Im Gastblog geht der Physiker Manuel Scherf einer der größten Fragen der Menschheit nach.

Wer kennt sie nicht, die berühmten „canali“ des italienischen Astronomen Giovanni Schiaparelli. Seine Zeichnungen möglicher Mars-Kanäle inspirierten Percival Lovell, ebenfalls Astronom und Gründervater des nach ihm benannten Observatoriums. An der Wende zum 20. Jahrhundert popularisierte Lovell die These, es könne sich bei den vermeintlichen Kanälen um ein Bewässerungssystem handeln; ein verzweifelter Versuch etwa, einen trocknenden und sterbenden Planeten am Leben zu erhalten. Der Autor H.G. Wells nahm daran Anleihen und schuf 1898 mit „Krieg der Welten“ einen der größten Klassiker der Science-Fiction-Literatur. Nur drei Jahre später verlautbarte Nikola Tesla in einem Interview, er hätte Radiosignale empfangen, womöglich ein Kommunikationsversuch vom Mars. 

Bei den „canali“ handelte es sich schließlich um optische Illusionen und die Signale Teslas waren wohl ebenso keiner Kommunikation geschuldet. Doch Leben auf dem Mars wurde dadurch vorerst nicht zu Grabe getragen. Aufgrund der Evidenz sei es sogar vernünftig, lebende Organismen anzunehmen, schlussfolgerte die amerikanische National Academy of Sciences noch 1965 in einem Report, nur drei Monate bevor Mariner 4 als erste Raumsonde am roten Planeten vorbeifliegen sollte. Die Enttäuschung war schließlich groß, als man auf den Nahaufnahmen eine von Kratern übersäte Landschaft erkennen musste, die frappant an die Oberfläche des Mondes erinnerte. Auch fand man weder ein globales Magnetfeld vor, noch eine dichte Atmosphäre. Es schien naheliegend, dass Mars weder geologisch aktiv sein, noch eine nennenswerte Biosphäre besitzen konnte. Und so brachte die "New York Times" das neue Paradigma wenig später unter der Headline „The Dead Planet“ auf den Punkt: „Mars, it now appears, is a desolate world.“

Doch ist und war unser Nachbar tatsächlich solch eine „trostlose“ Welt? Kalt, trocken und ohne jegliche Spur von Leben? Oder war das Résumé der "New York Times" vor beinah 50 Jahren dann doch zu voreilig? Seit dem Erhalt jener ersten verschwommenen Bilder hat sich unser Wissen um ein Vielfaches vergrößert. Ein einfaches "Ja" oder "Nein" wird diesen Fragen aber nicht gerecht. Es lohnt sich also, wenn wir uns damit etwas genauer beschäftigen. Beginnen wir mit der Gegenwart.

Mars gezeichnet von Schiaparelli (links) und fotografiert durch Mariner 4 (rechts).
Foto: NASA/JPL

Extreme Bedingungen in der Gegenwart

Der Mars besitzt heute weder ein globales Magnetfeld noch flüssiges Wasser an seiner Oberfläche. Dort ist es aufgrund der größeren Entfernung zur Sonne nämlich nicht nur wesentlich kälter als hier im warmen Österreich, der Luftdruck ist zusätzlich mit rund fünf bis sechs Millibar auch so gering, dass wir uns nahe am Tripelpunkt des Wassers befinden – jener Temperatur und Druckbereich, bei dem alle drei Phasen des Wassers im Gleichgewicht stehen. Im flüssigen Zustand kann es an der Oberfläche also zumeist nicht existieren, es sublimiert stattdessen direkt von den gefrorenen in den gasförmigen Aggregatzustand. Leben hätte es also aus unterschiedlichen Gründen schwierig: Aufgrund der Trockenheit und Kälte fehlt es an einem Lösungsmittel, aufgrund des fehlenden Magnetfeldes und des geringen Drucks können hochenergetische Teilchen beinah ohne Hindernis den Boden bombardieren.

