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Ukrainische Soldaten inspizieren jene Gräben, die russische Truppen zur Belagerung der Vororte Kiews nutzten.

Foto: AP/Rodrigo Abd

Etwa fünf Wochen nach Beginn der russischen Invasion in die Ukraine laufen sowohl die militärischen als auch die diplomatischen Aktivitäten auf Hochtouren. Der ukrainische Generalstab meldete am Freitag Erfolge in der Stadt Cherson. Demnach sei es gelungen, elf Siedlungen zurückzuerobern.

Außerdem sollen die ukrainischen Streitkräfte mittels Hubschrauber erstmals einen Angriff auf russisches Gebiet gewagt haben. Das wirft zumindest Russland der Ukraine vor. Über einem Treibstofflager bei der grenznahen Stadt Belgorod stiegen Rauchschwaden auf, zwei Menschen wurden verletzt. Kreml-Sprecher Dmitry Peskow warnte, der Angriff werde die Gespräche über eine Waffenruhe erschweren. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba wollte den Angriff "weder bestätigen noch dementieren". Oleksij Danilow, der ukrainische Chef des Nationalen Sicherheitsrats, wies die Verantwortung für den Angriff auf das Treibstofflager dagegen klar zurück.

Im Süden des Landes ist am Freitag eine Evakuierungsmission für tausende Zivilisten in der belagerten Hafenstadt Mariupol gescheitert. Am Donnerstag hatte Kiew insgesamt 45 Busse in Richtung Mariupol entsandt, nachdem Moskau einer temporären Feuerpause zugestimmt hatte. Das Rote Kreuz, das für die Koordinierung verantwortlich ist, gab am Freitagabend allerdings bekannt, dass der Buskonvoi umkehren musste und der Hilfseinsatz damit abgebrochen wurde. Die Umstände hätten keine sicheren Evakuierungen ermöglicht. In Genf hatte Sprecher Ewan Watson zuvor erklärt, dass Kiew und Moskau einem Korridor zwar zugestimmt hätten. Unklar sei aber, ob die Soldaten in Mariupol rechtzeitig informiert werden; auch seien sich Russland und die Ukraine über den Zielort für die Evakuierten uneins.

Brüssel trifft Peking

Auf digitalem Weg fand am Freitag ein Gipfel zwischen EU und China auf höchster Ebene statt. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Ratspräsident Charles Michel und Außenbeauftragter Josep Borrell appellierten an Chinas Regierungschef Li Keqiang und anschließend an Staatschef Xi Jinping, Chinas Einfluss auf Russland geltend zu machen, um den Krieg zu stoppen.

Laut Michel waren sich Brüssel und Peking einig, dass der Konflikt die globale Sicherheitslage gefährde. Viel mehr Einigkeit dürfte aber nicht geherrscht haben: Die Führung in Peking hat den russischen Angriffskrieg bisher nicht verurteilt. Von der Leyen warnte davor, Russland politisch Rückendeckung zu geben. "Das würde China hier in Europa einen großen Reputationsschaden zufügen." Indirekt drohte von der Leyen China auch Konsequenzen für die engen Wirtschaftsbeziehungen an. Xi hob im Anschluss an das Treffen laut dem staatlichen TV-Sender CCTV seine Hoffnung hervor, dass sich die EU in der China-Politik dem Einfluss der USA entziehe. Zur Ukraine äußerte sich Xi Jinping zunächst nicht. Nach Darstellung von Premier Li wolle China "auf eigene Art" Friedensgespräche für die Ukraine erreichen.

Regierung auf Reisen

Abseits des Gipfels waren österreichische Regierungsmitglieder in Sachen Ukraine-Krieg in Europa unterwegs. Bereits seit Donnerstag weilte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) in Berlin. Nach einem Treffen mit Kanzler Olaf Scholz, traf er am Donnerstagabend Wladimir Klitschko, den Bruder des Kiewer Bürgermeisters Witali. Dieser dankte für die Unterstützung Österreichs, um gleichzeitig zu fordern: "Wir brauchen mehr." Nach einem Treffen mit dem deutschen Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) sagte Nehammer am Freitag: Russisches Gas sei derzeit alternativlos, auch um die Transformation hin zu erneuerbaren Energien zu schaffen.

Indes war Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) in der Republik Moldau zugegen, gemeinsam mit seinen tschechischen und slowakischen Amtskollegen Jan Lipavský und Ivan Korčok. Bereits im Februar, noch vor Kriegsausbruch, hatten die drei Minister zusammen die Ukraine besucht. Innerhalb weniger Wochen war es also bereits die zweite Reise im Rahmen des 2015 gegründeten trilateralen Austerlitz-Formats.

Nach Gesprächen in Chişinău mit dem moldauischen Außenminister Nicu Popescu sagte Schallenberg dem Land zusätzliche Unterstützung zu, in das besonders viele Geflüchtete aus der benachbarten Ukraine kommen. 370.000 sind es laut Popescu bereits, etwa 100.000 seien vorerst geblieben – bei einer Einwohnerzahl von nur knapp 2,6 Millionen. Österreich hat unter anderem angeboten, 2.000 ukrainische Vertriebene aus Moldau zu übernehmen.

Zudem werden von den privaten Spenden, die bis Ostermontag über Nachbar in Not eingehen und von der Bundesregierung verdoppelt werden, fünf Millionen Euro für Vertriebene in Moldau reserviert. Auch das diesjährige Budget der Austrian Development Agency (ADA) für Moldau wird von drei auf fünf Millionen Euro erhöht. Damit sollen Probleme auf dem Arbeitsmarkt und in der Landwirtschaft abgefedert werden, die der Krieg bereits verursacht hat – vor allem durch Lieferkettenausfälle und Preissteigerungen.

Die ehemalige Sowjetrepublik fährt aktuell einen prowestlichen Kurs und strebt einen EU-Beitritt an. Gleichzeitig herrscht in der international nicht anerkannten Republik Transnistrien, die völkerrechtlich zu Moldau gehört, seit 1990 ein prorussisches De-facto-Regime. Der russische Angriffskrieg hat nun auch in Moldau die Ängste vor weiteren Interventionen Moskaus verstärkt. "Ihr seid nicht allein und könnt euch auf unsere Solidarität verlassen", sagte Schallenberg.

Atomgefahr minimieren

Ebenfalls auf Reisen war Rafael Grossi, Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) mit Sitz in Wien. Am Mittwoch hatte er ein Atomkraftwerk (AKW) im Süden der Ukraine besucht, am Donnerstag traf er in der russischen Exklave Kaliningrad ein, wo er am Freitag Gespräche mit Vertretern der russischen Regierung führte. Im Anschluss verkündete Grossi, dass er sowohl mit der Ukraine als auch mit Russland zu einer Übereinkunft gekommen sei: Demnach soll die IAEA eigenes Personal auf das Gelände ukrainischer AKWs entsenden. Grossi kündigte an, dass er selbst eine Mission nach Tschernobyl anführen werde. Dort seien die Strahlungswerte "ziemlich normal", auch wenn Militärfahrzeuge bei ihrem Abzug die Werte durch das Aufwirbeln von Staub möglicherweise erhöht haben. Für die Entsendung bedürfe es aber konfliktfreier Routen, fügte Grossi hinzu. Koordiniert würde mit Kiew.

Die russischen Soldaten sollen das Gelände des ehemalige AKW Tschernobyl vollständig verlassen haben. Allerdings sind nach Angaben von Kiew im Umfeld noch einige zugegen. (Kim Son Hoang, Flora Mory, Gerald Schubert aus Chişinău, 1.4.2022)