Wolf Prix' Büro arbeitet aktuell an drei Projekten in Russland: einer Oper auf der Krim, einem Sport- und Eventzentrum in St. Petersburg sowie einer Oper in Sibirien.

Foto: Manfred Klimek

Aktuell realisiert das international tätige Architekturbüro Coop Himmelb(l)au drei von Russland beauftragte Bauprojekte: ein Sport- und Eventzentrum in St. Petersburg, eine Oper in Sibirien und ein Opernhaus auf der seit 2014 von Russland annektierten Halbinsel Krim – weswegen in den letzten Jahren bereits scharfe Kritik laut wurde. Ende Jänner 2022 verhängte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj schließlich Wirtschaftssanktionen gegen das Wiener Architekturbüro sowie sechs Vertreter des Unternehmens.

Als Russland die Ukraine Ende Februar angriff, kündigten viele internationale Architekturbüros an, ihre Projekte in Russland auszusetzen – Mitbegründer von Coop Himmelb(l)au Wolf Prix wollte auch auf mehrmalige Anfrage des STANDARD keine Stellung beziehen, wie es um eigene Projekte bestellt ist. In der "Süddeutschen Zeitung" ließ er wissen, der Bau der Oper in Sewastopol werde "mit und ohne Coop Himmelb(l)au" Wirklichkeit werden.

Nun gab der österreichische Architekt dem deutschen Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" ein ausführliches Interview, in dem er sich zwar von "militärischen Aktionen" per se distanzierte, jedoch die Ausführung von russischer Bauaufträgen rechtfertigte: "Ich baue nicht für Putin, sondern für die Menschen", erklärte er. Er kritisierte im Laufe des Gesprächs Politiker wie Gerhard Schröder und Alfred Gusenbauer, unterschiedliche moralische Maßstäbe sowie die deutsche Rüstungsindustrie: "Warum stopfen die Deutschen der Rüstungsindustrie 100 Milliarden Euro zusätzlich ins Maul?"

Kein Verbot, keine Distanzierung

Konfrontiert mit der Tatsache, dass Prix sein Opernhaus auf der Krim neben einem Kriegerdenkmal errichte, das auf einen Entwurf aus den Siebzigerjahren zurückgehe und den Sieg der sowjetischen Verteidiger über die Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg heroisiere, reagierte der 79-Jährige mit den Worten: "Ich verherrliche niemanden, der autoritär handelt, und ein für alle Mal: Architektur ist Kunst, und Kunst kennt weder Sanktionen noch Grenzen. Im Gegenteil, sie lässt sich nicht verbieten, sie öffnet vielmehr. Das mag schwer zu verstehen sein für jemanden, der mir aus dem Elfenbeinturm zuruft, was ich zu tun und zu lassen habe."

Dass Prix den Opernbau auf einem völkerrechtswidrig besetzten Gebiet errichte und damit im Geiste gegen die nach der Annexion der Krim von der EU verhängten Sanktionen verstoße, stört den Architekten nicht: "Rechtlich haben wir nicht dagegen verstoßen. Der Krieg jetzt war doch für mich nicht vorhersehbar. Und ich distanziere mich im Nachhinein weder von meinen Bauten noch von meinen russischen Freunden."

Dass der wegen seiner Nähe zu Putin boykottierte russische Dirigent Valery Gergiev als Chef der Münchner Philharmoniker entlassen wurde, hält Prix für "verrückt". Ob das von Coop Himmelb(l)au erbaute Opernhaus einmal zur "Arena für russischen Nationalismus" werden würde, lautete eine Frage. Prix' Antwort: "Also ich darf die Oper nicht bauen, weil der vielleicht darin dirigiert? Ein eigenartiges Argument. Und Sie werden lachen, ich würde mich sehr freuen, denn er ist ein fantastischer Musiker." (red, 4.4.2022)