VP-Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck und VP-Außenminister Alexander Schallenberg absolvieren einen zweitägigen Staatsbesuch in Israel. "Wir müssen neue Märkte suchen."

Foto: APA, Georg Hochmuth

Die Glocke ertönt, und die blauen Gondeln setzen sich in Bewegung. Es geht hoch hinaus, aber nicht in den Schnee. Die Strecke auf den Berg führt über Palmen, Kakteen, ein Einkaufszentrum und Straßen hinweg. Der Lift, der perfekt in jede Alpenlandschaft passen würde, steht in der israelischen Hafenstadt Haifa und ist das neue Vorzeigeprojekt des Vorarlberger Unternehmens Doppelmayr. Er verbindet einen der großen Bus- und Zugbahnhöfe mit der hoch über der Stadt thronenden technischen Universität Technion. Über vier Kilometer lang ist die Gondelbahn, vier Jahren wurde gebaut, drei Stationen werden angefahren.

Ein Projekt als Türöffner

Der Lift ist Teil des öffentlichen Nahverkehrs in Haifa, nutzbar mit den Öffi-Tickets. "Für uns ist das Projekt ein Türöffner", sagt Thomas Nesler, Vertriebsleiter von Doppelmayr. Saudi-Arabien, Oman, die Vereinigten Arabischen Emirate, weitere Lifte in Israel: Wenn es gut läuft, wollen die Vorarlberger in der Region bald weitere Aufträge an Land ziehen.

Es ist fast merkwürdig, das aus europäischer Perspektive zu sagen, wo doch auf dem Kontinent Krieg tobt. Aber in Israel herrscht Aufbruchstimmung. Nachdem die Wirtschaft 2020 Corona-bedingt um zwei Prozent eingebrochen ist, erholt sich das Land rasant. Während Österreich erst langsam dabei ist, das Output-Level der Zeit vor der Pandemie zu erreichen, ist die israelische Wirtschaftsleistung im Vorjahr um 8,1 Prozent gewachsen. Befeuert durch den starken Inlandskonsum und Exportboom war es der höchste Wert seit 21 Jahren.

Raus aus der Isolation

Davon soll auch Österreich profitieren. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck und Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) absolvieren derzeit einen zweitägigen Staatsbesuch in Israel. Bei der Gondeltestfahrt am Dienstag saßen beide im ersten Wagon. "Uns fallen gerade zwei wichtige Märkte weg", sagt Schramböck mit Blick auf die Ukraine und Russland. "Wir können nicht nur rumsitzen. Wir müssen das ausgleichen und neue Märkte suchen."

Die israelische Wirtschaft ist dafür interessanter geworden. Das Land war bis vor kurzem weitgehend isoliert in der arabischen Welt. Bis auf Ägypten und Jordanien unterhielt Israel mit keinen anderen Ländern offizielle diplomatische Beziehungen. Handel getrieben wurde trotzdem, aber oft kompliziert über Mittelsleute und abgewickelt in Drittstaaten. 2020 unterzeichnete Israel mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain, Marokko und dem Sudan Abkommen zur Normalisierung der Beziehungen. Seither blüht vor allem der Handel mit den Emiraten.

Neue Verbindungen

Und selbst zwischen Ländern, die offiziell nichts voneinander wissen wollen, gibt es neue Verbindungen: So wird derzeit das erste Unterwasser-Internetkabel zwischen Israel und Saudi-Arabien verlegt. Das Kabel führt durch das Rote Meer bis nach Indien. Es ist Teil einer größeren digitalen Verbindungslinie, die in Frankreich beginnt und am indischen Subkontinent endet. Google und Telecom Italia werden Betreiber sein. Das Projekt soll bis 2024 fertiggestellt sein und dient als eine günstigere Alternative zu bisherigen Kabeln. Saudi-Arabien will damit Neom an die Welt anstöpseln, eine Hightech-Stadt aus der Retorte am Roten Meer.

Ungelöst bleibt allerdings der Konflikt mit den Palästinensern. Während das Thema in den vergangenen Monaten politisch in den Hintergrund rückte, hat sich das in vergangenen Tagen verändert. Israel erlebt eine Reihe von Anschlägen, die auch den Besuch aus Österreich überschatten. Am Dienstagabend tötete ein Attentäter fünf Menschen in einem Vorort von Tel Aviv, ehe er selbst von der Polizei erschossen wurde. Der Attentäter soll laut israelischen Medienberichten aus dem besetzten Westjordanland gekommen sein. Bereits vergangenen Sonntag und Dienstag gab es von israelischen Arabern verübte Anschläge in Israel, bei denen insgesamt sechs Menschen starben.

Die geopolitisch veränderte Großwetterlage lässt Nesler von Doppelmayr dennoch hoffen, dass die Gondeln in Haifa bald von arabischen Gästen bestaunt werden – auch wenn die Inbetriebnahme des Lifts wegen eines Streits zwischen dem Verkehrsministerium in Jerusalem und der Stadt Haifa verschoben werden musste.

Und diese Konstellation ist es auch, die den israelischen Ex-General Danny Bren optimistisch auf künftige Handelsbeziehungen mit der EU blicken lässt. Bren ist CEO von Otorio, einem auf Cybersecurity spezialisierten israelischen Unternehmen. Zu seinen wichtigsten Kunden gehört der Anlagenbauer Andritz und das Packaging-Unternehmen Mondi. Brens Auftrag: Produktionsanlagen vor Cyberattacken bewahren. "Viele europäische Unternehmen waren in der Vergangenheit zurückhaltend bei Geschäften mit Israel, weil es auf die Wahl hinauslief: entweder Israel oder die Golfstaaten. Doch das ist vorbei", sagt er bei einem Treffen israelischer Start-up-Chefs mit Schramböck.

Die Ministerin bewarb dabei Investitionsmöglichkeiten in Österreich, vor allem die Forschungsprämie in Höhe von 14 Prozent.

Viel Aufholbedarf

Dabei gibt es zwischen Österreich und Israel Aufholbedarf. Der Doppelmayr-Auftrag mit Umfang von 60 Millionen Euro ist eher Ausnahme denn Regel. Das bilaterale Handelsvolumen betrug 2021 nur 700 Millionen Euro, unter den Exportmärkten belegt Israel aus österreichischer Sicht nur Platz 39. Bei der Kooperation im Start-up-Sektor, im Gesundheitswesen und bei Infrastruktur sehen beide Seiten aber Möglichkeiten. "Die Beziehungen waren noch nie so gut zwischen den beiden Ländern", sagt Schallenberg.(András Szigetvari aus Haifa, 30.3.2022)

Die Reise nach Haifa erfolgte auf Einladung des Außenministeriums.

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