Der Druck, angesichts des Ukraine-Krieges auf Gas aus Russland zu verzichten, birgt die Chance, den Umstieg auf erneuerbare Energie zu forcieren. Gleichzeitig ist klar, dass es auch Rückschritte zu Kohle und Öl geben wird, sollte es zu Embargos oder Lieferstopps kommen. Spätestens bei einer erneuten Zunahme bei diesen CO2-intensiven Energieträgern stellt sich die Frage, warum hier noch keine CO2-Abscheidetechniken üblich sind. Immerhin liegt es nahe, das Treibhausgas dort abzufangen, wo es hoch konzentriert vorhanden ist – in den Abgasströmen der Kraftwerke und Industrieanlagen.

An der Verfügbarkeit der Technologie liegt es nicht. "Verfahren zur CO2-Abscheidung sind auch im großtechnischen Maßstab durchaus vorhanden", erklärt Irmela Kofler, die sich im Forschungsinstitut K1-MET mit der Emissionsreduzierung in Energiesystemen beschäftigt. "Federführend ist hier allerdings der nordamerikanische Raum." In Kanada wird etwa mit dem Boundary Dam Carbon Capture Project eine der weltweit größten Abscheideanlagen betrieben. Sie ist Teil eines Kohlekraftwerksblocks, der Energie für 100.000 Haushalte liefert.

Die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern soll drastisch reduziert werden. Auf dem Weg dorthin braucht es Methoden, um unvermeidlichen Emissionen Treibhausgase zu entziehen.
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Die Abscheideanlagen in Nordamerika sind meist Teil von Ansätzen zu Carbon Capture and Storage (CCS). Das CO2 in die Erde zu pressen, um es dort dauerhaft zu lagern, ist – nicht nur in den USA und in Kanada – eine wesentliche Strategie im Kampf gegen den Klimawandel. Sie ist aber durchaus umstritten. Gewarnt wird vor der Schwierigkeit, Lecks auszuschließen, und vor Verunreinigungen des Grundwassers.

Verbotene CO2-Speicherung

In Österreich ist die permanente unterirdische Speicherung von CO2 allerdings verboten. Zumindest langfristig betrachtet wäre damit hier auch wenig gewonnen, betont Kofler. "Die vorhandenen Speichermöglichkeiten in aufgelassenen Gaslagerstätten oder in speziellen geologischen Formationen würden erlauben, Österreichs Emissionen bis etwa 2050 zu speichern. Dann hätten wir das Problem erneut."

Kofler und Kollegen konzentrieren sich – auch wegen der Rechtslage – auf die Weiternutzung des abgeschiedenen CO2. Das Schlagwort dazu lautet Carbon Capture and Utilization (CCU). Im Projekt Hydrogen Carbon Management Austria (HCMA), das K1-MET mit Wirtschaftspartnern umsetzt, setzt man auf die Produktion eines neuen Energieträgers: Das abgeschiedene CO2 wird gemeinsam mit Wasserstoff zu Methan, das in der Industrie genutzt oder ins Erdgasnetz eingespeist werden kann. Der Kohlenstoff kann theoretisch im Kreislauf geführt werden, bestehende Infrastruktur weiter genutzt werden.

Im Projekt sollen die Abscheidung und verschiedene Arten der Methanisierung in einem Gesamtprozess betrachtet und zu einer industriellen Reife gebracht werden. Zum einen erproben die Forschenden ein Katalysatorsystem, das eine schnelle Reaktion von Wasserstoff und CO2 zu Methan ermöglicht. Zum anderen werden die Ausgangsstoffe in ehemalige Gaslagerstätten unter der Erde gepumpt, wo Archaebakterien für die Umwandlung in Methan sorgen – ein Prozess, der der Erdgasentstehung ähnlich ist.

Im Moment steht noch die CO2-Abtrennung im Vordergrund. "Wir installieren gerade eine State-of-the-Art-Abscheideanlage bei einem Industriepartner", berichtet Kofler. Typischerweise nutzen die Verfahren den Säurecharakter der CO2-Moleküle, um sie mittels basischer Amine zu binden. "Wir werden verschiedene Varianten prüfen. Eine wichtige Forschungsfrage ist etwa, wie hoch konzentriert und rein das abgeschiedene CO2 sein muss, damit man es zur Methanherstellung nutzen kann", erklärt die Forscherin. Geplant ist etwa, dass künftig auch mit der Düngemittel- oder der Zementindustrie gearbeitet wird.

Methan ist mit der Summenformel CH4 eine der einfachsten chemischen Verbindungen aus Kohlenstoff und Wasserstoff. Der Wasserstoff darf bei der Methanisierung natürlich nicht – wie sonst üblich – selbst aus Erdgas stammen. Hier kommt die Elektrolyse mittels elektrischen Stroms zum Einsatz. "Bis 2030 ist ein massiver Ausbau erneuerbarer Energieformen in Österreich geplant. Vor allem in den Sommermonaten ist dann eine hohe Überschussproduktion zu erwarten – viel mehr, als in Batterien speicherbar ist. Dieser Überschuss wird auch zur Methanherstellung genutzt", erklärt Kofler. Im Projekt kommt der Wasserstoff aus einer bestehenden, großen Elektrolyse-Pilotanlage in Linz mit einem Output von 1200 Kubikmetern pro Stunde.

"An erster Stelle muss die Vermeidung von CO2-intensiven Prozessen stehen." Irmela Kofler

Die Abhängigkeit von Sonne und Wind lässt die Wasserstoffproduktion fluktuieren. Eine stetig vorhandene Grundproduktion soll einen kontinuierlichen Methanisierungsprozess antreiben. Im Projekt erprobt man dafür eine Technologie, die an der Montanuniversität Leoben entwickelt wurde – ein modulares Wabenkatalysatorsystem, das eine Reaktion von CO2 und Wasserstoff zu Methan mit hohem Durchsatz erlaubt. "Das abgeschiedene CO2 muss hier eine hohe Reinheit aufweisen, um die Katalysatormaterialien nicht zu schädigen", räumt Kofler ein. Abscheidung und Aufbereitung des Gases sind hier also aufwendiger und energieintensiver.

Überschüsse in der Wasserstoffproduktion, die vor allem im Sommer entstehen, werden dagegen mit dem CO2 im Untergrund methanisiert. Das umgewandelte Gas kann im Winter wieder entnommen werden – die Energie wird also saisonal gespeichert. Wird das entstandene Gasgemisch als Energieträger für Industrieprozesse – vor allem in der Stahlproduktion – genutzt, kann auch eine aufwendige Aufreinigung entfallen. Ab 2023 wird im Rahmen des Projekts abgeschiedenes CO2 in den oberösterreichischen Untergrund geschickt. 2024 soll auch die katalytische Methanisierung in einer industrienahen Variante vorliegen.

Vermeidung hat Vorrang

"Die Technologien werden bis 2025 so weit ausgereift sein, dass sie industriell einsetzbar sind", ist Kofler sicher. Gleichzeitig betont sie aber, dass die Methoden eine Reduzierung der Nutzung fossiler Rohstoffe nicht ersetzen können: "An erster Stelle muss die Vermeidung von CO2-intensiven Prozessen stehen, wie sie in der Stahlherstellung durch Elektrifizierung und Wasserstoffeinsatz durchaus möglich sind. Die energieintensive Methanisierung ist jenen Bereichen vorbehalten, in denen CO2-Abgasströme unvermeidbar sind. Das betrifft die Stahlindustrie zwar teilweise, mehr aber noch die Zementfertigung." (Alois Pumhösel, 6.4.2022)