Am 9. November 2020 hat Karl Nehammer (ÖVP) noch als Innenminister die Operation Luxor groß inszeniert. Mittlerweile ist es ruhig darum geworden.

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Nur wenige Tage nach dem Terroranschlag in Wien wurde die sogenannte Operation Luxor von Karl Nehammer (ÖVP), damals noch Innenminister, groß inszeniert. Es gab dutzende Razzien gegen angebliche Muslimbrüder und Hamas-Aktivisten in Österreich und rund hundert Beschuldigte. Die Vorwürfe in der Causa wiegen schwer: Es geht um den Verdacht auf Mitgliedschaft in einer Terrororganisation, Terrorfinanzierung und Geldwäscherei. Ein bemerkenswerter Ermittlungserfolg zeichnete sich in den vergangenen eineinhalb Jahren allerdings nicht ab.

Erst kürzlich wurden die Ermittlungen um ein eindrückliches Beispiel reicher, das illustriert, wie schnell so mancher Beschuldigte damals einen Terrorstatus erhielt. So hat offenbar ein Beschuldigter lediglich den Fehler gemacht, ein Hotel zu übernehmen. Dieses gehört einer Stiftung, die ebenfalls im Fokus der Operation Luxor steht. Darüber hinaus besprach jener Mann mit einem anderen Beschuldigten Zimmerreservierungen für Doktoranden. Das reichte aus, damit das Hotel in der Causa als "Schulungszentrum" der Muslimbruderschaft galt. Ein paar Jahre bevor der Beschuldigte das Hotel übernahm, soll sich dort auch für längere Zeit ein mittlerweile verurteilter Hamas-Terrorist aufgehalten haben.

Handfesteres fanden die Ermittler dazu allerdings nicht mehr. Nun plädierte das Straflandesgericht in Graz dafür, den Fall wegen "äußerst reduzierten – nahezu mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entkräfteten – Tatverdachts" einzustellen. Der kürzlich gefasste Beschluss liegt dem STANDARD vor. Gegen den Beschuldigten wurde monatelang wegen Verdachts der terroristischen Vereinigung ermittelt. Die Staatsanwaltschaft Graz kann gegen den Beschluss noch Beschwerde einlegen.

Hitler-Sticker im Schülerchat

Es ist nicht die erste Einstellung in einem der größten laufenden Verfahren, die es momentan in Österreich gibt. Die bisher prominenteste betraf Ex-IGGÖ-Präsident Anas Schakfeh, den Namensgeber und Gründer der erwähnten Stiftung. Schakfeh will lange gar nicht gewusst haben, dass überhaupt gegen ihn ermittelt wird. Einvernommen worden sei er nie. Per Gericht entlastet wurde mittlerweile auch die Vorständin der Stiftung, wie die Presse unlängst berichtete. In beiden Fällen fehlten schlicht die Beweise, um einen Terrorverdacht weiterhin zu rechtfertigen. Die Ermittlungen gegen die Organisation an sich laufen aber noch.

Schon fast aus dem Schneider war wiederum ein beschuldigter Religionslehrer, dem unter anderem Terrorfinanzierung und Geldwäscherei vorgeworfen wurden. Das Verfahren sollte aus Sicht des Landesgerichts eigentlich schon geschlossen werden. Doch die zuständige Staatsanwaltschaft Graz wehrte sich dagegen und konfrontiert den Mann seither mit dem Verbotsgesetz. Auf seinem ausgewerteten Handy fanden Ermittler einen Whatsapp-Gruppenchat mit Schülerinnen und Schülern, in dem vier Adolf-Hitler-Sticker gepostet wurden. Auch weil es bisher keine Anzeichen dafür gegeben haben soll, dass der Lehrer hier in irgendeiner Weise eingeschritten wäre, wie auch spätere Einvernahmen nahelegen, wird das in den Akten als Bestätigung für die "antisemitische Grundeinstellung" in der Muslimbruderschaft gewertet.

Was den Terrorverdacht anbelangt, ein zentrales Element der Ermittlungen, setzte es bereits einen schweren Dämpfer für die Operation Luxor. Das Oberlandesgericht in Graz befand nämlich, dass aufgrund der "Vielfältigkeit" der Muslimbruderschaft nicht jeder Anhänger automatisch als Terrorist gelten könne. Weder in Österreich noch in der EU gilt sie allgemein als Terrororganisation. Hierzulande sind allerdings ihre Symbole verboten.

Gemeinsame Zahlungsströme

Die Ermittlungen drehen sich aber auch darum, ob Beschuldigte etwa an der Finanzierung der palästinensischen Hamas, eines terroristischen Ablegers der Muslimbruderschaft, beteiligt waren. In den tausenden Seiten an Akten scheinen die Ermittler unter anderem einen Glaubensverein und eine Spendenorganisation aus Österreich dafür genauer unter die Lupe zu nehmen – auch aufgrund einer Gemeinsamkeit in den Zahlungsströmen.

Während die Organisation eine hohe Summe an die sogenannte Social Reform Society überwiesen habe, laut Akten eine in Kuwait sowie Jordanien ansässige Organisation mit Nähe zur Muslimbruderschaft, soll der Verein wiederum einen im Vergleich deutlich niedrigeren Betrag aus jener Quelle erhalten haben. Laut den Ermittlern wird die Gesellschaft von Ländern wie Kasachstan beschuldigt, "terroristische Aktivitäten zu finanzieren und sich am 'bewaffneten Jihad' zu beteiligen".

Offizielle Belege dafür muss der Verfassungsschutz jedoch erst einholen, wurde notiert. Dort verweist man zudem darauf, dass erst 2019 ein Verfahren wegen Verdachts der Terrorfinanzierung aufgrund einer Überweisung der Spendenorganisation an Social Reform Society von der Staatsanwaltschaft Wien eingestellt wurde, "weil kein Grund zur weiteren Verfolgung bestand".

Eine noch namenlose Fährte

Die Spendenorganisation steht aber auch im Fokus der Behörden, weil ein dort beschäftigter Beschuldigter im Verdacht steht, Kontakt zu einem mutmaßlichen Mitglied der terroristischen Al-Qassam-Brigaden gehabt zu haben. Dabei handelt es sich um eine militärische Einheit der Hamas.

Als Beleg dafür zieht der Verfassungsschutz drei Chatverläufe heran, in denen der noch unbekannte Kontakt mit israelischer Nummer unter anderem ein offizielles Video der Brigaden weitergeleitet und sich bei dem Beschuldigten erkundigt haben soll, wie dieser Bitcoin zur Finanzierung des palästinensischen Widerstands verwende. Der Spendenverein dürfte an zumindest ein Hilfsprogramm gespendet haben, das der Kontakt vier Monate später vorschlug. Inwieweit zum vorherigen Chat eine Verbindung besteht, ist unklar. Grundsätzlich soll der Beschuldigte einen guten Draht zur Hamas aufweisen, wie mittels Fotoaufnahmen illustriert wird.

Wie erfolgversprechend diese noch sehr vage Fährte ist, wird sich erst weisen. Bisher scheint der merkwürdige Kontakt aber noch einer der relevanteren Funde in Sachen Terrorfinanzierung zu sein. (Jan Michael Marchart, 30.3.2022)