Kann man Leben also ausschließen? Nicht wirklich. Beobachtungen und Experimente auf und über der Erde haben nämlich gezeigt, dass Extremophile – Lebewesen, die per Wortlaut das Extreme lieben – unter ähnlichen oder gar schwierigeren Bedingungen überdauern können. Bärtierchen zum Beispiel überleben ohne Wasser, bei hoher Strahlung, im Vakuum und überstanden 2007 sogar zwölf Tage im Weltraum auf der Außenhaut einer Rakete. In einer Studie aus dem Jahr 2011 konnten auch marsähnliche Bedingungen den kleinen Tierchen über einen Zeitraum von 40 Tagen erstaunlich wenig anhaben. Sie könnten auf der Oberfläche des Mars also zumindest kurzfristig überleben, bräuchten aber Wasser, um sich fortpflanzen zu können. Es handelt sich dabei also tatsächlich eher um „Überleben“ als um „Leben“.

Wasser und Leben auf dem Mars heute

Damit Leben auf dem Mars gedeihen kann, benötigen wir also flüssiges Wasser. Und tatsächlich berichteten Studien aus den Jahren 2018 und 2020 von der Entdeckung unterirdischer Seen am Südpol. Sollten diese existieren – und daran gibt es Zweifel, wie ein aktueller Forschungsbericht ausführlich belegen kann – dürften sie jedoch sehr hohe Salzkonzentrationen aufweisen. Somit wäre extremophiles Leben dort zwar nicht gänzlich unmöglich. Dass sich in solchen Seen ein belebtes Habitat über einen längeren Zeitraum ausbreiten und halten könnte, scheint aber unwahrscheinlich. Gefunden hat man derweilen jedenfalls weder Hinweise auf vergangenes noch auf gegenwärtiges Leben.

Doch dazu ein interessantes Detail am Rande: Seit den Viking-Missionen 1976 suchte keine einzige Mission dort explizit nach Leben. Beide Lander hatten jeweils vier Experimente an Board, um mikrobielle Spuren zu entdecken und eines davon testete sogar positiv auf mögliche Stoffwechselreaktionen. Da jedoch keiner der anderen Tests organisches Material nachweisen konnte, galten die Viking-Ergebnisse bestenfalls als nicht schlüssig. Jedoch kamen seit damals Erklärungen auf, um diesen scheinbaren Widerspruch aufzulösen. Das von der Phoenix-Mission im Boden entdeckte Perchlorat zum Beispiel könnte beim Erhitzen organisches Material zerstören und somit zu einem falsch-negativen Resultat führen.

Besagte Experimente bleiben also weiterhin spannend und die Frage nach Leben auf unserem Nachbarplaneten bleibt vorerst offen.

Das überhaupt erste Foto von der Oberfläche des Mars – geknipst von Viking 1.
Foto: Nasa

Vergangene Spuren von Wasser?

Doch widmen wir uns nun der Vergangenheit. Denn es gibt verschiedenste Hinweise, dass es am Mars tatsächlich Wasser auf der Oberfläche gegeben haben könnte. So fanden Forscher Ablagerungen in verschiedenen Kratern, die auf einstiges Oberflächen- und planetenweites Grundwasservorkommen hindeuten. Einige Rover entdeckten mögliche Spuren von Sedimentierung und Aufnahmen unterschiedlicher Orbiter erbrachten Zeugnisse längst ausgetrockneter Flussläufe. Schließlich deuten Strukturen im Jezero-Krater auf eine einstige Küstenlinie hin, ein Grund warum Nasas Perseverence-Rover gerade dort zur erfolgreichen Landung ansetzte - und das wohl nicht zu Unrecht. So fand man dort tatsächlich Hinweise einer früheren Seenlandschaft.

Viele dieser Anzeichen eines vormals wasserreichen und habitablen Mars werden jedoch heftig diskutiert und stammen aus einer fernen Vergangenheit. Sie reichen rund 3,5 bis 4 Milliarden Jahre zurück in die Zeitperiode des sogenannten Noachian. Das darauffolgende Hesperian zeugt von einer Übergangsphase, in der Spuren von Wasser und Vulkanismus seltener werden. Schließlich weist das bis heute andauernde Amazonian kaum noch Spuren fluvialer oder geologischer Aktivität mehr auf. Was sich vor dem Noachian so alles abspielte, bleibt wiederum fast zur Gänze im Verborgenen. So sind aus den ersten 500 Millionen Jahren praktisch keinerlei Oberflächenstrukturen vorhanden. Man ist hier zumeist auf theoretische Überlegungen angewiesen.

