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Vertreterinnen und Vertreter der First Nations, Métis und Inuit besuchen den Vatikan.

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Erst im Jänner wurden 93 weitere mögliche Gräber in Williams Lake entdeckt.

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Mit Bodenradar und Drohnen untersuchen die Behörden die Grundstücke der ehemaligen Internate.

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Seinen "Schmerz" hat Papst Franziskus bereits ausgedrückt, doch das reicht den Überlebenden nicht: Das Oberhaupt der katholischen Kirche soll sich für die Gräueltaten entschuldigen, die Patres und andere Kirchenangehörige an Kanadas indigenen Kindern verübt haben. Noch bis Freitag treffen deshalb Abgeordnete der First Nations, Métis und Inuit – gemeinsam mit Vertretern der kanadischen Bischofskonferenz – auf den Papst und seine Vertrauten.

"Der Papst hat zugehört", sagte Cassidy Caron, die Präsidentin des Métis National Council, nach der ersten Zusammenkunft am Mittwoch am Petersplatz. "Er hat nur drei der vielen Geschichten gehört, die wir zu erzählen haben", fügte sie hinzu. Aber obwohl ihrer Meinung nach "die Zeit für Anerkennung, Entschuldigung und Wiedergutmachung schon überreif" sei, sei es "nie zu spät, das Richtige zu tun".

Missbrauch und Misshandlungen

Mehr als 150.000 Kinder wurden ihren Familien zwischen 1874 und den 1990er-Jahren weggenommen, um in Umerziehungsheimen auf die weiße Mehrheitskultur Kanadas gedrillt zu werden. Die Minderjährigen hatten oft monate- oder gar jahrelang keinen Kontakt zu ihren Angehörigen und wurden vielfach sexuell missbraucht oder anders körperlich misshandelt. Zahlreiche Kinder starben an Krankheiten wie Tuberkulose oder Unterernährung oder an den Folgen der Misshandlungen.

Seit Mai vergangenen Jahres wurden mehr als 1.300 nicht markierte Gräber auf ehemaligen Standorten von solchen Internaten gefunden – immer wieder werden weitere entdeckt. Erst Anfang März meldete die Kapawe'no First Nation, dass sie 169 Gräber auf ihrem Gebiet im Bundesstaat Alberta vermutet. Mit Bodenradargeräten und Drohnen suchen die Indigenen und Behörden nach weiteren Grabstätten.

Besuch in British Columbia

Kanadas Premierminister Justin Trudeau besucht am Mittwoch die Williams Lake First Nation, die im westlichen Staat British Columbia liegt. Dort wurden im Jänner 93 "mögliche menschliche Gräber" entdeckt, wie die Indigenenvertretung verlautbarte. Dabei waren damals erst 14 der 470 Hektar Grund des ehemaligen St.-Joseph's-Mission-Internats untersucht.

Obwohl auch Vertreterinnen und Vertreter der Tŝilhqot'in Nation zu Trudeaus Besuch geladen wurden, werden sie nicht teilnehmen. Damit protestieren sie dagegen, dass sie nicht bei der Untersuchung des Geländes involviert wurden, obwohl auch aus ihrer Nation Kinder in der St.-Joseph's-Schule untergebracht waren.

Mehr Geld für Wiedergutmachung

Die kanadische Regierung hat rund 230 Millionen Euro für die Suche nach Gräbern und die Unterstützung von Überlebenden und ihren Angehörigen freigegeben. Doch Marc Miller, der Minister für indigene Angelegenheit, glaubt nicht, dass das reichen wird. Die Behörden stünden bereit, um mehr Geld in die Hand zu nehmen, sagte Miller, der Trudeau bei seinem Besuch in Williams Lake begleitet.

Prinzipiell gibt es seit Jahren Kritik der indigenen Vertretungen, dass Kanadas Regierung und die katholische sowie anglikanische Kirche zu wenig Aufarbeitungs- und Wiedergutmachungsarbeit leisteten. Eine staatliche Kommission war 2015 zu dem Schluss gekommen, dass durch die Schulen ein "kultureller Genozid" an Kanadas indigener Bevölkerung verübt worden sei.

"Entschuldigung nicht genug"

In einem Stück für den kanadischen Rundfunk schreibt die Überlebende Roberta Hill, dass eine offizielle Entschuldigung nicht genüge. Die Verantwortlichen müssten ihre Verantwortung übernehmen.

Hill, die 1957 im Alter von sechs Jahren in ein Umerziehungsinternat gebracht wurde, fordert vor allem Erklärungen, wie solch ein Missbrauch stattfinden konnte: "Bei der 'Wahrheits- und Wiedergutmachungskommission' ging es darum, die Wahrheit zu hören", schreibt Hill. "Aber es geht nicht nur um unsere Wahrheiten. Ich will die Wahrheit der ehemaligen Abteilung für indianische Angelegenheiten hören. Ich will sie von der Kirche hören. (...) Es gibt noch so viel, das aufgedeckt wird und wofür die Kirche Rechenschaft ablegen muss."

Papst Franziskus soll eine Auslandsreise nach Kanada planen, heißt es aus dem Vatikan. Wann genau diese stattfinden wird, ist noch unklar. Mit im Gepäck soll dann zumindest die offizielle Entschuldigung der katholischen Kirche sein. (Bianca Blei, 30.3.2022)