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Joe Biden hatte im Wahlkampf mit dem Programm Build Back Better Erfolg, doch nun setzt er auf eisernes Sparen und hohe Ausgaben für Sicherheitspolitik.

Foto: Reuters / Kevin Lamarque

Von seinem Schreibtisch aus hat er ihn stets im Blick. Im Oval Office hat Joe Biden unmittelbar nach seiner Amtseinführung ein großes Gemälde des legendären Ex-Präsidenten Franklin D. Roosevelt aufhängen lassen, der die USA mit beispiellosen Sozialprogrammen durch die Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre steuerte. Der Begründer des New Deal war Biden stets großes Vorbild.

Doch als der aktuelle Präsident am Montag im Weißen Haus seinen Budgetentwurf für das im Oktober beginnende Fiskaljahr vorstellte, war von Rentenversicherung oder Mindestlohn keine Rede. "Der Etat sendet eine klare Botschaft an das amerikanische Volk, was uns wichtig ist", hob Biden an, um dann hinzuzusetzen: "Erstens: Haushaltsdisziplin. Zweitens: Sicherheit und Schutz." Erst an dritter Stelle – und nach einem längeren Räuspern – erwähnte er "notwendige Investitionen für ein besseres Amerika".

Aus der Traum

Der Kontrast zur Vorstellung von Bidens Agenda vor einem Jahr könnte kaum größer sein. Damals hatte er ein gigantisches, sechs Billionen Dollar schweres Investitionspaket angekündigt, das die Verschuldung der USA dauerhaft erhöht hätte. Rund ein Drittel davon konnte er mit seinem Infrastrukturgesetz umsetzen. Der Rest hängt im Kongress fest und wird von Republikanern wie rechten Demokraten gleichermaßen blockiert.

Nun unternimmt Biden erst gar keinen Versuch, sein gescheitertes Build-Back-Better-Paket mit kostenlosem Grundstudium, allgemeiner freier Kinderbetreuung und Sanktionen für umweltschädliche Energieerzeuger wiederzubeleben. Stattdessen verlagert der von dramatisch schlechten Umfragewerten geplagte Präsident seine Schwerpunkte mit Mehrausgaben für Militär und Polizei und einem Abbau des Defizits in die politische Mitte der Gesellschaft. Immerhin stehen im Herbst für die Demokraten schicksalhafte Wahlen an: "Die Midterm-Botschaft des Weißen Hauses hätte genauso gut von (dem rechten demokratischen Senator, Anm.) Joe Manchin geschrieben worden sein können", urteilt Politico.

Tatsächlich sind konservative Demokraten in gefährdeten Wahlbezirken mit dem Etatentwurf zufrieden. So volatil die konkreten Zahlen des 5,8-Billionen-Dollar-Budgets sind, die sich in der parlamentarischen Beratung sowie durch die Inflation und den Ukraine-Krieg noch merklich verändern dürften, so deutlich ist das politische Signal: In allen Umfragen werden die gewaltige Preissteigerung, die in den USA zuletzt bei 7,9 Prozent lag, und die wachsende Kriminalität in den Städten als größte Sorgen der Amerikaner bezeichnet.

Früh haben die Republikaner diese Themen für sich besetzt. Biden lag mit der Ankündigung neuer billionenschwerer Programme und der von den Parteilinken erhobenen Forderung nach einer Kürzung der Mittel für die Polizei ziemlich quer zum gesellschaftlichen Mainstream. Nun dreht er radikal bei.

Rekordbudget für Militär

"Einige Leute mögen die Anhebung dieser Ausgaben nicht", kommentierte er die geplante Aufstockung des Militäretats um fast zehn Prozent auf 773 Milliarden Dollar und die Bereitstellung von zusätzlichen 30 Milliarden Dollar für Polizei und Justiz: "Aber wir leben heute in einer veränderten Welt." Die Forderung der Black-Lives-Matter-Bewegung nach Einschnitten bei der Polizei hatte Biden stets kritisch gesehen. Nun sagt er offensiv: "Die Antwort ist nicht, unseren Polizeistellen die Mittel zu kürzen, sondern sie zu finanzieren und alle Mittel zu geben, die sie brauchen."

Immerhin hat Biden für die Parteilinke ein Bonbon: Die Rückführung des Haushaltsdefizits um eine Billion Dollar im Laufe der nächsten zehn Jahre will er nämlich zum Teil durch höhere Steuern für Superreiche finanzieren. Er plant eine Mindestabgabe von 20 Prozent auf Einkommen und nicht realisierte Kapitalerträge von Personen mit mehr als 100 Millionen Dollar. Der Plan würde 0,01 Prozent der Haushalte in den USA treffen und hat Chancen, auch von den konservativen Demokraten im Senat unterstützt zu werden, auf deren Stimmen Biden zwingend angewiesen ist. (Karl Doemens aus Washington, 30.3.2022)