Die Zeitalter des Mars im Vergleich zur Erde.
Grafik: Manuel Scherf

Kraterzählen und Atmosphärendruck

Um nun aber tatsächlich Wasser an der Oberfläche des Mars zu erlauben, müssen drei Punkte gegeben sein: Es benötigt einen höheren Atmosphärendruck, Temperaturen über dem Gefrierpunkt und natürlich das Wasser selbst. Widmen wir uns zuerst der Atmosphäre.

Zwei verschiedene wissenschaftliche Ansätze kamen bei der Erhebung des Luftdrucks im Noachian zu vergleichbaren Ergebnissen. Eine Forschungsgruppe zählte und vermaß die Verteilung der Einschlagskrater an der Oberfläche des Mars. Denn die Distribution der Kratergrößen wird auch durch den Luftdruck bestimmt. Je höher dieser ist, desto größer muss ein Meteorit sein, um nicht in der Atmosphäre zu verglühen und so ergeben sich unterschiedliche Verteilungen für unterschiedliche Drücke. Damit errechneten sie eine obere Grenze von 1,1 Bar für den Zeitpunkt vor 3,9 Milliarden Jahren. Ein Ergebnis, das recht gut mit anderen Studien übereinstimmt, die allesamt mit der zweiten Methodik durchgeführt wurden: durch die Rekonstruktion verschiedener Isotopenverhältnisse in der Atmosphäre des Mars.

Krater geben Hinweise auf den einstigen Luftdruck.
NASA/JPL-Caltech/Univ. of Arizona

Isotopenverhältnisse als weiterer Hinweis

Nehmen wir zur Veranschaulichung das Edelgas Neon. Jedes Neon-Atom besitzt zehn Protonen in seinem Kern. Außerdem unterscheiden wir bei diesem Element zwei für unsere Studien relevante Isotope, die sich durch die Anzahl der Neutronen im Atomkern unterscheiden: 20Ne und 22Ne mit je zehn und zwölf Neutronen im Kern. Je leichter ein Isotop nun aber ist, desto eher kann es in den Weltraum entfliehen. Denn die Energie, die benötigt wird, um es aus dem Gravitationspotential des Planeten zu befreien, ist geringer als beim schwereren Verwandten. Im Laufe der Zeit sollte sich nun immer mehr 22Ne im Vergleich zu 20Ne in der Atmosphäre anreichern. Da wir das heutige Isotopenverhältnis kennen und meinen zu wissen, welches anfangs vorgeherrscht haben sollte, können wir also mittels Simulationen den Verlust des Edelgases über die Zeit bestimmen. Selbiges gilt für Argon, Stickstoff oder Wasserstoff.

In der Realität entwickelt sich diese Rechnerei zu einem relativ komplexen Problem. So gibt es verschiedenste Prozesse, die unterschiedliche Isotope ins Weltall entfliehen lassen. Meteoriten wiederum transportieren verschiedene Elemente zurück zum Planeten. Vulkanismus pumpt unfraktionierte Gase aus dem Inneren in die Atmosphäre und Interaktionen mit der Oberfläche lagern das eine Isotop besser ab als das andere. Auch sind die ursprünglichen Verhältnisse nicht immer ganz so klar, wie wir das gerne hätten.

Doch das Problem lässt sich unter realistischen Annahmen und innerhalb eines gewissen Fehlerbereiches lösen. Dementsprechend errechneten verschiedene Forschungsarbeiten maximale Druckbereiche für das frühe Noachian, die mit der Kraterzählung recht gut im Einklang stehen. Vor rund vier Milliarden Jahren besaß unser Nachbar also einen Atmosphärendruck, der am ehesten irgendwo zwischen einem halben und einem Bar lag.

