Pluto auf einer Aufnahme der Nasa-Sonde New Horizons vom Juli 2015.
Foto: Nasa

Pluto ist ein eisiger Himmelskörper. Auf seiner von gefrorenem Methan, Stickstoffschnee und Wassereis bedeckten Oberfläche herrschen Temperaturen von minus 220 Grad Celsius. Doch der Zwergplanet ist nicht einfach nur eine kalte, glatte Kugel: Die ersten Nahaufnahmen der Nasa-Sonde New Horizons offenbarten 2015 erstaunlich vielfältige Landschaften voller Einschlagkrater, wolkenkratzerhoher Eisformationen und beeindruckender Berge.

Dazu zählen die kilometerhohen Erhebungen Wright Mons und Piccard Mons am Rande einer Tiefebene, die nach dem ersten künstlichen Satelliten Sputnik benannt ist. Schnell kam die Vermutung auf, dass es sich bei diesen imposanten Bergen um Vulkane handeln könnte. Eine neue Studie erhärtet diesen Verdacht – und kommt zu einem aufsehenerregenden Schluss: Es könnte sich um eine nie zuvor beobachtete Form von Eisvulkanismus handeln. Zudem dürften die Vulkane noch in jüngerer Vergangenheit aktiv gewesen sein.

Eisige Eruptionen

Bei Vulkanismus denkt man meist an schnelle, heiße und explosive Vorgänge – doch es muss nicht immer geschmolzenes Gestein sein, das aus Vulkanen ausgespien wird. Als Kryovulkanismus bezeichnen Forschende eine kalte Vulkanismusvariante, bei der nicht heißes Magma, sondern ein zähflüssiges Eisgemisch aus Wasser, Methan, Kohlenstoffdioxid oder Ammoniak ausgestoßen wird. Eisvulkane gibt es etwa auf dem Saturnmond Enceladus und auf dem Zwergplaneten Ceres.

Ein Team um Kelsi Singer vom Southwest Research Institute im US-Bundesstaat Colorado untersuchte nun Daten von New Horizons Pluto-Besuch erneut. Dabei entdeckten sie zahlreiche Hinweise darauf, dass die Region im Südwesten der Sputnik-Ebene tatsächlich von Kryovulkanismus geprägt ist: Sie identifizierten zahlreiche potenzielle Vulkankuppeln, die bis zu sieben Kilometer in die Höhe ragen und teilweise Durchmesser von bis zu 150 Kilometern aufweisen. Die Merkmale dieses riesigen Vulkanfelds unterscheiden sich offenbar deutlich von bisher bekannten Eisvulkanen.

Fehlende Krater

Plutos eisige Vulkanregion weist ungewöhnliche Merkmale auf.
Foto: NASA/Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/Southwest Research Institute/Isaac Herrera/Kelsi Singer

Demnach habe das vulkanische Terrain einen Durchmesser von fast 1.000 Kilometern, es gebe aber keine offensichtlichen Hinweise auf einen gerichteten Fluss oder die Lage von Austrittszentren, berichtet das Forschungsteam im Fachblatt "Nature Communications". Dafür sei die gesamte Region ungewöhnlich hügelig. Dass es sich bei den zahlreichen Erhebungen um eingestürzte Krater handeln könnte, sei unwahrscheinlich, sagte Singer: "Diese Vulkane unterscheiden sich von allen, die wir bisher gesehen haben."

Singer und ihr Team stellten zudem fest, dass die Region – im Gegensatz zu anderen Gebieten auf Plutos Oberfläche – frei von Einschlagskratern ist. Das deute darauf hin, dass es dort bis in jüngerer Vergangenheit aktiven Eisvulkanismus gegeben hat, der die Landschaft prägte. "Wir vermuten, dass die Vulkane einige hundert Millionen Jahre oder sogar jünger sein könnten", sagte Singer.

Ozean auf dem Ex-Planeten?

Das eröffnet wiederum eine andere faszinierende Möglichkeit. Auch Kryovulkane brauchen eine Wärmequelle, durch die Material geschmolzen und an die Oberfläche transportiert wird. Wenn die gewaltigen Vulkanformationen auf Pluto vergleichsweise jung sind, könnte das bedeuten, dass es im Inneren des Pluto bis heute warm genug für einen subglazialen Ozean ist. Schon länger spekulieren Forschende darüber, dass der Zwergplanet unter seiner eisigen Oberfläche über ein solches Reservoir verfügen könnte.

Eindeutig nachweisen lässt sich das bislang nicht. Sollte die Existenz eines Pluto-Ozeans aber eines Tages bestätigt werden, dürften auf der Erde wieder einmal hitzige Debatten um den Status des Himmelskörpers entflammen: Lange galt er ja als äußerster Planet des Sonnensystems – bis ihm die Internationale Astronomische Union (IAU) im Jahr 2006 den Planetenstatus entzog. Durch die Änderung der Planetenkriterien wurde aus der einstigen Nummer neun plötzlich ein Zwergplanet. Diese "Degradierung" haben bis heute längst nicht alle Pluto-Fans verwunden – den eisigen Pluto dürfte sie dagegen kalt lassen. (David Rennert, 1.4.2022)