Polens nationalkonservative PiS-Regierung baut das Justizwesen des Landes seit Jahren trotz internationaler Kritik um.

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Richterinnen und Richter aus dem kommunistischen Polen müssen sich nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs nicht automatisch Zweifel an ihrer Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gefallen lassen. Allein die Tatsache, dass ein Richter seine Laufbahn unter dem kommunistischen Regime vor 1989 begonnen habe, reiche nicht aus, um seine Unabhängigkeit und Unparteilichkeit infrage zu stellen, urteilte der EuGH am Dienstag in Luxemburg (Rechtssache C-132/20).

Der Gerichtshof betonte, dass Polen 2004 der EU und ihren Werten beigetreten sei, "ohne dass der Umstand, dass die polnischen Richter zu einem Zeitpunkt ernannt worden sind, zu dem dieser Mitgliedstaat noch keine Demokratie war, insoweit Schwierigkeiten bereitet hätte".

Polens nationalkonservative PiS-Regierung sah sich mit dem Urteil bestätigt. Der EuGH habe klargestellt, dass der Status eines Richters nicht aufgrund der Art und Weise infrage gestellt werden könne, wie dieser ernannt worden sei, schrieb Vize-Justizminister Sebastian Kaleta auf Twitter. "Das wird bestimmt ein weiterer schwerer Tag für die politisierten Richter, die gegen die Reformen unseres Staates kämpfen."

Streit um Legitimität

Hintergrund des Verfahrens ist ein anhaltender Streit unter der polnischen Richterschaft über die Legitimität einzelner Richter und ganzer Kammern – sowie über den heutigen Landesjustizrat, der diese Richter ernennt. Polens nationalkonservative PiS-Regierung baut das Justizwesen des Landes seit Jahren trotz internationaler Kritik um und setzt Richterinnen und Richter damit unter Druck. Die EU-Kommission klagte schon mehrfach gegen die Reformen, zum Teil wurden sie vom EuGH gekippt.

Das Urteil vom Dienstag beschäftigte sich zudem mit zwei weiteren Berufungsrichtern, die zwischen 2000 und 2018 ernannt worden sind. In dieser Zeit sei dem polnischen Verfassungsgericht zufolge der an der Ernennung beteiligte Landesjustizrat nicht transparent und verfassungswidrig zusammengesetzt gewesen.

Dazu erklärte der EuGH, dass das polnische Verfassungsgericht 2017 zwar erklärt habe, dass der Landesjustizrat in dem fraglichen Zeitraum verfassungswidrig zusammengesetzt gewesen sei. Jedoch habe das Verfassungsgericht sich nicht zur Unabhängigkeit des Landesjustizrats geäußert. "Diese Verfassungswidrigkeit als solche reicht daher nicht aus, um die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des KRS (Landesjustizrat), wie er zum damaligen Zeitpunkt zusammengesetzt war, und daher der Richter, an deren Ernennung er beteiligt war, infrage zu stellen." (APA, 29.3.2022)