Bei einer Sieben-Tage-Inzidenz über 2.300 in Österreich ist es nicht verwunderlich, dass sich Menschen auch öfter mit dem Coronavirus anstecken.

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Mittlerweile gibt es immer mehr von ihnen – Menschen, die sich bereits öfter mit dem Coronavirus infiziert haben. Zu Anfang der Pandemie hatten Ärztinnen und Immunologen die Hoffnung, dass sich nach einiger Zeit der Pandemie eine Herdenimmunität einstellen könnte. Diese Annahme wurde jedoch mittlerweile widerlegt.

Mutationen sind schuld daran, dass wir uns immer wieder mit dem Coronavirus anstecken. Immunologe Hannes Stockinger von der Med-Uni Wien erklärt: "Es ist nichts Neues, dass man sich erneut mit Viren ansteckt, die eine hohe Mutationsrate haben. Das kennen wir bereits von den Grippeviren." Aufgrund der Fülle an Varianten kann das Immunsystem keinen dauerhaften Schutz aufbauen – und man kann sich theoretisch jeden Winter aufs Neue mit der Grippe anstecken. Ähnlich verhält es sich auch mit dem Coronavirus.

Antikörper reifen nach

Das Gute daran: Mit jedem immunologischen Ereignis, sei es Infektion oder Impfung, wird das Immunsystem stimuliert. "Wer sich erneut mit dem Coronavirus ansteckt, wird vermutlich immer mildere Verläufe bekommen. Denn bei jeder Infektion oder auch bei einer Immunisierung durch Impfung reifen die Antikörper, die der Körper bereits gebildet hat, nach – und es kommt zu einer sogenannten Bindungsreifung. Danach können sich die Antikörper stärker an das Virus binden", weiß Stockinger.

Das entkräftet eine Sorge so mancher Betroffener: ob sich mehrere Infektionen negativ auf den Gesamtgesundheitszustand auswirken. Solche negativen Folgen für das Immunsystem nach mehreren Infektionen seien bis jetzt nicht bekannt. Und auch die WHO geht in einem neuen Strategiepapier davon aus, dass Erkrankungen mit dem Coronavirus mit der Zeit zu deutlich milderen Verläufen führen werden, wie DER STANDARD berichtete.

Wer sich mehrfach mit dem Coronavirus infiziert und nur leichte Verläufe hat, wird auch eher keine dauerhaften Schäden an verschiedenen Organen zu befürchten haben. Vor kurzem wurde zwar im Fachblatt "Nature Metabolism" eine Studie veröffentlicht, die mögliche Hinweise auf Leberschäden an Patentinnen und Patienten feststellen konnte. Der Kardiologe und Sportmediziner Josef Niebauer vom Universitätsinstitut für Sportmedizin in Salzburg erklärt aber: "Die Studie hat Daten vorgestellt, die vermuten lassen, dass bei Patientinnen und Patienten mit schweren Verläufen Leberschäden als wahrscheinlich gelten – diese Erkenntnisse müssen nun in anderen Studien bestätigt werden. Im Allgemeinen kann man aber sagen, dass schwere Leberschäden und Leberfunktionsstörungen bei Personen mit Covid-19 ohne zugrundeliegende Lebererkrankung ungewöhnlich sind."

Long Covid bei jeder Infektion möglich

Mit jeder Infektion besteht allerdings die Gefahr, an Long Covid zu erkranken. Dabei muss zwischen geimpften und ungeimpften Personen unterschieden werden. Und auch "Frauen zwischen 20 und 40 Jahren haben ein etwas höheres Risiko, nach einer überstanden Corona-Infektion Symptome von Long Covid zu entwickeln", wie Immunologe Stockinger weiß.

Wie es nach mehrmaligen Infektionen aussieht, darüber kann im Moment nur spekuliert werden. Die Virologin Dorothee von Laer von der Med-Uni Innsbruck hofft: "Wer geimpft ist, hat eine geringere Wahrscheinlichkeit, an Long Covid zu erkranken, und so könnte man annehmen, dass die Wahrscheinlichkeit für Long Covid auch mit jeder neuen Infektion geringer wird." Für konkrete Aussagen sei die Datenlage aber noch zu dünn.

Kein Check-up für alle Genesenen nötig

Wer nach einer oder mehreren überstandenen Corona-Infektionen Symptome wie bleierne Müdigkeit, Herzrasen, Atemnot, Schwindel, kognitive Störungen oder auch Depressionen oder Schlafstörungen hat, sollte diese Symptome von einem Arzt abklären lassen. Das sind einige der Symptome, die auf mögliche Organschäden an Herz oder Lunge, aber auch auf Long Covid hindeuten können.

Allen anderen mit mildem Verlauf rät Sportmediziner Niebauer: "Nach der Quarantäne am besten langsam in den Alltag einsteigen. Wer bemerkt, dass ein schnellerer Spaziergang guttut und die Pulsfrequenz auch beim Stiegensteigen nicht höher steigt als vor der Erkrankung, kann davon ausgehen, dass die Infektion gut überstanden wurde." Für alle anderen gilt: Den Allgemeinzustand circa zwei Wochen beobachten und "falls keine Besserung auftritt, sollte eine Ärztin aufgesucht werden".

Und auch gegen Sport nach einer Corona-Infektion spricht grundsätzlich nichts. Hier gilt es aber ebenfalls, langsam zu starten. Niebauer rät: "Nach einem milden Verlauf kann und sollte auch wieder mit dem Sport begonnen werden. Dabei aber bitte gut auf den Körper hören." Wer mit Pulsuhr trainiert, sollte diese auch bei der ersten Sporteinheit wieder tragen, um die Herzfrequenz beobachten zu können. "Wer allerdings bei seiner gewohnten Laufrunde schneller außer Atem kommt oder andere Auffälligkeiten feststellt, sollte einen Gang zurückschalten. Und wenn die Symptome anhalten, dann bitte einen Arzt aufsuchen."

Einen allgemeinen Check-up für alle Genesenen hält der Experte nicht für nötig: "Wer asymptomatisch war oder einen milden Verlauf ohne Fieber hatte, seinen Körper gut beobachtet und nach der Infektion keine Auffälligkeiten beobachten kann, braucht in der Regel auch keine Extra-Untersuchung." Diejenigen können davon ausgehen, die Krankheit gut überstanden zu haben. (Jasmin Altrock, 4.4.2022)