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Volles langes Haar bei Frauen: Gibt es etwas Schöneres, "Weiblicheres"?

Foto: AP / Natacha Pisarenko

Über die Watsche, die Oscar-Moderator Chris Rock von Will Smith kassierte, wurde schon ausführlich geredet. Die Krankheit und der daraus resultierende Haarverlust der Schauspielerin und Frau von Will Smith, Jada Pinkett, musste für einen Low-Key-Gag von Rock herhalten. Der rechtfertigt natürlich keinen Schlag ins Gesicht, wirft aber die Frage auf, warum es überhaupt noch stumpfe Witze über Frauen mit raspelkurzem Haar geben muss. Man dachte ja, damit wären wir dank "G.I. Jane" (1997) langsam mal durch. Doch Rock konnte nicht auf diese Referenz verzichten.

Der Film und vor allem Demi Moores dafür kahlrasierter Kopf mussten seit dem Erscheinen im Jahr 1997 schon ungefähr 36.580-mal für Schmähs herhalten. Diese drehen sich bis heute durchgängig darum, zu wenig "Weiblichkeit" an einer Frau zu belachen, es sind Lesbenwitze oder Punchlines entlang des sexistischen Konzepts von "Mannsweibern". Raspelkurze Haare funktionieren also auch heute noch bestens als Synonym für fehlende "Weiblichkeit". Eine Frau ohne Mähne – haha, gibt's ja nicht. So lustig.

Eine Frau mit kahlem Kopf oder mit sehr kurzen Haaren: Das geht auch im Jahr 2022 nur dann, wenn ein Statement damit verbunden ist. Entweder dafür, völlig offen mit einer Krankheit umzugehen, oder aber, dass man sich nix pfeift. Wirklich gar nichts. Diese irre mutigen Frauen stehen vielleicht drüber, doch für den großen Rest gilt, was Phoebe Waller Bridge in ihrer Serie "Fleabag" endlich laut ausspricht: "Hair ist everything." Bei Frauen natürlich.

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Das Theater um die Watsche, ausgelöst durch einen kahlen Kopf einer Frau, ist also nur das jüngste Beispiel. Als sich die österreichische Schauspielerin Verena Altenberger für eine Rolle im Jahr 2021 ihre Haare abrasierte, war das in so gut wie jedem Interview mit ihr und in Berichten über sie ausführlich Thema. Es war auch das Jahr, in dem sie in Salzburg die Buhlschaft gab. Erinnern Sie sich noch an Veronica Ferres als Buhlschaft zwischen 2002 und 2004? Lange blonde Locken, die ins üppige Dekolletee fallen. Und jetzt: eine Buhlschaft mit raspelkurzen Haaren? Geht nicht, ließ ein scharfer Kritiker von kurzen Haaren an Frauen und insbesondere an Buhlschaften die Schauspielerin postalisch wissen.

Eine Einzelmeinung? In dieser sexistischen Radikalität ausgedrückt, vielleicht. Wenn wir uns allerdings umsehen, dann sehen wir, dass kurze Haare vor allem für Mädchen tatsächlich kaum mehr eine Option sind. Fast alle Mädchen in Kindergärten, Volksschulen und auch noch in den Jahren danach haben lange Haare. Die verstehen offenbar keinen Spaß mit ihren Haaren und halten es streng mit den Ikonen ihrer Generation, der Eiskönigin Elsa und ihrer Schwester Anna, beide freilich mit Wahnsinnsmähnen gesegnet.

Die Body-Positivity-Bewegung hat sich in den vergangen Jahren zu Recht auf das strenge Regime von maximal geringem Körperfett bei Frauen konzentriert. Künstlerinnen wie Lizzo schöpfen diese Erfolge nun aus und erweitern sie, während zahlreiche Frauen endlich die neuen Bilder von dicken Körpern genießen können. Doch die lange Mähne darf auch bei Lizzo nicht fehlen.

Aber natürlich ist es nicht die Aufgabe von Lizzo, gleich alles zu erledigen. Doch langsam wäre es an der Zeit, dem irren Trara um die Haare von Frauen etwa entgegenzusetzen. Und sei es in einem ersten Schritt vielleicht nur, bei Frisör:innen mal nachzufragen, warum ein "Frauenhaarschnitt" meisten deutlich mehr kostet als einer für Männer. Weil Haare für sie alles sind? (Beate Hausbichler, 6.4.2022)