Ein junger Mann im zeugungsfähigen Alter beim Blutzuckertest. Ein Medikament gegen Typ-2-Diabetes könnte womöglich die Spermienqualität beeinträchtigen.

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Dass Dänemark wesentlich besser durch die Pandemie gekommen ist als die meisten anderen Länder, liegt auch daran, dass die dortigen Fachleute zu denen gehören, die über die besten medizinischen Daten verfügen. Die dänischen Registerdaten machen Studien möglich, die in anderen Ländern unmöglich wären. So konnten für eine neue Untersuchung die Registerdaten der von Vätern eingenommenen Medikamente mit den Registerdaten der 1,1 Millionen in Dänemark geborenen Babys zwischen 1997 und 2016 kombiniert werden.

Drei Medikamente im Vergleich

Konkret ging in der Studie, die am Dienstag im Fachblatt "Annals of Internal Medicine" publiziert wurde, um drei verschiedene Medikamente gegen Typ-2-Diabetes, nämlich Insulin, Metformin und Sulfonylharnstoff, die von den Vätern in den drei Monaten vor der Zeugung eingenommen worden waren. Und bei den Babys überprüften die Forschenden um den Epidemiologen und Biostatistiker Maarten Wensink (Süddänische Universität), ob es zu angeborenen Fehlbildungen gekommen war.

Bei der Auswertung der Daten zeigte sich, dass Insulin, das während der Spermienentwicklung eingenommen worden war, nicht mit einem erhöhten Risiko für einen Geburtsfehler assoziiert war. Für Aussagen zu Sulfonylharnstoffen waren die Zahlen zu gering. Doch in Bezug auf die Einnahme von Metformin, einem synthetischen Präparat, das den Blutzucker durch Steigerung der Insulinempfindlichkeit senkt, ermittelten die Forschenden ein leicht erhöhtes Risiko für Missbildungen: Bei den 1.451 Nachkommen dieser Männer fand das Team eine 1,4-mal höhere Wahrscheinlichkeit für mindestens einen schwerwiegenden Geburtsfehler einschließlich Genital-, Verdauungs-, Harn- und Herzfehlern.

Leicht und stärker erhöhte Risiken

Diese Abweichung ist noch vergleichsweise gering. Deutlich höher aber war der Unterschied bei Genitaldefekten, die nur bei männlichen Säuglingen zu beobachten waren. Unter den Säuglingen, deren Väter Metformin eingenommen hatte, gab es 0,9 Prozent (in absoluten Zahlen: 13) Genitaldefekte, verglichen mit 0,24 Prozent bei nicht exponierten Babys. Zu solchen Missbildungen gehört etwa die Hypospadie, bei der die Harnröhre nicht aus der Penisspitze austritt.

Bereinigt um das Alter der Eltern und den Raucherstatus der Mutter, stellten die Forschenden einen 3,4-fachen Anstieg der Wahrscheinlichkeit für einen Genitaldefekt fest. "Die Rate war erstaunlich hoch", sagt Wensink. Beruhigend war immerhin, dass bei männlichen Nachkommen von Männern, die das Medikament zu einem früheren Zeitpunkt oder nach dem 90-Tage-Fenster der Spermienproduktion eingenommen hatten, keine Auswirkungen festgestellt werden konnten.

Eher keine Änderung der Medikation

Bei der Frage, ob Männer mit Diabetes, die Väter werden wollen, Metformin absetzen sollten, ist Wensink zurückhaltend: "Metformin ist ein sicheres Medikament." Es sei billig, und es tue, was es tun müsse, indem es den Blutzuckerspiegel kontrolliert, sagt der Erstautor in "Science News". Jede Änderung der Medikation sei eine komplexe Entscheidung, die gemeinsam mit den Ärzten zu treffen sei

Metformin wird seit den 1950er-Jahren verwendet, und obwohl es vor allem von älteren Menschen benützt wird wird, nimmt die Zahl der Männer, die es in ihrem reproduktiven Alter einnehmen, stark zu. In den Vereinigten Staaten etwa stiegen die Verschreibungen an 18- bis 49-Jährige mit Typ-2-Diabetes von weniger als 2.200 im Jahr 2000 auf 768.000 im Jahr 2015.

Die Studie und ihr Hauptergebnis lassen freilich noch einige Fragen offen, wie auch das Team um Wensink eingesteht: So standen den Forschenden keine Daten über Fettleibigkeit der Männer zur Verfügung. Wensink und sein Team können auch noch nichts zum möglichen Mechanismus sagen, wie sich das Medikament schädigend auf die Spermienbildung auswirken könnte.

Vorsichtige Schlüsse

Aufgrund dieser Vorbehalte sind die beteiligten Fachleute, aber auch weitere befragte Expertinnen vorsichtig, wenn es darum geht, konkrete Schlussfolgerungen aus dieser Studie zu ziehen – so auch der Endokrinologe Andreas Pfeiffer von der Charité Berlin: Die gefundene Assoziation belege noch keinen Zusammenhang. Sie machte aber "weitere Studien dringend erforderlich". (tasch, 30.3.2022)