Die Kritik des Papstes an der Aufrüstung in Nato-Staaten kam erst verspätet in der Öffentlichkeit an.

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Papst Franziskus hat sich kein Blatt vor den Mund genommen. "Ich habe mich geschämt, als ich vom Entschluss einiger Regierungen las, als Antwort auf den Krieg zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in den Kauf von Waffen zu stecken", erklärte der Papst. "Verrückt" sei das, fuhr er fort: Noch mehr Waffen und Sanktionen seien nicht die Lösung. Noch nie hat ein Pontifex der katholischen Kirche mit derart deutlichen Worten gegen die Aufrüstung Stellung bezogen – nicht einmal Benedikt XV., der im Jahr 1917 auf dem Höhepunkt des Ersten Weltkriegs in seinem Brief an die Staatsoberhäupter der beteiligten Konfliktparteien den Krieg als "unnützes Gemetzel" bezeichnete.

Starker Tobak also. Und angesichts der schrecklichen Aktualität des Krieges eine durchaus interessante Nachricht, die sich, sollte man meinen, in Windeseile über den ganzen Globus verbreiten würde. Immerhin ist der Papst Oberhaupt einer Kirche mit 1,2 Milliarden Gläubigen. Aber nichts dergleichen geschah: Selbst in Italien, dem Mutterland des Katholizismus, wurde die Meldung von den meisten Medien verschwiegen oder weit hinten als kleine Randnotiz untergebracht. Selbst der deutschsprachige Dienst von Vatican News, das ehemalige Radio Vatikan, versteckte die Nachricht in einem Bericht mit dem Titel: "Papst traut Frauen zu, Grundmuster der Politik zu verändern".

Conte zitiert den Papst

Tatsächlich machte Franziskus seine Äußerung während einer Audienz für die Frauenvereinigung Centro Italiano Femminile, die schon am 24. März stattgefunden hat. Erst jetzt, mit einer Woche Verspätung, wird die brisante Aussage des Papstes in der italienischen Öffentlichkeit doch noch bekannt, weil sie vom früheren Ministerpräsidenten Giuseppe Conte neuerdings bei jeder Gelegenheit zitiert wird. Der Ex-Premier und Chef der Fünf-Sterne-Protestbewegung wehrt sich gegen die Pläne seines Nachfolgers an der Regierungsspitze, Mario Draghi, der den Verteidigungsetat wie Deutschland und andere Nato-Staaten nun ebenfalls auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts anheben will.

Zum Thema wird in Italien aber auch zunehmend die Kriegsberichterstattung der sogenannten Leitmedien wie Rai, "Corriere della Sera" und "La Repubblica" und deren zum Teil schon irritierend weit fortgeschrittene Gleichschaltung und Intoleranz gegen kritische Stimmen. Man höre, schreibt der Publizist Michele Serra, "gehässige Töne gegenüber denjenigen, die bezüglich der Osterweiterung der Nato Zweifel anmelden, und gegenüber denjenigen, die nicht glauben, dass das Pentagon von Natur aus das 'Hauptquartier des Guten' ist".

Ukrainischen Mütter wurde in einem tschechischen Schloss untergebracht.
DER STANDARD

Mühsal des Diskurses

Der Krieg sei nicht zuletzt deswegen schrecklich, weil er zum "Triumph der Vereinfachungen, des binären Denkens" werde, schreibt Serra: "Entweder bist du für uns oder gegen uns." Die Einteilung der Welt in Verbündete und Feinde sei typisch für Diktaturen. Demokratien dagegen müssten die Mühsal des Diskurses und der Dialektik auf sich nehmen – nur dann seien sie Demokratien.

Papst Franziskus hat keinerlei Sympathien für Wladimir Putin, und er hat auch nichts übrig für dessen Propaganda: "Ströme von Blut und Tränen fließen in der Ukraine. Es handelt sich nicht um eine Militäroperation, sondern um einen Krieg, der Tod, Zerstörung und Elend mit sich bringt", betont das katholische Kirchenoberhaupt. In Übereinstimmung mit dem katholischen Katechismus spricht er der Ukraine auch nicht das Recht auf Selbstverteidigung ab.

Kein Frieden durch mehr Waffen

Aber gleichzeitig glaubt Franziskus nicht, dass der Kauf von immer mehr Waffen mehr Frieden und mehr Sicherheit garantieren könne. Vielmehr, sagt der Papst, "beschmutzt er die Seelen, die Herzen und die Menschheit". Aber das will im Moment offenbar niemand hören. (Dominik Straub aus Rom, 31.3.2022)