Hans Peter Metzler ist Hotelier, Obmann des Wirtschaftsbunds und Direktor der Wirtschaftskammer. Der Wirtschaftsbund ist die mit Abstand mächtigste Fraktion in der Vorarlberger Wirtschaftskammer. Das lasse man auch unabhängige Kämmerer wissen, wird in Vorarlberg erzählt.

Foto: Vorarlberg Tourismus

Seit 20 Jahren liege ihm das alles schon im Magen, sagt Michael Stadler. Der Vorarlberger hat einen Tischlereibetrieb und war viele Jahre stellvertretender Innungsmeister seiner Berufsgruppe in der Wirtschaftskammer. Einmal pro Jahr habe man die Innung "penetriert, fast gezwungen", im Magazin des Wirtschaftsbunds – seit jeher die stärkste Fraktion in der Vorarlberger Wirtschaftskammer – zu inserieren.

Wenn die Innung Geld ausgeben will, braucht es dafür die Zustimmung beider Innungsmeister. Stadler habe seine für diesen Zweck nicht geben wollen. "Ich habe keinen Nutzen für unsere Mitglieder gesehen. Das ist ja keine Werbung, sondern nur Parteienfinanzierung", sagt Stadler dem STANDARD. Am Dienstagabend führte er das auch in der "ZiB 2" aus.

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Es kann als Besonderheit beschrieben werden, dass jemand mit diesen Eindrücken an die Öffentlichkeit geht. Dass der Wirtschaftsbund Druck auf Unternehmer – und in der Wirtschaftskammer – ausgeübt habe, um möglichst viele Inserate zu lukrieren, sagen viele, auch dem STANDARD. Allerdings nur anonym und mit dem Hinweis, dass man dies nicht öffentlich machen könne, weil man um die persönliche bzw. betriebliche Zukunft fürchte.

Warum viele nicht öffentlich auftreten wollen

Da geht es nicht nur um den Wirtschaftsbund, sondern natürlich um die ÖVP im Allgemeinen. Die Zeiten der absoluten Mehrheit sind freilich in Vorarlberg schon lange vorbei. Allerdings sind von den 96 Gemeinden im Ländle 88 Bürgermeister schwarz. Mit diesen verhandeln Betriebe wegen Baugenehmigungen, Wegerechten etc., die im unternehmerischen Alltag natürlich schnell und unkompliziert geregelt werden wollen. Dass die Ortsvorsteher ihre kommunale Arbeit von Parteizugehörigkeit trennen, daran dürften einige Unternehmer ihre Zweifel haben.

Stadler hat jedenfalls am Morgen nach seinem Fernsehantritt eine Mail bekommen, in der ihm eine Lohnabgabenprüfung angekündigt wird, in dem Mail heißt es, auf Finanzonline sei er über diese schon informiert worden. Diese Prüfung gebe es alle paar Jahre einmal, sagt der Handwerker. Einen Zufall will er aber nicht erkennen.

Kessler als Geldeintreiber

Aber: Was heißt Druck ausüben konkret– und wer war das genau? Michael Stadler geht ins Detail: Es sei immer Wirtschaftsbund-Direktor Jürgen Kessler persönlich gewesen, der sich wegen "Schaltungen" gemeldet habe. "Ich habe dann eine halbe Seite zugesagt, Kessler wollte unbedingt eine ganze. Als ich hart geblieben bin, hat er gesagt er wisse ganz genau, wie viel Geld unsere Innung hat und dass wir es uns leisten können."

Kessler kümmerte sich freilich nicht nur um die Inserate im Wirtschaftsbund-Magazin. Er war bis vor wenigen Wochen auch an einer Firma beteiligt, die das Anzeigengeschäft für viele Magazine, unter anderem auch für jene der Wirtschaftskammer, abwickelte. Er bestritt zwar stets, in das operative Geschäft eingebunden gewesen zu sein, letzten Endes begrüßte aber auch Landeshauptmann Markus Wallner, dass Kessler seine Anteile, die er über eine Firma am Media-Team hielt, verkaufte. Das Unternehmen gehört jetzt dem Geschäftsführer und Russmedia, dem größten Medienunternehmen in Vorarlberg. Diese Doppelrolle hatte auch schon Kesslers Vorgänger Walter Natter inne. "Kessler hat dieses System sicher nicht erfunden, aber er hat es auf die Spitze getrieben", sagt Stadler.

Einfluss in der Kammer

Vom Druck, im Wirtschaftsbund-Blatt zu inserieren, wird auch in der Vorarlberger Wirtschaftskammer berichtet. Allerdings ist auch hier die Zurückhaltung, das öffentlich zu tun, groß. Allein seit 2018 wurden von der Wirtschaftskammer Vorarlberg 101.070 Euro an Inseraten im Magazin des ÖVP-Wirtschaftsbundes geschaltet, zusätzlich 38.523 Euro von der Bundes-Wirtschaftskammer. Seit 2019 durch die Grüne Wirtschaft Kritik an den Inseraten aus der Kammer laut wurde, sind sie weniger geworden. Stattdessen fällt auf, dass vermehrt Interviews mit bzw. Beiträge über einzelne Spartenvertreter erscheinen. Ob das redaktioneller oder Werbeinhalt ist, ist unklar.

