Italiens renommierteste Mafiajäger schlagen Alarm: Nach Einschätzung von Federico Cafiero De Raho, Chef der nationalen Anti-Mafia-Behörde, und Nicola Gratteri, Staatsanwalt von Kalabrien, ist das organisierte Verbrechen drauf und dran, aus dem Ukraine-Krieg Profit zu schlagen.

Geldwäsche für russische Oligarchen: Nur eines von mehreren Geschäftsfeldern der italienischen Mafia.
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"Die Mafia schaut wie immer voraus: Während wir uns noch mit der Gegenwart beschäftigen, arbeiten die Clans bereits an den Geschäften von morgen", meint Cafiero De Raho.

Waffenhandel

Die Geschäftsfelder, in denen die unterschiedlichen Organisationen der Mafia (die sizilianische Cosa Nostra, die kalabrische 'Ndrangheta, die neapolitanische Camorra und die apulische Sacra Corona Unita) involviert sind, reichen von Waffenschieberei und Menschenhandel bis hin zur Unterbringung von Geflohenen und – im Dienste der russischen Oligarchen – Geldwäsche.

Naheliegend ist natürlich der illegale Handel mit Waffen, seit jeher ein wichtiges wirtschaftliches Standbein der Clans. "Für die Mafia sind die Waffen das Gold der Kriege", betont Cafiero De Raho – und je länger ein Krieg dauere, desto lukrativer werde dieses Geschäft. Sein Kollege Gratteri weist noch auf einen anderen Punkt hin: Bei Kriegen könnten die Clans auch ihre eigenen Arsenale wieder auffüllen. "Und wenn man eine Kalaschnikow mit Kokain (statt Geld) bezahlt, dann gibt es meist noch einen kräftigen Rabatt."

Der Bosnien-Krieg (1992–1995) sei zum Beispiel für die 'Ndrangheta ein "Geschenk des Himmels" gewesen: "In ihren Waffenlagern entdecken wir bei unseren Razzien bis heute noch Restbestände aus diesem Konflikt", betont der Staatsanwalt von Kalabrien.

Menschenhandel, Prostitution, illegale Adoptionen

Besonders lukrativ verspricht der Menschenhandel zu werden, bei dem die italienischen Clans seit langem mit der russischen und ukrainischen Mafia zusammenarbeiten. Junge Ukrainerinnen, die mit ihren kleinen Kindern vor dem Krieg fliehen, drohen zur leichten Beute der kriminellen Organisationen zu werden: Diese verhelfen den Frauen zur Flucht, um sie nachher zur Prostitution zu zwingen, ihnen die Kinder wegzunehmen und diese illegal als Adoptivkinder an italienische Paare zu verkaufen.

"Bereits heute haben wir von hunderten geflohenen ukrainischen Frauen und ihren Kindern keine Spur mehr", berichtet Federico Fossa vom Uno-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR der Zeitung "La Repubblica". Ob diese bereits "im schwarzen Loch" von Prostitution und illegaler Adoption verschwunden seien, lasse sich derzeit nicht mit Sicherheit sagen. Das UNHCR und die Kinderschutzorganisation Save the Children fordern jedenfalls zur Sicherheit ein umgehendes Moratorium auf Adoptionen in ganz Europa.

Illegale Immobiliengeschäfte

Geld will die Mafia auch mit der Betreuung und Unterbringung der Geflohenen machen – ebenfalls ein altes Geschäftsfeld der Clans. Laut der zuständigen Spezialeinheit der Carabinieri existiert bereits ein mafiöses Netzwerk, das sich – meist getarnt als gemeinnützige Vereine – an den öffentlichen Ausschreibungen für die Betreuung der geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer beteilige und so einen Teil der von der Regierung dafür zur Verfügung gestellten 428 Millionen Euro abgreifen wolle.

Das Unterbringungsbusiness erscheint den Clans umso attraktiver, als auch die EU dreieinhalb Milliarden Euro für die Geflohenen zur Verfügung stellt, die an die Mitgliedsstaaten verteilt werden.

Geldwäsche

Auf die Dienste der Mafia greifen zunehmend auch russische Oligarchen zurück, deren Luxusyachten und andere Vermögenswerte – sofern nicht schon geschehen – beschlagnahmt bzw. eingefroren werden.

Die Mafia, die jedes Jahr dutzende Milliarden Euro aus dem Drogenhandel waschen muss, hat jahrzehntelange Erfahrung mit Geldwäsche. Laut Erkenntnissen der Finanzpolizei sind die Finanzspezialisten der Clans bereits daran, russische Vermögen – natürlich gegen großzügige Provisionen – eiligst in sichere Steuerparadiese im Ausland zu schaffen oder in Kryptowährungen zu investieren, die von den Sanktionen kaum erfasst werden können.

Dabei geht es um riesige Summen: Laut Angaben der italienischen Nationalbank sind allein im vergangenen Jahr 13 Milliarden Euro von Russland nach Italien geflossen – fünf Milliarden davon wurden als verdächtig eingestuft.

Hartes Vorgehen der Regierung

Den Oligarchen weht nun aber insbesondere in Italien, wo die Strafverfolgungsbehörden aufgrund ihres jahrzehntelangen Kampfes gegen die Mafia große Erfahrung mit der Verfolgung illegaler Finanzströme und der Bekämpfung von Geldwäsche haben, ein rauer Wind entgegen. Erst vergangene Woche hat Regierungschef Mario Draghi bekanntgegeben, dass der Staat im ersten Monat des Krieges russische Vermögenswerte in Höhe von 800 Millionen Euro beschlagnahmt habe; inzwischen ist daraus laut Medienberichten mehr als eine Milliarde Euro geworden.

"Die Regierung ist sich bewusst, dass der bewaffnete Konflikt in der Ukraine den Mafiaclans gefährliche neue Möglichkeiten für illegale Geschäfte eröffnet", erklärte Innenministerin Luciana Lamorgese in diesen Tagen. "Aber wir sind vorbereitet." (Dominik Straub 31.3.2022)