Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) fordert im Gastkommentar einen sparsameren, effizienten Staat.

Ein altes chinesisches Sprichwort lautet: "Mögest du in interessanten Zeiten leben." Es sind jedenfalls herausfordernde Zeiten, sowohl für die Bürgerinnen und Bürger als auch für die Unternehmen und die Politik. Wir erleben aktuell in vielen Bereichen Teuerungen, die die Menschen in Österreich unmittelbar spüren. Das sind arbeitende Menschen, die auf das Auto angewiesen sind und die unter den hohen Benzin- und Dieselpreisen leiden. Das sind kleine und mittlere Unternehmen, die gerade eine Wirtschaftskrise hinter sich haben und jetzt vor den nächsten großen Herausforderungen stehen. Und das sind Industrieunternehmen, die für zigtausende Arbeitsplätze sorgen und hohe Energiekosten stemmen müssen.

Österreich kann sich nicht allein gegen die Inflation stellen. Was die Politik tun kann, ist, die Menschen zu entlasten, die Teuerungen auszugleichen, die höheren Preise abzufedern. Wir tun das mit der Steuerreform, die zunehmend ihre Wirkung entfaltet. Und wir haben bereits zwei Pakete gegen die Teuerung geschnürt, in einem Gesamtvolumen von fast vier Milliarden Euro. Das ist ein Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts, und vor allem ist es Steuergeld, das wir aufwenden.

Die Pandemie, jetzt der Ukraine-Krieg: Österreich kämpft mit der Teuerung.
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Individuelle Betroffenheit

Angesichts der aktuellen Situation verstehe ich die individuelle Betroffenheit, sei es bei Unternehmen oder Bürgerinnen und Bürgern. Trotzdem muss die Frage erlaubt sein, was der Staat leisten soll und wo die Grenze der staatlichen Intervention ist. Während der Pandemie, als es darum ging, Gesundheit und Arbeitsplätze zu retten, haben wir geholfen. Und wir helfen auch in der aktuellen Situation, in der es darum geht, Härtefälle abzufedern und großflächigen Schaden vom Wirtschaftsstandort abzuwenden. Der Staat kann aber nicht jede Entwicklung auf der Welt kompensieren, damit überhaupt niemand betroffen ist. Es kann auch nicht Aufgabe des Staates sein, dauerhaft Umsatzausfälle zu ersetzen.

Das heißt nicht, dass wir dort, wo es notwendig ist, nicht helfen. Es bedeutet auch nicht, dass es keine weiteren Maßnahmen mehr geben wird, um Menschen und Standort zu schützen. Es heißt aber, dass wir uns auch in volatilen Phasen mit der Zeit danach beschäftigen und jede Forderung nach "immer mehr" sorgsam abgewogen werden muss.

Irgendwann werden wir diese enormen Ausgaben der vergangenen zwei Jahre zurückzahlen müssen. Tun wir das nämlich nicht, verlieren wir Handlungsspielraum für künftige Krisen und rauben uns und nachfolgenden Generationen die Möglichkeit für zukunftsweisende Investitionen. Wir sprechen von der Energiewende, der Digitalisierung, Bildung, Gesundheit und Pflege und – als unmittelbare Folge des Krieges – Investitionen in die Sicherheit unseres Landes. All diese "Kernaufgaben" des Staates zusätzlich zu milliardenschweren Wirtschaftshilfen zu finanzieren wird kaum möglich sein – vor allem, wenn die Erwartungshaltung an den Staat ist, keine Abgaben zu erhöhen, keine Leistungen einzuschränken und keine sogenannten Sparpakete umzusetzen. Der Weg muss also über Effizienz und Schwerpunktsetzung führen.

Ich habe ab und zu Sorge, dass das Gefühl für finanzielle Dimensionen abhandengekommen ist. Wir müssen nach den Krisen wieder zu einer langfristigen Budgetstabilität, zu nachhaltigen Budgetpfaden und insgesamt zu einer budgetpolitischen Normalität zurückkehren.

Irgendwann werden auch die Rufe nach einem effizienten Staat, einem ausgeglichenen Haushalt und weniger staatlicher Intervention wieder lauter werden. Und diese Rufe werden auch von jenen kommen, die jetzt permanent mehr Geld und mehr Einfluss vom Staat fordern. Es sind wahrlich "interessante Zeiten", in denen wir leben. (Magnus Brunner, 4.4.2022)