Parteipolitik habe in der Wirtschaftskammer "keinen Platz", sagte Metzler nach der letzten Wahl 2020. Es gehe darum, die Interessen des Wirtschaftsstandorts und aller Unternehmen, vom Großbetrieb über KMUs bis hin zu Ein-Personen-Unternehmen, zu vertreten. Metzler war Spitzenkandidat eines Wahlbündnisses, das praktischerweise heißt wie das Magazin des Wirtschaftsbunds: "Vorarlberger Wirtschaft". Neben dem Wirtschaftsbund waren auch die Freiheitliche Wirtschaft, der Vorarlberger Wirtschaftsverband sowie die Fraktionslosen dabei. 701 von 806 Mandaten vereint das Wahlbündnis auf sich. Gewählt wurde in 39 Fachgruppen. In den anderen 52 Fachgruppen entfiel die Wahl, weil dort nur die Liste "Vorarlberger Wirtschaft – Team Hans-Peter Metzler" einen Wahlvorschlag eingebracht hatte.

Ein Gratismagazin, das Millionen bringt

Wie viele dem Ruf des Wirtschaftsbunds, zu inserieren, gefolgt sind, zeigt ein Blick in die einzelnen Ausgaben. Seit einigen Tagen ist das auf der Wirtschaftsbund-Website nicht mehr möglich, es gibt allerdings eine Sammlung an anderer Stelle. Ein ganzseitiges Inserat kostete 3.000 Euro, früher seien es 3.600 Euro gewesen, erinnert sich Stadler. Ab 3.500 Euro gelten Inserate aber seit einigen Jahren als Spenden. Schätzungen zufolge brachte das Magazin, das eine Auflage von 20.000 Stück hat und gratis an die Mitglieder versendet wird, allein 2020 etwa eine Million Euro ein. Am Vermögen des Wirtschaftsbunds dürfte das Heft einen massiven Anteil haben – und der Wirtschaftsbund ist für die Finanzierung der ÖVP wiederum enorm wichtig.

Wie lukrativ all das für Kessler persönlich war, ob es Provisionen oder Ähnliches gab, ist unklar. 2020 kaufte die 3L Consulting – jene Firma, über die Kessler seine Anteile am Media-Team hielt – für 1,9 Millionen Euro in Vorarlberg ein 1.728 Quadratmeter großes Grundstück mit einer Baufläche-Wohngebiet-Widmung.

Wochenlang haben Journalisten, aber auch die Oppositionsparteien gerätselt, wo im ÖVP-Rechenschaftsbericht das Geld des Wirtschaftsbunds, das an die Partei überwiesen wird, aufscheint. Am Dienstagabend kamen von Wirtschaftsbund-Obmann Hans Peter Metzler und Landeshauptmann Markus Wallner erstmals Antworten. Einmal pro Regierungsperiode habe es Geld für die ÖVP gegeben, 2014 und 2019. Wallner spricht in dem Zusammenhang von einem "Unterstützungsbeitrag". Dieser sei dann im Rechenschaftsbericht unter dem Punkt "Parteisteuer" ausgewiesen worden. In den beiden Jahren lagen die Summen demnach bei 571.000 und 683.000 Euro. In den Jahren dazwischen bewegten sich die Beträge zwischen 150.000 und 180.000 Euro.

Auch Mitglieder wurden angeworben

Die zweite Ebene, wie sich der Wirtschaftsbund Einfluss sichern wolle, sei, möglichst viele Innungsmitglieder in den Wirtschaftsbund zu bringen. Auch das habe Stadler nie gewollt. "Ich möchte einfach parteiunabhängige inhaltliche Arbeit machen." Vor etwa eineinhalb Jahren habe er dann aber "das Handtuch geworfen". Der jetzige Innungsmeister und sein Stellvertreter seien beide Wirtschaftsbund-Mitglieder. Und diese müssten, Stadler zufolge, von der Aufwandsentschädigung, die man für die Arbeit in der Innung bekommt, zehn Prozent an den Wirtschaftsbund weitergeben.

Beides – einerseits, dass die Innungen gebeten wurden, zu inserieren, und dass andererseits aktiv nach Mitgliedern gesucht wird – bestätigen dem STANDARD auch Mitglieder aus anderen Innungen. "Ich habe da keinen Sinn gesehen und es auch einfach nicht gemacht", sagt einer. Auch ihm habe man klargemacht, dass es natürlich besser wäre, mitzumachen. Zwischen den Zeilen habe das geheißen, es könnte Probleme geben. Der Unternehmer ließ sich nicht beeindrucken. Passiert sei dann auch nichts.

Was sagt Wirtschaftsbund-Direktor Kessler zu den von Stadler geäußerten Beobachtungen? Dem STANDARD schreibt er nur: "Das Magazin Vorarlberger Wirtschaft ist ein seit Jahrzehnten etabliertes Werbemedium für die Vorarlberger Unternehmerschaft." (Lara Hagen, 30.3.2022)