Nach seinem Wahltriumph am Sonntag kann Ungarns Premier Viktor Orbán in seine vierte Amtszeit in Folge starten – seine fünfte insgesamt.

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Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán hat bei der Parlamentswahl am Sonntag einen Rekordwahlsieg gefeiert. Mit 53 Prozent der Stimmen entfiel auf die rechtspopulistische Regierungspartei Fidesz ein so großer Anteil wie noch nie zuvor auf eine politische Formation seit der demokratischen Wende vor mehr als 30 Jahren. Der im Siegestaumel schwelgende Regierungschef berief am Montag umgehend eine Sitzung seines scheidenden – und neu aufzustellenden – Kabinetts ein. Details verlauteten zunächst keine. "Wir machen weiter. Die Arbeit darf nicht stehen bleiben!", postete er lediglich auf seiner Facebook-Seite.

Orbán wird damit zum vierten Mal in Folge mit einer verfassungsändernden Zweidrittelmehrheit regieren können. Nach Angaben des Wahlbüros vom Montag hat sich Fidesz 135 von 199 Parlamentssitzen gesichert. Niederschmetternd war die Niederlage für die Opposition, die erstmals mit einem bunten Bündnis linker, grüner, liberaler und rechter Parteien bei einer Wahl angetreten war. Mit ihrem Spitzenkandidaten, dem parteilosen Konservativen Péter Márki-Zay, konnte die Wahlallianz "Ungarn in Einheit" gerade einmal 35 Prozent der Stimmen auf sich vereinen und 56 Parlamentssitze ergattern.

Überraschung auch im Orbán-Lager

Nur noch eine dritte Kraft schaffte den Einzug ins Parlament: Die rechtsradikale Partei Unsere Heimat (Mi Hazánk) ist eine Abspaltung der heute rechtskonservativen Jobbik-Partei, die Teil der Oppositionsallianz wurde. Mi Hazánk kam auf sechs Prozent der Stimmen und sieben Mandate. Ein Mandat erlangte der Vertreter der deutschen Minderheit, der über eine Nationalitätenliste gewählt wurde. Er gilt als Fidesz-loyal.

Das Ergebnis kam selbst für Orbán überraschend. Weder die Meinungsumfragen seiner eigenen noch jene der unabhängigen Institute hatten einen derartigen Stimmenüberhang für Fidesz vorausgesagt. Die Prognosen schwankten zwischen Gleichstand mit der Opposition und einem Zehn-Prozentpunkte-Vorsprung für Fidesz.

Orbán sah sich jedenfalls in der Wahlnacht in seinem populistischen, antieuropäischen und prorussischen Kurs bestärkt. "Wir haben zu einem Zeitpunkt am meisten gewonnen, als sich jeder gegen uns stemmte", rief er triumphierend vor Anhängern in Budapest. Unter die zahlreichen Feinde seiner Politik zählte er "die internationale Linke, Brüssel, die internationalen Medien und den ukrainischen Präsidenten". Wolodymyr Selenskyj hatte Orbán zuletzt aufgefordert, von Kremlchef Wladimir Putin abzurücken und sich auf die Seite der von Russland angegriffenen Ukraine zu stellen. Umgekehrt war einer der ersten Gratulanten nach Orbáns Wahlsieg Putin.

Geballte Medienmacht

Der Wahlausgang lässt weitere Konfrontationen Orbáns mit der EU erwarten. Im eigenen Land befürchten viele, dass er die Daumenschrauben weiter anziehen wird. Seit seinem Regierungsantritt 2010 hat er den Staat umgebaut und seinen Bedürfnissen unterworfen. Unabhängige Zeitungen, Radiosender und Internetportale schaltete er aus, meist indem er sie von ihm nahestehenden Oligarchen aufkaufen ließ. Die Justiz schreitet gegen die Korruption in Orbáns Umfeld nicht ein.

Ungarns Politologen und Kommentatoren rangen am Montag um Erklärungen für dessen unerwartet hohen Wahlsieg. Viele wurden nicht müde, auf die Schwächen des Oppositionsbündnisses und seines Spitzenkandidaten Márki-Zay zu zeigen. Andere verwiesen darauf, dass es vielen Ungarn dank westlicher Wirtschaftskonjunktur und großzügiger EU-Förderungen zuletzt recht gut erging. Wieder andere vermuteten, dass hunderttausende Wähler der ehemals rechtsextremen Jobbik zum Fidesz oder zur faschistoiden Neugründung Unsere Heimat abwanderten und dass diese Stimmen infolgedessen der Oppositionsallianz fehlten. (Gregor Mayer aus Budapest, 4.4.2022)