Was für die einen ein simples Sportgerät ist, war für einen 38-jährigen Angeklagten das Mittel der Wahl, um sich gegen einen etwaigen Nebenbuhler verteidigen zu können.

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Wien – Mitunter beginnen Gerichtsverhandlungen wie ein Dutzendfall und werden mit Fortgang des Prozesses immer merkwürdiger. So ist es beispielsweise bei der Geschichte von Predrag M., über den Nicole Rumpl richtet. Der unbescholtene 38-Jährige soll im Oktober den Hausfrieden bei seiner Ex-Gattin gebrochen und sie zehn Tage später fernmündlich gefährlich bedroht haben. Der seltsame Hintergrund enthüllt sich erst mit der Zeit.

Zu den Tatsachen zeigt sich der Arbeitslose geständig. Ja, er habe am 31. Oktober die Balkontür eingeschlagen und sei in die Wohnung seiner Ex-Frau eingedrungen. An die gefährliche Drohung will er sich nicht mehr erinnern können. "Es kann sein, dass ich ein bisschen getrunken habe. Sie wollte nicht reden, es kann sein, dass ich solche Blödheiten geschrieben habe", gibt der Österreicher zu.

Keine Zwischenfälle in 16 Jahren

Um dann einzuschränken: "Es ist überhaupt nicht meine Art! Ich habe ein bisschen überreagiert und wollte sie zurückhaben", erklärt er der Richterin. 16 Jahre kenne er die Mutter seines Kindes schon, nie habe es eine Drohung oder gar Gewalt gegeben, beteuert der durchaus ruhig und überlegt wirkende M. mehrmals.

In der Halloweennacht 2021 wollte er nach seinen Angaben ebenso mit Frau M. sprechen. "Ich habe sie angerufen, aber sie hat nicht abgehoben. Ihre Schwester sagte, sie habe sich schon hingelegt." Der Angeklagte mochte das nicht glauben und fuhr zur früheren gemeinsamen Wohnung. Auf sein Läuten reagierte niemand, er presste das Ohr an die Tür und meinte, Gesprächsfetzen zu vernehmen.

Da er sich auskannte, kletterte er über eine Mauer in den Garten und ging zur Terrassentür. "Da habe ich gesehen, wie sie oben auf der Treppe im Dunkeln steht. Ich habe mit der Hand einfach ..." – M. stockt –, "... okay, nicht einfach, es war ein bisserl stärker, gegen die Tür geklopft." Die Glasscheibe zersprang, der Angeklagte sagt, mit einem weiteren Faustschlag habe er die Tür zum Bersten gebracht. "Ich habe mich dabei auch verletzt, ich habe jetzt noch Narben", sagt er.

Baseballschläger zur Verteidigung

"Heast, i wü mit dir reden!", sagte er, als er die Wohnung betrat, seine Ex-Frau habe damit gedroht, die Polizei zu rufen. "Die Kollegen sind schon fünf Minuten später gekommen", erinnert M. sich. "Die Kollegen?", ist Rumpl etwas verwirrt. "Die Polizei", korrigiert der Angeklagte sich. Die damals übrigens auch einen Baseballschläger bei M. fand. "Den hatte ich nur zur Verteidigung, falls auch jemand anderes dort sein sollte. Benutzt habe ich ihn nicht", versichert er.

Auf die Nachfrage von Privatbeteiligtenvertreter Michael Kumpl, der die Namensschreibanleitung "Ohne 'e'!" übrigens mit der Richterin teilt, erfährt man dann Ungewöhnliches. Denn die Ehe von Herrn und Frau M. wurde bereits vor neun Jahren geschieden. "Laut Papier waren wir geschieden. Aber nach acht Monaten sind wir ja wieder zusammengekommen. Erst im heurigen Jahr haben wir uns getrennt", behauptet der Angeklagte dazu. Was kaum stimmen kann, schließlich hat Frau M. bereits im Vorjahr eine einstweilige Verfügung erwirkt, dass der Angeklagte sich ihr weder daheim noch am Arbeitsplatz nähern dürfe.

