Das Bundesheer hat im vergangenen Jahr rund 200 Lkws neu übernommen und dafür 52 Millionen Euro bezahlt – das Mobilitätsproblem ist damit allerdings erst teilweise gelöst, weitere Beschaffungen stehen an


Foto: Bundesheer

Wien – E-Scooter? Echt jetzt? Es ist wohl der ungewöhnlichste Beschaffungsvorschlag, den man von einem Panzeroffizier erwarten würde. Aber General iR Edmund Entacher, langjähriger Generalstabschef des Bundesheers, preist die leichten Zweiräder als durchaus interessant an. In den Weltkriegen wurden Soldaten auf Fahrrädern oft belächelt – tatsächlich erwiesen sich Räder aber als extrem effiziente, leise Transportmittel, auch der Vietcong hat seine Kämpfer damit rasch zum Einsatz und wieder aus der Kampfzone gebracht. Und mit E-Scootern könnte eine ganze Kompanie über Nacht lautlos 30 oder 40 Kilometer verlegt werden, ohne dass das vom Feind auch nur bemerkt werden könnte.

Entacher erinnert mit diesem Detailvorschlag an die Kreativität, mit der in den 1970er-Jahren die Raumverteidigung für das Bundesgebiet konzipiert worden ist. Mehr als damals müsse aber auf Mobilität geachtet werden – weshalb viele der Beschaffungsvorhaben des Bundesheers weniger auf die Bewaffnung als auf die Ausrüstung ausgerichtet sind. Von den 6184 Räderfahrzeugen des Heeres – vom VW Touareg bis zu Tank- und Feuerlöschfahrzeugen – steht ein erheblicher Teil zur Erneuerung an. Allein die 404 Lkws des Typs Steyr 12M-18 sollen bis 2025 ersetzt werden, was deutlich über 100 Millionen Euro kosten dürfte.

Ein Helm um 700 Euro

Zur Mobilität kommt die persönliche Ausrüstung der Soldaten. Hatte jahrzehntelang gegolten, dass der Infanterist der billigste Teil des gesamten militärischen Systems ist, so wird heutzutage eine komplette Ausrüstung inklusive Splitterschutzweste, Nachtsichtfähigkeit und Funk mit mehreren 1000 Euro veranschlagt. Allein der neue Kampfhelm, mit dem die aktiven Teile des Bundesheers ausgerüstet worden sind, kostet 700 Euro, heißt es im Verteidigungsministerium. Eine entsprechende Mannesausrüstung für sämtliche im Ernstfall einzuberufenden 55.000 Soldaten würde einen hohen dreistelligen Millionenbetrag erfordern.

Und mit alldem wäre noch keine einzige neue Waffe beschafft worden – dies wäre also der politisch wenig umstrittene Teil der Nachrüstung. Tatsächlich hat der Generalstab für jede Waffengattung eigene Pakete geschnürt, mit denen das Bundesheer "auf den Stand gebracht werden sollte, den wir auf dem Papier eigentlich haben sollten", wie es aus dem Ministerium heißt.

Welche davon politisch umsetzbar sind, ist dabei weitgehend offen.

Eurofighter zurück in den Originalzustand

Das sogenannte Luftpaket für eine umfassende Neuaufstellung der Luftstreitkräfte müsste eine Nachrüstung der Eurofighter-Flotte auf jenen Stand beinhalten, der ursprünglich bestellt worden war – inklusive Bedrohungsbibliotheken, die ein Erkennen fremder Flugzeuge auch bei Nacht ohne Sichtkontakt ermöglichen. Dazu kämen neue Jet-Trainingsflugzeuge mit Boden-Luft-Kampf-Fähigkeit und Nachrüstungen für die PC-7 Turbotrainer. Kostenschätzung von 2019: 1030 Millionen Euro. Zwei weitere zweisitzige Eurofighter zu Ausbildungszwecken stehen zusätzlich im "Luftpaket".

Für diese wie für viele andere Systeme gilt, dass man sie nicht kurzfristig von der Stange kaufen kann und die Kosten auf mehrere Jahre verteilen muss – wofür aber eine verbindliche budgetäre Vorsorge zu treffen wäre. Dabei dient die Schweiz als Vorbild; in Österreich spricht man von einem Fonds, aus dem die Mittel Zug um Zug abgerufen werden könnten.

Lücken der Luftabwehr

Was für das Schließen der Lücken in der aktiven Luftraumüberwachung gilt, gilt umso mehr für die noch größeren Lücken der bodengebundenen Luftabwehr, die sich derzeit auf die 3,5-cm-Fliegerabwehrkanone und die für kurze Reichweiten beschaffte Rakete Mistral beschränkt. An Raketen mittlerer Reichweite (15 bis 20 Kilometer) besteht dringender Bedarf. Der damalige Minister Thomas Starlinger veranschlagte dafür 2019 die Summe von 460 Millionen Euro. Und da ist die immer wichtiger werdende Drohnenabwehr noch nicht dabei.

Für die Panzertruppe – speziell für die Nachrüstung der Leopard-Kampfpanzer von der derzeitigen Version A4 auf den Stand A7 – hat Starlinger seinerzeit 940 Millionen Euro veranschlagt. Entacher meint, dass neben dem letzten verbliebenen Panzerbataillon 14 in Wels noch zwei weitere Verbände mit Milizsoldaten aufzustellen wären. Aber das ist allenfalls langfristig zu erreichen.

Kurzfristig drängt Entacher auf die Beschaffung von Drohnen und panzerbrechenden Raketen.

Letztere könnten Soldaten auch auf einem E-Scooter mitführen. (Conrad Seidl, 5.4.2022)