Der berühmte Marsmeteorit ALH84001 enthält ursprüngliche Isotopenverhältnisse.
Foto: Nasa

Der Verlust der Atmosphäre

Verantwortlich für den höheren Druck war vorwiegend Kohlendioxid, das in den darauffolgenden Jahrmillionen wieder aus der Atmosphäre verschwinden musste. Um das CO2 daraus abzubauen, gibt es zwei Möglichkeiten und beide spielten wohl eine Rolle: Ablagerungen in den Boden und Flucht in das Weltall.

Von Beobachtungen verschiedener Orbiter erahnen wir mittlerweile, dass im Laufe der Zeit relativ wenig CO2 entweder in Form von Karbonatgestein, Staub oder über das Trockeneis an den Polen abgebaut wurde. Die genaue Menge bleibt derzeit unklar, sollte sich aber irgendwo zwischen einigen zehn Millibar und einem Bar befinden, wobei der wahrscheinlichste Wert wohl etwa in der Mitte liegen dürfte. Der Rest musste ins Weltall entschwinden.

Im Rahmen einer Studie, die vor kurzem zur Publikation akzeptiert wurde, untersuchten wir hier am Grazer Institut für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften gemeinsam mit finnischen Kollegen unterschiedliche Prozesse, die Kohlendioxid vom Mars ins Weltall entfernt haben könnten. Addieren wir diese auf und berücksichtigen die Fraktionierung besagter Argon-Isotope, kommen wir seit dem Noachian auf einen Maximalwert von rund 0,5 Bar. Und erneut: Zusammen mit Karbonat-Ablagerungen und dem CO2-Eis an den Polen ergibt dies einmal mehr einen Luftdruck von rund einem Bar. Nicht schlecht, oder?

Schematische Evolution des Mars.
Grafik: Manuel Scherf

Das Problem mit dem Klima

Doch hier laufen wir in ein Problem. Der Mars befindet sich am äußeren Rand der sogenannten Habitablen Zone, jenem Bereich, in dem flüssiges Wasser an der Oberfläche eines Planeten theoretisch existieren könnte. Und da wir uns ebendort befinden, benötigt es große Mengen an Treibhausgasen, um das Klima auch tatsächlich über den Gefrierpunkt zu bringen. Was erschwerend hinzu kommt: Die Sonne hatte anfangs nur etwa 70 Prozent ihrer heutigen Leuchtkraft und so stand weniger Energie zur Verfügung, um die Gesteinsplaneten des Sonnensystems ausreichend zu erwärmen. Bis vor einiger Zeit war selbst flüssiges Wasser auf der Erde des frühen Hadaikums kaum zu erklären. Und das, obwohl wir der Sonne wesentlich näher sind. Ein Problem, das als das Faint-Young-Sun-Paradox eine gewisse Berühmtheit erlangte.

Im Falle unseres Heimatplaneten lösten 3D-Klimamodelle das Paradoxon. Und im Falle des Mars? Keinesfalls. Selbst ein Bar CO2 reicht nämlich nicht, um konstante Temperaturen über null Grad Celsius zu gewährleisten. Auch mit zusätzlichen Treibhausgasen gestaltet sich die Sache schwierig. Vieles deutet also darauf hin, dass es selbst im Noachian maximal kurze Phasen flüssigen Wassers an der Oberfläche geben konnte. Und selbst diese wurden wohl nur durch verstärkten Vulkanismus oder den Einschlag größerer Asteroiden ausgelöst. Beide Erklärungen könnten zum abrupten Schmelzen großer Eismengen geführt haben, die in nur wenigen 100 Jahren viele der heute anzutreffenden Formationen erklären könnten. Auch Erosion durch Gletscher vermag einige vermeintlich durch Wasser geformte Oberflächenstrukturen zu erklären. Gemeinsam mit vormals existierendem Grundwasser benötigt es also keinen warmen, lebensfreundlichen Mars, um das Aussehen unseres Nachbarplaneten zufriedenstellend zu beschreiben.

Und vor dem Noachian?