Ominöses Video ohne Gesichter

Wirklich eigenartig wird es dann, als Frau M. bei ihrem Auftritt als Zeugin offenbart, was offenbar das Motiv des Angeklagten ist. "Er hat überall, Bekannten und Verwandten, ein Video hergezeigt und behauptet, dass ich das bin." Auf der pornografischen Aufnahme sind zwar offenbar keine Gesichter zu sehen, der Angeklagte vermutete aber anhand der Stimmen, dass es sich bei den Abgebildeten um seine Ex-Frau und einen gemeinsamen Freund handelt.

Die Zeugin ist überzeugt, dass das auch der Grund des nächtlichen Besuchs war, den sie etwas anders schildert. "Ich war schon im Bett, da hat es geläutet. Ich dachte, es sind Kinder wegen der Süßigkeiten, und habe nicht aufgemacht. Da hat er begonnen, wie ein Verrückter zu schreien", erinnert sich die 48-Jährige. Sie bekam Angst und rief ihren Sohn aus einer früheren Beziehung an, der ihr riet, die Polizei zu alarmieren. Dieses Gespräch dürfte M. lauschend gehört haben.

Sie habe oben auf der Treppe gewartet, als der Angeklagte die Terrassentür zunächst mit der Faust zum Splittern brachte und dann mit dem Baseballschläger einen Durchgang freischlug. "Er hatte Teufelsaugen", beschreibt die Zeugin, dass ihr früherer Ehemann außer sich gewesen sei. "Er hat überall nachgeschaut, da er dachte, ich habe einen Liebhaber, mit dem ich diesen Porno gedreht habe."

Warnung vor "rollenden Köpfen"

Drei Wochen habe sie auf die Reparatur der Scheibe warten müssen, noch bevor es in der Wohnung wieder warm war, habe die jüngere Schwester des in Serbien geborenen Angeklagten aus ihrem Heimatland angerufen. "Sie hat auch gefragt, ob ich das bin auf dem Video. Ich habe ihr gesagt, das machen vielleicht jüngere Frauen, aber nicht ich." M., der damals ebenfalls in Serbien war, schien mitgehört zu haben, denn plötzlich war er am Telefon und sagte, er werde seine Ex-Frau und den vermeintlichen Liebhaber umbringen, und es würden "Köpfe rollen", sobald er wieder in Wien sei.

"Haben Sie das ernst genommen?", fragt Richterin Rumpl. "Seit dem 31. Oktober habe ich ihm alles zugetraut", sagt Frau M., bricht dann aber eine Lanze für den Angeklagten. "Im Grunde gesehen ist er ein guter Mensch. Das Einzige, was ihn kaputt macht, sind die Drogen und der Alkohol", gibt sie sich sicher. "Eigentlich wollten seine ältere Schwester in Wien und ich ihm immer helfen, dass er sieht, dass er ein Problem hat. Er hat deshalb auch schon zwei oder drei Jobs verloren", meint die Zeugin. Die ältere Schwester in Wien habe ihr auch von den Drohungen berichtet und zur Anzeige geraten. "Er soll mich nur in Ruhe lassen, das ist alles, was ich will", begründet Frau M. dann noch, warum sie auf Schadenersatz verzichtet.

Die Wiener Schwester wurde positiv auf Covid-19 getestet und kann deshalb nicht kommen. Der ohne Verteidiger erschienene M. wäre bereit, ihre Zeugenaussage verlesen zu lassen, um den Prozess nicht zu verlängern. Der Richterin fällt dann allerdings auf, dass die Schwester bei der Polizei gesagt hat, es habe keine Drohung gegeben, was im Widerspruch zur Aussage der Ex-Frau steht. Daher vertagt Rumpl auf den 25. April. (Michael Möseneder, 28.3.2022)