Klimts "Kuss" als NFT brachte dem Belvedere bislang 4,3 Millionen Euro. Behörden orten ein NFT-Geldwäsche-Risiko.

Foto: Ouriel Morgensztern, Belvedere

Die Causa prima beschäftigt den internationalen Kunstmarkt laufend, sowohl auf offener Bühne als auch hinter den Kulissen. Sieht man von den laufend erweiterten Sanktionen seitens der USA, des Vereinigten Königreichs und der EU gegen Russland und Putin-Kumpanen ab, reagieren immer mehr internationale Unternehmen aus dem Westen auch darüber hinaus auf die eskalierende Situation. Sei es mit einem operativen Rückzug aus dem russischen Markt oder auch mit einer drastischen Einschränkung von Transaktionen mit russischen Klienten.

"Money Laundering and Terror Finance", die im Februar 2022 veröffentlichte Studie der US-Finanzbehörde zum Download: https://home.treasury.gov/system/files/136/Treasury_Study_WoA.pdf

Wie diese Woche bekannt wurde, stellen erste Auktionshäuser den Geschäftsverkehr mit russischen Klienten überhaupt ein. Dazu gehört das deutsche Auktionshaus Ketterer Kunst (München) sowie, einem Bericht von The Art Newspaper zufolge, auch Sotheby’s. In letzterem Fall hätten zuverlässige Quellen aus dem Umfeld des Unternehmens bestätigt, dass Transaktionen von Käufern aus Russland oder von russischen Staatsbürgern, deren Haupteinkommen im Heimatland lukriert werden, nicht mehr akzeptiert werden. Ob und wie schnell andere relevante Akteure diesem Beispiel folgen, wird sich weisen.

Angst vor Beschlagnahmen

Laut New York Post hätten einige russische Oligarchen – aus Angst vor drohenden Beschlagnahmungen – bereits versucht, Teile ihrer Kunstsammlungen im europäischen Kunsthandel zu "versilbern". Dabei geht es um Werke von Jeff Koons und Damien Hirst oder auch solche von Picasso, Kandinsky und Modigliani.

Bislang hätten sich Galerien jedoch in Zurückhaltung geübt. Denn der Name eines Verkaufswilligen könnte ja schon nächste Woche auf einer neuen Sanktionsliste landen. Damit verbundene Scherereien will man offenbar tunlichst vermeiden. Wohl auch im Hinblick auf bereits verabschiedete oder noch zu verschärfende Geldwäscherichtlinien. Bereits seit einiger Zeit haben Finanzbehörden hierzu den Kunsthandel auf dem Radar. Dabei geht es um den Verdacht potenzieller Terrorismusfinanzierung, an die man nun nahtlos die Gefahr der Subvention der russischen Kriegsmaschinerie anknüpfen könnte.

Neuer Geldwäschebericht

Gegen derartig pauschale Mutmaßungen versucht sich die Cinoa als internationaler Verband der Kunst- und Antiquitätenhändler schon länger zu wehren. Denn nicht weniger als acht teils von Regierungen finanzierte Berichte und Studien hätten sich mit diesem Themenkomplex in den vergangenen Jahren befasst, ohne stichhaltige Beweise für die Annahme zu liefern.

In diese Kerbe schlägt auch der jüngst vom US-Finanzministerium veröffentlichte Bericht über Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, der den Großteil des Kunstmarktes als risikoarm einstuft. Anlass gaben Anfang vergangenen Jahres in den USA verabschiedete Richtlinien, die auch den Kunst- bzw. Antiquitätenhandel betrafen.

Das Financial Crimes Enforcement Network, eine Bundesbehörde im Geschäftsbereich des US-Finanzministeriums, die für die Bekämpfung der illegalen Nutzung des Finanzsystems zuständig ist, wurde deshalb mit einer Studie zum Thema Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung im Kunsthandel beauftragt.

Hohes Risiko bei NFTs

"The Art Market 2022": hier geht es zum Download des aktuellen "Art Basel & UBS Reports" https://d2u3kfwd92fzu7.cloudfront.net/The_Art_Market_2022.pdf

Das Fazit dieser Behörde: Theoretisch bestünde zwar ein Risiko der Geldwäsche, jedoch gibt es praktisch kaum Hinweise auf eine Finanzierung von Terrororganisationen. Dazu wären kleine und mittlere Galerien oder Unternehmen kein effektives Vehikel für Geldwäsche und sei eine stärkere Regulierung deshalb nicht notwendig.

Ein tatsächliches Problem ortete die Regulierungsbehörde jedoch bei NFTs. Denn Kriminelle könnten hier selbst Geld waschen: indem sie ein NFT kaufen, es dann an sich selbst mit verschiedenen digitalen Konten weitergeben, um eine Aufzeichnung der Verkäufe auf der Blockchain zu erstellen, bevor sie es an einen ahnungslosen Käufer verkaufen und am anderen Ende wieder sauber herauskommen.

Hinzu kämen regulatorische Schwierigkeiten, die auf die Art der NFT-Plattformen zurückzuführen sind, die sich in ihrer Struktur, ihren Eigentumsmodellen, ihrem Betrieb, ihren Standards und ihren Due-Diligence-Protokollen unterscheiden.

Rasant wachsender NFT-Markt

Die in der Studie für dieses Marktsegment identifizierte größte Schwachstelle: der Anreiz, eine Transaktion durchzuführen, kann potenziell höher sein als der Anreiz, die Identität des Käufers zu überprüfen. Werden die Transaktionen in schneller Abfolge durchgeführt, seien zeitnahe Due-Diligence-Prüfungen kaum oder gar nicht mehr möglich.

Statt den allgemeinen Kunstmarkt zu regulieren, könnten die US-Behörden demnächst wohl jene NFT-Schachereien ins Visier nehmen, bei denen die Identität der Käufer und Verkäufer im Dunkeln bleiben.

Wie sehr dieses Marktsegment wächst, zeigt auch der diese Woche veröffentlichte Art-Basel/UBS-Bericht über den globalen Kunstmarkt, in dem NFTs erstmals berücksichtigt wurden. Demnach beliefen sich die Verkäufe von NFT-Kunst und -Sammlerstücken auf beliebten Blockchains wie Ethereum 2019 auf insgesamt 4,6 Millionen US-Dollar. Ende 2021 lag diese Zahl bereits bei gigantischen 11,1 Milliarden Dollar. Der Anteil kunstbezogener NFT-Verkäufe war in diesem Zeitraum um mehr als das Hundertfache auf 2,6 Milliarden Dollar gestiegen.

"Wash-Trading"

Angetrieben wurde dieses außergewöhnliche Wachstum übrigens durch den kurzfristigen Handel: 2020 entfielen noch 75 Prozent des kunstbezogenen NFT-Marktes auf Primärverkäufe, 2021 jedoch 73 Prozent des Wertes dieses Marktes auf Wiederverkäufe. Laut der Autorin und Kunstmarktökonomin Clare McAndrew sei bemerkenswert, dass NFTs im Durchschnitt nur etwas mehr als einen Monat lang im Besitz bleiben, bevor sie weiterverkauft werden.

Nicht unerwähnt bleiben in dem Bericht auch einige rechtliche Probleme: Neben Geldwäsche und Diebstahl von geistigem Eigentum etwa das sogenannte "Wash-Trading", also eine künstliche Erhöhung des Wertes eines Objekts, indem man auf beiden Seiten der Transaktion steht. (Olga Kronsteiner, 3.4.2022)