Doch wie sah es nun eigentlich im Prä-Noachian aus? Hätte es während der ersten 500 Millionen Jahre eine dichtere Atmosphäre geben können, die über einen längeren Zeitraum habitable Oberflächenbedingungen ermöglichte? Auch hier lautet unsere Antwort wohl Nein. Denn damals war die Einstrahlung der Sonne im Röntgen- und extrem-ultravioletten Bereich so intensiv, dass die geringe Gravitation des Mars nicht in der Lage gewesen wäre, den Verlust der Atmosphäre zu verhindern.

In einem Artikel, den wir kürzlich publizierten, zeigten wir, dass selbst der stärkste für den Mars angenommene Vulkanismus den Verlust des Kohlendioxids in das All nicht hätte kompensieren können. Erst als sich die relevante Strahlung der Sonne vor etwas mehr als vier Milliarden Jahren signifikant verringerte, konnten die damals noch aktiven Vulkane den Verlust kompensieren und den Aufbau einer CO2-Atmosphäre ermöglichen. Doch auch deren Schicksal war nach einigen weiteren 100 Millionen Jahren besiegelt. Denn nachdem sich der Vulkanismus im Hesperian signifikant verringerte, gewann die Einstrahlung der Sonne ein letztes Mal die Oberhand.

Noch ein interessantes Detail am Rande: Könnte man die Polkappen schmelzen, den Vulkanismus reanimieren und so größere Mengen an CO2 in die Atmosphäre pumpen, würde sich eine dichtere Gashülle bilden, die heutzutage tatsächlich stabil wäre. Wäre es also aufgrund der höheren Leuchtkraft der Sonne möglich, Temperaturen über dem Gefrierpunkt zu erreichen und flüssiges Wasser auf der Oberfläche des Mars zu erlauben? Wohl kaum. Zur Erzeugung eines ausreichend großen Treibhauseffektes würde das zur Verfügung stehende CO2 auch heute nicht genügen. Terraforming – die Umwandlung des Planeten in eine für Menschen lebensfreundliche Umgebung – könnte also schwierig werden.

Ein weiterer interessanter Nebenaspekt und ein sich langsam wandelndes Paradigma: Über Jahrzehnte manifestierte sich die vorherrschende Meinung, dass die Erde aufgrund ihrer Magnetosphäre seine dichte Gashülle schützen konnte und Mars eben nicht. Doch wir wissen mittlerweile, dass das mit ziemlicher Sicherheit nicht der Wahrheit entspricht. Unsere Stickstoffatmosphäre würde heute wohl problemlos überleben, auch wenn es das Magnetfeld der Erde nicht gäbe. Das frühe Magnetfeld des Mars hingegen konnte eine Erosion der Atmosphäre in den ersten 500 Millionen Jahren aber nicht verhindern. Selbst die Wichtigkeit einer Magnetosphäre zur Abwehr hochenergetischer Teilchen und als Schutz für das Leben ist nicht mehr ganz eindeutig. Viel Forschung wird nötig sein, um die tatsächliche Rolle eines globalen Magnetfeldes richtig einschätzen zu können.

Mit 26,4 Kilometern der größte Berg im Sonnensystem: Der erloschene Mars-Vulkan Olympus Mons.
Foto: Nasa

Die Entstehung des Lebens

Es bleibt die Frage zu klären, ob der Ursprung des Lebens auf dem Mars nicht dennoch stattfinden hätte können.

Zwar weiß man nicht, wie viel Zeit es benötigen würde, um Leben entstehen zu lassen. Sollten die feuchten Phasen dafür schlicht zu kurz gewesen sein, wäre die Sache aussichtslos. Andererseits könnte eine in den letzten Jahren aufgekommene Theorie Grund zur Hoffnung geben. Sollten hydrothermale Quellen und das Vorhandensein von Feucht- und Trockenperioden essenziell für die Entstehung des Lebens sein, dann wäre Mars (im Gegensatz zu den Unterwasserozeanen der Eismonde) im Sonnensystem wohl das lohnendste Ziele, um nach Leben abseits der Erde zu suchen. Doch auch für eine Entstehung des Lebens an unterseeischen hydrothermalen Quellen gäbe es Hoffnung. Denn so befand sich zumindest in der Eridania-Region vor rund 3,8 Milliarden Jahren wohl nicht nur flüssiges Wasser, sondern auch ein hydrothermales System. