Der Blutzuckercheck gehört für viele Diabetespatientinnen und -patienten zur täglichen Routine.

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Dass Menschen mit Diabetes, die an Corona erkranken, ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe haben, war schon ziemlich bald nach Beginn der Pandemie klar. Und das hat sich im Lauf der vergangenen zwei Jahre auch bestätigt. Im österreichischen Covid-19-Diabetesregister wurde bei 24,4 Prozent der an Corona verstorbenen Personen vermerkt, dass sie an Diabetes erkrankt waren. 75,6 Prozent davon hatten die Diagnose Diabetes Typ 2, diese Form macht in Österreich auch den Großteil aller Diabetesfälle aus – das ist der erworbene Diabetes, im Gegensatz zur Autoimmunerkrankung Diabetes Typ 1. Weitere 19,8 Prozent der mit der Stoffwechselstörung an Corona Verstorbenen hatten Prädiabetes, nur 4,6 Prozent litten an der Autoimmunerkrankung.

Aber nicht nur das Risiko für schwere Verläufe steigt mit einer Diabeteserkrankung – neuste Studien aus den USA und Deutschland zeigen jetzt, was ebenfalls schon lange vermutet wurde: Nach einer Infektion mit dem Coronavirus steigt auch die Gefahr, an Diabetes zu erkranken, deutlich.

Datenlage aus USA und Deutschland

Eine neu veröffentlichte Studie im Journal Lancet Diabetes & Endocrinology zeigt, dass das Risiko, in Zukunft an Diabetes zu erkranken, nach einer überstandenen Covid-19-Erkrankung um 40 Prozent höher liegen könnte als davor. Analysiert wurden die Daten von 181.280 Personen im Durchschnittsalter von 60 Jahren, wobei 88 Prozent davon männlich waren. Dabei hänge das Risiko für eine Diabeteserkrankung vom Schweregrad der überstandenen Corona-Infektion ab. Bei Patientinnen und Patienten, die auf der Intensivstation behandelt wurden, gab es 89,06 mehr Diabetes-Erkrankungen pro 1.000 Menschen. Bei nicht Hospitalisierten lag die Zahl pro 1.000 Personen bei 8,28 zusätzlichen Diabetesdiagnosen.

Susanne Kaser, stellvertretende Klinikdirektorin der Universitätsklinik für Innere Medizin in Innsbruck, sagt dazu: "Über die Mechanismen dahinter kann nur spekuliert werden. Einerseits ist bekannt, dass insulinproduzierende Betazellen Proteine hervorbringen, an die Sars-CoV-2 andocken kann, und somit die Insulinproduktion gehemmt wird. Andererseits könnte auch die ausgelöste Entzündungsreaktion zu einer Verschlechterung der Insulinsensitivität beitragen."

Eine Studie aus Deutschland liefert ähnliche Ergebnisse. Hier wurde vor allem das Risiko für Personen nach einer milden Covid-19-Erkrankung untersucht. Das Ergebnis: Die Wahrscheinlichkeit, eine neue Diabetes-Typ-2-Diagnose zu bekommen, lag bei 28 Prozent. Die untersuchten Personen waren im Schnitt 43 Jahre alt und 45 Prozent von ihnen weiblich. Yvonne Winhofer-Stöckl, Fachärztin für Stoffwechselerkrankungen an der Med-Uni Wien, erklärt: "Dass eine Corona-Infektion eher Diabetes Typ 2 auslösen kann, ist spannend. Wir wussten, dass Diabetes eine Rolle spielt, haben aber den Zusammenhang aufgrund der Daten, die wir bereits aus Studien mit Sars-CoV-1 sammeln konnten, eher mit Diabetes Typ 1 vermutet."

Auch für Long Covid relevant

Je schwerer der Verlauf einer Corona-Infektion ist, umso größer ist also auch das Risiko für eine anschließende Diabetes-Typ-2-Erkrankung. Aber wie sieht es mit den bekannten Diabetes-Risikofaktoren wie etwa Übergewicht oder Alter aus? Sind vor allem diese Risikogruppen gefährdet? Winhofer-Stöckl sagt: "Die Studie aus den USA zeigt deutlich, dass auch bei an Covid erkrankten Personen, die eigentlich kein erhöhtes Risiko für Diabetes hatten, die Gefahr für eine Zuckerstoffwechseldiagnose ansteigt. Das ist sehr überraschend." Und sie gibt zu bedenken: "Nach den Erkenntnissen, die wir jetzt durch diese zwei Studien gewonnen haben, müssen wir Diabetes Typ 2 zu den möglichen Long-Covid-Erkrankungen mit aufnehmen."

Ob sich für einen persönlich das Diabetesrisiko erhöht hat, darüber kann ein Bluttest beim Arzt Auskunft geben. Seit ein paar Monaten gibt es in Österreich die Möglichkeit, den HbA1c-Wert – das ist der Langzeitzuckerwert – beim Hausarzt checken zu lassen. Die Expertin für Stoffwechselerkrankungen weiß: "Bis vor kurzem konnte der Hausarzt nur den Nüchternglukosewert bestimmen lassen. Das ist aber kein aussagekräftiger Wert. Der HbA1c-Wert hingegen ist ein extrem stabiler Parameter und spiegelt die Zuckerwerte der letzten drei Monate wider." Mit diesem Wert kann sehr leicht herausgefunden werden, ob eine Diabeteserkrankung vorliegt oder nicht.

Dünne Datenlage

Was beide Studien nicht erklären können: "Wir wissen nicht was den Anstieg an Diabeteserkrankungen auslöst. Hat Covid-19 wirklich einen Einfluss auf die Insulinproduktion, oder ist der Grund dafür eine chronische Entzündung in unserem Körper? Möglich wären auch autoimmunologische Phänomene – dann müssten wir uns vielleicht noch auf andere Autoimmunerkrankungen vorbereiten, die häufiger werden", vermutet Winhofer-Stöckl.

Und auch bei Kindern und Jugendlichen gibt es noch keine aussagekräftigen Ergebnisse über den Zusammenhang von Diabetes und Corona. Ob es hier auch zu vermehrten Diabetesfällen kommen kann, wie schon öfter vermutet, muss in weiteren Studien geklärt werden. (Jasmin Altrock, 7.4.2022)