Österreich gilt gemeinhin als Land, in dem man sich gern beschwert. Angesichts der letzten Krisenjahre wäre das wohl niemandem abzusprechen. Doch wie es um die Stimmung im Land tatsächlich bestellt ist, darüber gibt die Studie "Sozialer Survey" Auskunft. Als eine der größten sozialwissenschaftlichen Befragungen Österreichs fand die Untersuchung erstmals im Jahr 1986 statt. Seit 2016 wird die österreichische Bevölkerung im Zwei-Jahres-Turnus – vertreten von 1200 bis 2000 Personen – befragt.

Nun liegen die Ergebnisse der Soziologinnen und Soziologen der Universität Graz, der Universität Linz, der Universität Salzburg und der Universität Wien für das Jahr 2021 vor. "Es geht uns darum, den sozialen Wandel in den politischen und sozialen Einstellungen der Österreicherinnen und der Österreicher nachzuzeichnen", sagt Wolfgang Aschauer, einer der beitragenden Sozialforschenden aus Salzburg.

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Die eigenen Kinder sollen es im Leben einmal besser haben. Wie realistisch dieser Wunsch ist, wird regelmäßig überprüft.
Foto: AP/ Jacob Ford

Pandemie und Pessimismus

Was diese Untersuchung gegenüber vielen anderen derartigen Umfragen auszeichne, sei vor allem die hohe Stichprobenqualität: "Die befragten Personen werden durch eine sehr strikte Zufallsauswahl nach eigentlich allen Regeln der Kunst der Stichprobenziehung ausgewählt", sagt Aschauer. Das soll ein möglichst differenziertes Bild der Haltung der österreichischen Gesellschaft zeichnen. Im Idealfall befragen die Forschenden die Teilnehmenden der Studie in direktem Kontakt. Eine Herausforderung in Covid-Zeiten.

Die Pandemie ist auch das bestimmende Thema, das sich durch die Untersuchungen zieht. Dimitri Prandner und Robert Moosbrugger vom Institut für Soziologie der Universität Linz haben etwa analysiert, wie es in Covid-Zeiten um die Zukunftserwartung der österreichischen Bevölkerung bestellt ist. Ein solches Stimmungsbarometer habe eine nicht zu unterschätzende soziale Relevanz, betont Prandner: "Zukunftspessimismus kann weitreichende Folgen haben und sich beispielsweise negativ in der individuellen Gesundheitsvorsorge, aber auch in der gesellschaftlichen Partizipation niederschlagen." Derzeit gebe die allgemeine Stimmung aber noch keinen Grund zur Sorge. Sie hat sich im Vergleich zum Beginn der Krise sogar wieder verbessert: "Zu Beginn der Corona-Krise 2020 ließ sich ein Anstieg an pessimistischen Erwartungen hinsichtlich der Entwicklung der Lebensumstände in den nächsten Jahren feststellen."

2021 sei der Anteil an Pessimisten im Blick auf die eigenen Lebensumstände aber wieder deutlich zurückgegangen – fast auf das Ausmaß von vor vier Jahren: "Nach mehreren Lockdowns, aber auch der Freigabe der Impfung sank der Anteil der Pessimist:innen um zehn Prozent im Vergleich zum Krisenjahr 2020. Das ist trotz der anhaltenden Krisensituation ein deutlicher Rückgang und zumindest teilweise eine Annäherung an das Niveau von 2018." Zumindest im Privaten könne davon ausgegangen werden, dass die Menschen mit dem Virus zu leben gelernt haben.

"Zukunftspessimismus kann weitreichende Folgen haben." Dimitri Prandner

Optimistisch gestimmte Jugend

Vor allem junge Menschen seien derzeit positiv gestimmt: Personen unter 25 sehen die Zukunft in einem deutlich besseren Licht als die Gesamtbevölkerung. "Jüngere blicken in einem signifikanten Ausmaß positiver in die Zukunft. Die disruptiven Ereignisse der Pandemie scheinen in dieser Gruppe keine allzu großen Spuren hinterlassen zu haben." Den größten Anteil von Pessimisten dagegen findet man unter den Personen, die selbst finanzielle oder gesundheitliche Probleme haben: "Allgemein lässt sich sagen, dass jene, die bereits in Gefahr sind, am Rande der Gesellschaft zu stehen, vermehrt negative Folgen für sich und für Österreich befürchten."

Das ist aus gesellschaftlicher Sicht durchaus ein Anlass zur Sorge. "Für gefährdete Personen aufgrund von gesundheitlichen oder finanziellen Schwierigkeiten scheint sich die Lage eher verschlechtert zu haben. Im Zuwachs an Zukunftspessimistinnen und Zukunftspessimisten bei diesen Personen dürfte sich auch die Befürchtung ausdrücken, zu jenen zu gehören, die in der Krisenbewältigung zurückgelassen werden."

Noch keine Abstiegsgesellschaft

Prandners Linzer Kollegen Martina Beham-Rabanser und Johann Bacher wiederum haben in die Vergangenheit geschaut und untersucht, ob und wie Österreicherinnen und Österreicher im Alter von 28 bis 48 Jahren sich beruflich verbessert haben im Vergleich zu ihrer Elterngeneration. Dazu haben sie ihre Daten mit denen des allerersten sozialen Surveys von 1986 verglichen. Lässt sich der Befund diverser Soziologen von der "Abstiegsgesellschaft" hierzulande belegen? Ihr Ergebnis: Aktuell könne noch nicht von einer Abstiegsgesellschaft gesprochen werden. Insgesamt haben die Studienteilnehmer sowohl 2021 als auch 1986 ihren beruflichen Status gegenüber ihren Eltern verbessert.

Jedoch nehme die berufliche Immobilität sichtbar zu: Berufliche Aufstiege gehören – zumindest für Männer – nicht mehr automatisch zur Tagesordnung. Bei Frauen dagegen ist es zumindest zu einer Abnahme der Abstiege gekommen. Die Ursachen seien hierfür unter anderem die höhere Bildung der Frauen und eine höhere Erwerbsquote von höher gebildeten Frauen. Bislang dominieren berufliche Abstiege noch nicht gegenüber den Aufstiegen. Die Karriereleiter hochzuklettern sei aber nicht mehr die typische Zeiterscheinung wie zum Beispiel noch zu Zeiten des Wirtschaftswunders: Beham-Rabanser illustriert das wie folgt: "Wir befinden uns nicht mehr im Fahrstuhl, sondern eher auf einer Rolltreppe. Die fährt aber noch mit langsamer Geschwindigkeit und nicht ganz steil nach unten. Somit haben wir immer noch auch die Chance, nach oben zu kommen." Aber es wird eben schwieriger. (Johannes Lau, 11.4.2022)