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Russlands Doppelolympiasieger im Schwimmen, Jewgeni Rylow, war Teil der Propagandashow im Moskauer Luschniki-Stadion.

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NHL-Star Alexander Owetschkin, der 2017 im Wahlkampf um Unterstützung für Putin geworben hatte, hält sich wie viele andere russische Sportler mit Kritik zurück.

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Kiew/Moskau – Doppelolympiasieger Jewgeni Rylow trug auf der Bühne neben seinen Medaillen aus Tokio ein Z in den Nationalfarben Russlands auf seiner Brust. In nur wenigen Monaten hat sich das Publikum des Weltklasseschwimmers verändert: Statt Sportfans jubeln ihm nun Landsleute bei der Propagandaveranstaltung des Kreml im Moskauer Luschniki-Stadion zu, die anlässlich des achten Jahrestags der Krim-Annexion am 18. März und den Einmarsch in die Ukraine feiern.

Sportliche Aushängeschilder spielen im System des Autokraten Wladimir Putin eine wichtige Rolle. Neben Rylow traten beim Propagandafest des Kreml Athleten wie Skilangläufer Alexander Bolschunow und Eiskunstläuferin Wiktorija Sinizina auf. Zur gleichen Zeit töteten russische Raketen ukrainische Zivilisten. Ob alle Auftritte freiwillig geschehen, ist fraglich. Viele Athleten dürften jetzt noch abhängiger vom Staat sein, vermuten Experten, da sich Sponsoren distanziert haben.

Vorteile von Athleten für Autokraten seien "ihre Popularität, ihr positives Image und ihre tendenzielle Abhängigkeit", sagt der Politikwissenschafter Till Müller-Schoell von der Deutschen Sporthochschule Köln. "Popularität und Image sind genau die Eigenschaften, die im günstigen Fall für Putin auf ihn übertragen werden. Die Abhängigkeit reduziert das Risiko, dass doch Kritik geübt wird."

Aktion und Reaktion

Der Auftritt von Rylow hatte ein Nachspiel: Wegen eines möglichen Verstoßes gegen Regeln des Weltverbands führte die Disziplinarkommission des Schwimm-Weltverbands Ermittlungen gegen ihn. Zudem verlor er seinen Sponsor Speedo. Das Z, das er trug und "Za Pobedu" ("Auf den Sieg") bedeuten soll, ist mittlerweile ein nationalistisches Zeichen und prangt auf den in der Ukraine agierenden russischen Militärfahrzeugen. Auch Turner Iwan Kuliak hatte mit dem Zeichen beim Weltcup in Doha für einen Eklat gesorgt.

Putin dürften diese Sympathiebekundungen gefallen. Gerne ließ er sich in der Vergangenheit mit Sportlerinnen und Sportlern ablichten. Auch NHL-Star Alexander Owetschkin ist auf vielen Fotos mit ihm zu finden. Die russische Eishockeygröße hatte sich 2017 in den Wahlkampf eingeschaltet und um Unterstützung für Putin geworben. Mehrere namhafte Athleten schlossen sich damals an.

Keine Kritik an Putin

Owetschkin von den Washington Capitals hat sich für eine beliebte Taktik in den Reihen der russischen Sportler in diesem Krieg entschieden: lieber allgemeine Friedensappelle ausrufen statt den Angriffskrieg klar zu verurteilen. Der 36-jährige Russe – mittlerweile auf Rang drei der ewigen Torjägerliste in der National Hockey League – forderte: "Bitte keinen Krieg mehr. Wir müssen in Frieden leben." Mit Kritik am Kreml hielt er sich zurück, er sei "kein Politiker".

Owetschkin ist nun für viele NHL-Fans außerhalb der US-Hauptstadt eine unbeliebte Person, wird seit dem Kriegsausbruch regelmäßig ausgepfiffen. "Er ist mein Präsident", sagte er und fügte hinzu: "Ich bin nicht in der Politik. Ich bin Sportler, und wie ich schon sagte, hoffe ich, dass alles bald erledigt sein wird. Es ist im Moment eine schwierige Situation für beide Seiten."

Gegen den Krieg

In die Friedensriege mit möglichst zurückhaltender Kritik am Kreml hat sich auch die russische Tenniselite begeben. Daniil Medwedew bat wenige Tage nach Kriegsbeginn um "Frieden in der Welt". Andrej Rublew schrieb in englischer Sprache "Bitte kein Krieg" auf die Linse einer Fernsehkamera.

Der ukrainische Ringer-Olympiasieger und Abgeordnete Schan Beleniuk lobte die sportübergreifenden Sanktionen gegen russische und belarussische Sportler. "Es ist gut, wenn sie zu Hause sitzen und darüber nachdenken, was hier gerade passiert. Ich weiß andererseits aber auch von belarussischen Athleten, die auf unserer Seite stehen, das öffentlich aus Angst vor Sanktionen allerdings nicht zeigen wollen", sagte Beleniuk.

Das russische Fußball-Idol Artjom Dsjuba, Sohn eines ukrainischen Vaters und einer russischen Mutter, bat darum, vorerst nicht mehr für die Nationalmannschaft nominiert zu werden. Manche interpretierten das als zumindest leisen Protest. Wegen der Suspendierung Russlands kann die Auswahl derzeit ohnehin keine offiziellen Länderspiele bestreiten. Zuletzt spielte sie daher gegen die eigene U21. Djsubas Mannschaftskollege Fjodor Smolow veröffentlichte auf Instagram die Botschaft: "Nein zum Krieg".

Nur selten wird Kritik geäußert: 44 russische Schachspieler – darunter der aufstrebende Daniil Dubow – verurteilten kurz nach Beginn des Einmarschs den Krieg in einem offenen Brief an Putin. (APA, dpa, red, 30.3.2022)