als Nachfolger zu Windows Mobile sollte das für seine Kacheloberfläche bekannte mobile Betriebssystem 2010 in den Ring mit Googles Android und Apples iOS steigen. Die Plattform kam aber nur langsam vom Fleck, auch weil Microsoft zuerst auf eine Strategie mit teuren Flagship-Handys setzte, das System unfertig wirkte und die erste Generation an Geräten auch kein Update von Windows Phone 7 auf das anderthalb Jahre später erschienene Windows Phone 8 erhielten. Zwischenzeitlich wirkte es dennoch so, als könnte sich das System tatsächlich als Nummer drei am Markt etablieren. Letztlich blieb es aber, auch dank anderer Fehlentscheidungen, bei Achtungserfolgen in einzelnen Ländern.

Dass der Marktanteil nie über den mittleren einstelligen Bereich hinauswuchs, sorgte auch für einen Teufelskreis. Andere Handyhersteller stellten ihre Windows-Phone-Produktlinien ein. Das App-Angebot blieb im Vergleich zu Apples App Store und Google Play überschaubar, und selbst einige große Dienste wie Instagram behandelten ihre Windows Phone-Apps zunehmend wie ungeliebte Stiefkinder. Einen letzten Vorstoß unternahmen die Redmonder schließlich mit dem Rebranding in Windows 10 Mobile. Aber auch die Überarbeitung und stärkere Vernetzung des Mobilsystems mit dem Desktopsystem brachte nicht die Rettung. 2019 lief der Support endgültig aus.

Für das Vorantreiben der Ambitionen hatte Microsoft sich sogar die Handysparte des gefallenen Handyriesen Nokia geschnappt. Mittlerweile werden unter diesem Namen wieder Android-Handys verkauft, die von dem von ehemaligen Nokia-Mitarbeitern gegründeten HMD Global produziert werden. (gpi, 28.3.22)