Sebastian Koch will seinen Sohn beschützen und gerät darüber in ein moralisches Dilemma. "Euer Ehren", zu sehen ab 9. 4. im ORF.

Foto: ORF/ARD Degeto/Mona Film/SquareOne Production/Andreas H. Bitesnich

Richter Jacobi ist ein ehrenwerter Mann. Zumindest glauben das die meisten von ihm, und auch er selbst hält sich für einen, dem Gerechtigkeit das Allerwichtigste ist. Bis zu dem Tag, an dem sein Sohn einen Unfall verursacht und Fahrerflucht begeht. Mit einer Lüge schützt er nicht nur den Buben, sondern auch sich selbst. Das Unfallopfer ist nämlich der Sohn eines serbischen Clanchefs, den Jacobi einst verurteilt hat und der schon allein deshalb auf Rache sinnt.

In diesem giftigen Umfeld manövriert sich Sebastian Koch in der Hauptrolle von Euer Ehren am 9. und 10. April in ORF und ARD immer tiefer in den Sumpf des Schwerverbrechens. Ihm auf den Fersen sind Ursula Strauss als skeptische Kommissarin, Paula Beer als eisige Clan-Queen und Tobias Moretti als derber Fabrikant mit Tiroler Charme und hoher krimineller Energie. Schauplatz des Verbrechens ist der deutsch-österreichisch-italienische Transitraum.

Die Serie stammt ursprünglich aus Israel. In den USA spielte Breaking Bad-Darsteller Bryan Cranston das Szenario in Your Honor durch. Die deutsch-österreichische Fassung ist gemäß öffentlich-rechtlicher TV-Tradition unverkennbar dem Spannungsgenre verpflichtet und verzichtet weitgehend auf zeitgemäße horizontale Erzählstränge. Für Koch trifft Euer Ehren "einen Nerv".

STANDARD: Wenn Sie in fünf Jahren an den Dreh zurückdenken: Woran werden Sie sich als erstes erinnern?

Koch: An die Art, wie ich mit meinem jungen Kollegen Taddeo Kufus zusammengearbeitet habe, wie wir miteinander umgegangen sind. Es war ein Voneinanderlernen, das passiert nicht so oft, vor allem, weil er noch relativ neu in dem Geschäft ist.

STANDARD: Sie haben am Drehbuch mitgearbeitet. Worin bestand ihr Anteil?

Koch: Ich war relativ früh in das Projekt eingebunden. Der Produzent rief von einer Messe in Paris an und sagte, er habe einen spannenden Stoff für mich, ich müsste mich aber sofort entscheiden. Ich fand es dann tatsächlich so spannend, dass ich direkt zusagte. Die Geschichte trifft einen Nerv unserer Zeit! Dieses Atemlose, dieses Sichauflösen der Werte, die inneren Zwänge – ich war sofort angefixt. Zudem bestand zu diesem Zeitpunkt auch die Möglichkeit, an den Büchern mitzuarbeiten.

STANDARD: Was wurde anders?

Koch: Zusammen mit dem Regisseur David Nawrath und dem Autoren David Marian haben wir die Geschichte immer wieder auf Logik und Plausibilität geprüft. Zudem haben wir versucht, weniger über die Dialoge zu erklären, und mehr nonverbal zu zeigen. Es ist leider oft der Fall im deutschen Fernsehen, dass zu viel ausgesprochen und erklärt wird. Es fehlt das Vertrauen ins Publikum, und dann glaubt man, die Figuren müssten restlos alles sagen. Film bietet aber so viel mehr Möglichkeiten.

STANDARD: Das Mitreden aus den Redaktionen deutscher Fernsehanstalten wird von Filmleuten immer wieder kritisiert. Wie gehen Sie damit um?

Koch: Ich versuche das meist im Vorfeld abzuklären. Wir müssen bestimmte Freiheiten haben – die wir bei dieser Produktion übrigens auch so hatten. Mehr noch, unser Sender hat die Buchentwicklung von "Euer Ehren" maßgeblich positiv beeinflusst. Und – man darf nicht alle in einen Topf werfen. Es gibt viele großartige Redakteure, die sehr klug sind und eine Produktion wirklich vorantreiben. Es gibt aber auch andere. Man spürt ja meist im Vorfeld, wohin die Reise gehen könnte. Wenn man in einem gemeinsamen Gespräch die Vertrauensbasis schafft, ist das die halbe Miete. Und man darf auch nicht vergessen: Es handelt sich um die Auftraggeber.

STANDARD: Die Vorlage stammt ursprünglich aus Israel, in den USA spielte Bryan Cranston den Richter. Haben Sie beide Serien gesehen?

Koch: Ich habe von der israelischen Serie ein paar Folgen gesehen. Sie ist überraschend unaufwändig gedreht, und natürlich geht es um den Konflikt zwischen Israel und Palästina. Das zu übersetzen war spannend. Von "Your Honor" habe ich nichts gesehen, weil ich mich nicht beeinflussen lassen wollte.

STANDARD: Wir sehen Clans in Tirol: Das Image der Tiroler war auch schon einmal besser. Wissen Sie, wieso es ausgerechnet dort spielen musste?

Koch: Der Brenner ist ein Umschlagplatz, er verbindet Nordafrika mit Europa, da wollten wir hin. Außerdem fanden wir das Setting in den Bergen passend. Dieses Gefühl des Eingekesseltseins passt zu dieser Geschichte.

STANDARD: Was würden Sie tun in der Situation des Richters?

Koch: Das kann ich nicht beantworten, das ist sehr hypothetisch. Es handelt sich in der Serie um eine genial konstruierte Geschichte, in der es scheinbar kein Gut und Böse gibt. Man kann dem Richter noch nicht mal etwas raten, aber man geht den Weg mit ihm bis zum bitteren Ende mit. Die erste Lüge des Richters basiert auf einem intuitiven Moment, den ich nachvollziehen kann. Ich glaube aber nicht, dass man eine Reaktion auf so ein Ereignis planen kann.

STANDARD: Deutsche Serien erleben im Moment einen großen Hype. Es wird gedreht wie wild. Wie nehmen Sie das wahr?

Koch: Ja, das sehe ich auch. Es wird mehr und mehr zu Hause geschaut. Das Angebot steht dabei oft nicht im Verhältnis zur Qualität. Von zehn Produktionen sind vielleicht zwei gut. Aber für die Schauspieler ist das in der Pandemie natürlich ein Segen, weil es viel zu tun gibt.

STANDARD: Für sie doch auch, oder?

Koch: Ja, für mich auch. Ich bin aber in der glücklichen Lage, wirklich nur noch Drehbücher zu machen, die mir wichtig sind.

STANDARD: Wie verändert der Krieg die Serien und Filme? Kommt jetzt die große Spaß- und Eskapismus-Welle?

Koch: Das wäre eine Möglichkeit – oder die Menschen beschäftigen sich wieder mehr mit sich selbst und miteinander und nicht mit schlechten Serien. (Doris Priesching, 2.4.2022)