Perfekt inszenierte Fotos, über die alle möglichen Filter gelegt wurden, ausführliche Video-Tutorials zur persönlichen Schönheitsroutine oder etwas plumpe Erwähnung von Werbepartnern und deren Produkten – so oder so ähnlich stellt man sich gemeinhin den Social-Media-Content von erfolgreichen Beauty-Influencerinnen vor.

Informativ und textlastig

Völlig abseits dieses Klischeebilds kommt hingegen das Instagram-Profil von Biologiestudent Leon daher. Schöne Bildchen sucht man auf seinem Handle @xskincare vergebens. Stattdessen gibt es zum Beispiel Dos and Don’ts zu Haarpflege und Kopfhaut mit allerlei Erklärungen und Tipps, Guides zu verschiedenen Wirkstoffen wie Retinol oder Informationen zu Sonnenschutzmitteln und Empfehlungen für alle Hauttypen und Budgets.

Beauty-Tipps zu Haupt- und Haarpflege holen sich viele Menschen heutzutage auf Instagram.
Foto: Instagram/Screenshot

Der informative, textlastige Content kommt gut an: Über 700.000 Menschen folgen dem Deutschen, der auf Instagram mit Beauty-Mythen aufräumt, leere Marketing-Versprechen der Kosmetikindustrie auseinandernimmt und seine Follower über hautphysiologische Grundlagen aufklärt. Mittlerweile wird er auch von vielen deutschsprachigen Medien gerne als Experte in Sachen Hautpflege zur Rate gezogen. "Ich liebe Wissenschaft und habe mich aufgrund meiner Hautprobleme mit dem Thema fachlich auseinandergesetzt", sagt Leon.

Auf Basis dessen begann er, seine Haut zu pflegen, bemerkte rasch Erfolge und legte 2015 schließlich einen Instagram-Account an, um seine Erfahrungen zu teilen. Großen Anklang fand der aber nicht sofort. Wirklich Fahrt nahm @xskincare erst auf, als die reichweitenstarke Youtuberin Hatice Schmidt auf Leon aufmerksam wurde und sich von ihm Fachtipps zu ihrer persönlichen Beauty-Routine holte. Das gemeinsame Video hat mittlerweile über eine Million Aufrufe, @xskincare wuchs quasi über Nacht auf mehrere Zehntausend Follower. Das war 2019. Im Jahr darauf folgte der nächste Quantensprung. Seine Reichweite überschritt die 250.000-Marke, nachdem der Komödiant Oliver Pocher und dessen Ehefrau Amira in einem Live-Video auf Instagram mit ihm über Beauty-Mythen sprachen. Seither wächst Leons Community stetig.

Traumjob oder Insta-Fame

Trotz der großen Folgschaft bezeichnet er sich ungern als "Influencer". Denn die müssten immer lieb und nett sein, um ihre Sponsorengelder nicht zu verlieren.

Ein Blick auf die Insta-Profile seiner Kolleginnen und Kollegen entlarvt deren Beiträge oft als bloße Produktplatzierungen von Kosmetikunternehmen. Beauty-Influencerin Farina, deren Account @novalanalove 1,7 Millionen Follower zählt, hält zum Beispiel in ihren Postings immer wieder Lippenstifte von Werbepartnern in die Kamera oder verlost auch schon mal einen Thermomix.

Leon sagt, er sei unabhängig von Werbepartnerschaften, da er sein Profil nicht hauptberuflich betreibe. Der 25-Jährige ist selbstständig in der Entwicklung und Beratung von Kosmetikprodukten tätig. "Ich kenne immer nur das Briefing, nie den konkreten Kunden. Gemeinsam mit anderen Entwicklern, setzen wir Aufträge um", erklärt er seinen Job. Diesen wolle er auch in der Zukunft machen, seinen Instagram-Account führe er nur fort, solange es ihm Spaß mache. Ironischerweise hat ihm aber erst der Erfolg auf Social Media die Tür zu seinem eigenen Job geöffnet: Im Jahr 2020 brachte er unter seinem Insta-Account-Namen xskincare gemeinsam mit der Kosmetikfirma Colibri Cosmetics eine Pflegelinie heraus. Dabei knüpfte er wertvolle Branchenkontakte und führt die Zusammenarbeit über das eigene Projekt hinaus nun als selbstständiger Entwickler fort.

