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Drohnen und Satellitenbilder liefern Landwirten Daten, um auf die Bodenqualität präzise eingehen zu können.

Foto: Getty Images / Baranozdemir

Heu mähen, Kürbiskerne pressen, in der Kirche oder im Wirtshaus sitzen – ganz egal, was Peter Haring tut, der Landwirt weiß sofort, wenn sich eine seiner 80 Milchküche unwohl fühlt. Der Seppbauer, wie der Hof im steirischen Wettmannsstätten genannt wird, hat dafür keinen siebenten Sinn, sondern eine App am Smartphone.

Die wiederum ist verknüpft mit einem digitalen Halsband der Wiederkäuer, das jede Aktivität aufzeichnet. Schritte, Schmatzen und sogar den Eisprung vermeldet das Handy mit demselben Blinken wie eine SMS.

Haring arbeitet mit der deutschen Marke Allflex, aber auch ein oberösterreichisches Start-up beschäftigt sich mit der Idee. Smartbow hat eine intelligente Ohrmarke entwickelt, die sämtliche Gesundheitsdaten der Kühe misst.

Apps erleichtern Arbeit

"Früher war oft ein Opa am Hof, der viele Dinge gesehen hat. Den gibt es heutzutage oft nicht mehr", sagt Haring. Der Vollerwerbsbauer kümmert sich mit einem Teilzeitangestellten um 80 Milchkühe und 80 Kälber sowie Jungtiere. Möglich sei das nur durch technische und maschinelle Unterstützung.

Wie Haring orientieren sich immer mehr Landwirte am Precision-Farming und finden mehr und mehr Gefallen an digitalen Helferlein. Das Gros der Agrarbetriebe ist familiengeführt. Dementsprechend fällt die landwirtschaftliche Arbeit, aber auch der bürokratische Aufwand an.

"In der Hauptsaison verbringt kein Landwirt Zeit vor dem Computer, um Dinge zu dokumentieren, mit dem Smartphone lässt sich vieles vom Feld aus erledigen", sagt der Gründer des niederösterreichischen Start-ups Farmdok. Mithilfe von GPS-Datenanalyse ermöglicht Farmdok, die Arbeit auf dem Feld zu planen und zu dokumentieren.

Drohnen und Satelliten

Zudem bietet das Start-up Applikationskarten an. Für das Flächenmanagement werden Satellitendaten und Algorithmen eingesetzt. Das System prognostiziere aber auch ohne Satellitenbild, etwa mit Daten über das Wetter und die Bodenbeschaffung, wie sich die Pflanzen entwickeln werden.

Um innovative Lösungen stärker in Stall, Äcker und Zucht zu implementieren, hat die Raiffeisen Ware Austria (RWA) 2016 das Agro Innovation Lab gegründet. Aktuell läuft die Bio Innovation Challenge, bei der Start-ups Lösungen für die Biolandwirtschaft einreichen können.

Agrar-Start-ups haben andere Voraussetzungen, weiß CEO Reinhard Wolf. Das liege vor allem an den kleineren Märkten. Trotzdem tue sich in Österreich viel. Während die Robotik, die zukünftig Unkraut jäten und Äpfel pflücken soll, noch in Kinderschuhen stecke, können bereits 30 Prozent der jährlich von der RWA ausgelieferten Traktoren autonom fahren. Das spare Zeit, Ressourcen und schone die Umwelt.

Umweltschonend Arbeiten

Denn auch zunehmende Wetterextreme und der Klimawandel bringen Landwirte in eine verzwickte Situation. Einerseits leiden sie stark darunter, andererseits sind sie wesentliche Mitverursacher. Die Landwirtschaft emittiert viel Methan und CO2. Um mit weniger Ressourcen denselben Ertrag erzielen zu können, analysiert Agrar-Riese John Deere Felder mit Drohnen oder Satellitenbildern.

Früher hätten Landwirte oft das ganze Feld gleichwertig gedüngt. Sandboden gleich zu behandeln wie ertragreicheren Lehmboden sei sinnlos, sagt Sprecher Ralf Lenge. Applikationskarten "sagen" dem Traktor, wo was hinkommt.

Eine weitere Chance sieht Lenge auch in vermeidbaren Überlappungen. Händisch gesteuert, beackere ein Traktor ein Fünftel der Fläche doppelt. "Parallelfahrsystemen steuern den Traktor über GPS und vermeiden diese Überlappungen."

Damit ist das Potenzial von Datenanalyse noch lange nicht ausgeschöpft. In den USA etwa läuft bei John Deere ein Testbetrieb, um mithilfe von künstlicher Intelligenz Pflanzen einzeln zu behandeln. Das Konzept nenne sich See & Spray. Hochgeschwindigkeitskameras erkennen Pflanzen und spritzen Unkrautvernichter nur noch auf Unkraut. Das sei noch Zukunftsmusik, die entsprechenden Algorithmen müssten noch einiges "lernen".

Systeme nur teilweise kompatibel

In Sachen Klimaschutz sieht Agrar-Expertin Viktoria Motsch von der Boku Wien aber vor allem die Politik in der Pflicht. "Ökonomische Motivation hat oft einen nachhaltigen Nebeneffekt.

Precision-Farming etwa reduziert die notwendigen Betriebsmittel." Unterm Strich sei das ein gutes Ergebnis, aber zu wenig. "Der Klimawandel ist aktuell für die wenigsten ein Motiv, um in Nachhaltigkeit zu investieren."

Obgleich viel Geld in technische Erneuerungen für den landwirtschaftlichen Alltag fließt, ist das Feld zerspragelt. "Jeder große Hersteller hat ein eigenes System, eigene Daten, eigene Modelle.

Und die gibt keiner her." Da die Systeme zudem nur teilweise kompatibel sind, ergebe sich eine Abhängigkeit für Landwirte. "Landwirtschaft zählt zur kritischen Infrastruktur, überprüfbar ist aber kaum etwas." (Julia Beirer, Andreas Danzer, 1.4.2022)