Boris Nemšić investiert in das Grazer Unternehmen Eyeson, er unterstützt unter anderem durch sein Netzwerk aus Kontakten.

Foto: Boris Nemšić

Trifft man sich zu einer Videokonferenz im Tool des Grazer Anbieters Eyeson, so wirkt zuerst alles so wie bei den Konkurrenten namens Zoom, Webex und Microsoft Teams: Auch hier werden Gesprächspartner per Audio und Video zugeschaltet, es kann gechattet und der Bildschirm geteilt werden. Doch dann zeigt Eyeson-CEO Andreas Kröpfl, worauf er und sein 16-köpfiges Technikerteam wirklich stolz ist: die Live-Integration verschiedener Inhalte via API.

So kann zum Beispiel während der Videokonferenz der Livestream eines TV-Senders – etwa Bloomberg TV – integriert werden, sodass dieser für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Konferenz sichtbar ist. Gleich darauf zeigt Kröpfl, wie das Livevideo einer Drohne eingebunden wird, inklusive diverser aktueller Flugdaten. Dabei werden die Videos nicht als getrennte Streams, sondern als ein einzelner Stream ausgespielt. Das schont entsprechend die Bandbreiten, was vor allem bei Geräten in Mobilfunknetzen praktisch ist. Neben Videos können unter anderem auch Audio- und Bildinhalte integriert werden.

Wachsender Markt

Die Software funktioniert in Kombination mit unterschiedlichen Cloud-Strukturen, und die Grazer richten sich vor allem an Entwickler, welche das Produkt in ihre eigene Umgebung integrieren wollen. Aufgrund von Verschwiegenheitsvereinbarungen darf man diverse Kunden nicht öffentlich nennen, unter anderem hat das Team laut Kröpfl aber eine global aktive Versicherung und ein großes US-amerikanisches Spital für sich gewinnen können.

Dass hier während und auch nach der Pandemie viel Potenzial liegt, zeigen diverse Marktforschungsdaten. So verzeichnet der globale Videoconferencing-Markt jährlich zweistellige Wachstumsraten und wird in den kommenden Jahren mit 22 Milliarden US-Dollar bewertet, immer mehr Branchen erweitern ihr bestehendes Programm durch Videokonferenzen.

Boris Nemšić steigt bei Eyeson ein

Das Portfolio der Eyeson-Investoren und -Gesellschafter liest sich ein wenig wie das Who's who der österreichischen Start-up-Szene. Die Investoren Hermann Hauser und Herbert Gartner sind ebenso mit an Bord wie Frequentis-Aufsichtsratsmitglied Christian Pegritz, Payolution-Gründer Michael Altrichter und Tricentis-Gründer Sandeep Johri. Benjamin Ruschin, Gründer von We Are Developers und Big Cheese Ventures, ist als Board Advisor bei Eyeson tätig.

In der jüngsten Investmentrunde durch den Lead Investor i4g rund um Michael Kübeck kommt ein weiterer prominenter Name hinzu: Boris Nemšić, welcher bis Anfang 2009 CEO der Telekom Austria Group war. Gegenüber dem STANDARD spricht Boris Nemšić von einem Investment im mittleren sechsstelligen Bereich, künftige Finanzierungsrunden sollen einen Zielwert im Bereich zwischen fünf und zehn Millionen Euro haben. Nemšić unterstützt das Team unter anderem durch seine Kontakte in der Branche.

Potenzial zum Unicorn?

Aktuell sehen Nemšić und Kröpfl die Bewertung zwischen 15 und 30 Millionen Euro – allerdings haben die Grazer nach Ansicht des ehemaligen Telekom-Managers durchaus Potenzial zu Unicorn. Dies begründet er vor allem in der technischen Ausgereiftheit des Produkts, das frische Kapital soll nun vor allem für den Ausbau einer Sales-Infrastruktur genutzt werden – wie gesagt: Bisher besteht das Team ausschließlich aus Technikern.

Für den ehemaligen CEO ist dies nach dessen Abgang bei der Telekom Austria Group längst nicht die erste Aktivität im Kommunikationsbusiness. So beteiligte er sich am burgenländischen virtuellen Mobilfunkbetreiber (MVNO) I-New, welche 2018 mehrheitlich von der cyan AG übernommen wurde. Ebenso ist er als Berater und Investor beim auf Schüler und Studierende fokussierten MVNO Educom an Bord.

"Breitbandmilliarde hilft nicht substanziell"

Kritisch sieht Nemšić die Entwicklungen am heimischen Telekommunikationsmarkt. "Die Breitbandmilliarde hilft nicht substanziell", sagt er, als er auf die Rolle von Services wie jenen von Eyeson und Zoom im Marktumfeld angesprochen wird.

Denn es gebe zwar Förderungen für den Aufbau von Infrastruktur, diese seien aber wiederum mit vielen Auflagen verbunden. Das wiederum führt bei den Providern zu hohen Kosten, die sie nicht in vollem Ausmaß an ihre Kunden weitergeben können. Zugleich können sie zwar die Internetanschlüsse verkaufen, den Umsatz mit den darauf aufbauenden Services machen aber andere, darunter Dienste wie Netflix oder Amazon – oder eben Anbieter von Videokonferenz-Lösungen, wie etwa Eyeson. (Stefan Mey, 28.3.2022)