Dem 25-jährigen Biologiestudenten folgen auf Instagram über 700.000 Menschen.
Foto: Instagram/Screenshot

Lukrative Angebote von Werbepartnern, die mit ihm als Influencer kooperieren wollen, lehne er in der Regel ab. Darum könne er auch kritische Töne anschlagen. "Ich kritisiere, was ich als kritikwürdig empfinde. So simpel ist das!", sagt Leon. Manche Unternehmen hätten schon versucht, gerichtlich gegen ihn vorzugehen – erfolglos. Der Großteil der Firmen gehe aber entspannt mit seinem kritischen Zugang um. Dieser sei allerdings wichtig, weil es viele Menschen gebe, die an Hautproblemen leiden. "Die Haut ist unser größtes Organ, sie bedeckt den ganzen Körper. Akne und andere Störungen kann man nicht übersehen." Dermatologinnen und Dermatologen würden zwar viel über Hautkrankheiten, aber wenig über Hautpflege wissen. Darüber informieren sich also viele Leute via @xskincare. Aber welche Art von Content kommt am besten an? "Am liebsten wollen meine Follower alles auf einmal" sagt Leon. So seien Beiträge, die Erklärungen zu Wirkstoffen, Produktempfehlungen und Anwendungstipps umfassen, besonders beliebt.

Zwischen Likes und Hass

Die einzelnen Insta-Posts auf @xskincare bekommen jeweils mehrere Zehntausend Likes beziehungsweise Herzen. Bei solchen Zahlen kann man schon einmal die Relation verlieren: "Selbst tausend Likes sind viel, wenn man überlegt, dass man nie im Leben so viele Leute persönlich kennt. Trotzdem war ich vor zwei Jahren noch besorgt, wenn meine Posts nicht sofort 30.000 Likes bekommen haben", erzählt Leon. Mittlerweile sei er da etwas entspannter. Auch einen fixen Posting-Plan oder ein fixes Intervall, in dem er Beiträge postet, hat Leon nicht: "Ich mache das je nach verfügbarer Zeit und Muße. Aber meine Follower sind da ganz toll. Die verstehen, dass ich ein Mensch bin und keine Maschine, die permanent abliefert."

Trotzdem macht auch der 25-Jährige immer wieder Erfahrungen mit Hass im Netz. Manche seiner Kolleginnen und Kollegen seien etwas zu sensibel und würden jedes negative Feedback als Hass ober Mobbing abtun. Aber man müsse sich auch nicht alles gefallen lassen. Er selbst versucht, mit dem Thema differenziert umzugehen: "Echte Kritik lasse ich immer stehen. Aber oft sind Kommentare einfach nur Beleidigungen. So was lösche ich und blockiere den User."

Gute Strategie

Wenngleich Leon eine große Community auf Social Media um sich schart und viele Inhalte mit ihr teilt, hält er sein Privatleben auch wirklich privat. Informationen über seinen genauen Wohnort in Deutschland und familiäre Details erzählt er zwar "off record" , möchte sie aber nicht öffentlich machen. Natürlich lassen Anfeindungen niemanden kalt, aber im Gespräch mit dem jungen Mann hat man den Eindruck, er hat eine gute Strategie gefunden, sich von all dem abzugrenzen.

Manche Empörung kann man auch nur mit Humor nehmen. So erzählt Leon, dass ihn manche User für seine Diätpläne kritisieren. "Ich bin übergewichtig und fühle mich nicht wohl. Ich will das ändern, und darum mache ich jetzt Sport." Nein, er tue das nicht aus freien Stücken, sondern nur, um dem gängigen Schlankheitsideal zu entsprechen, so die Kritik. Was soll man sagen: Haters gonna hate. (Michael Steingruber, RONDO, 7.4.2022)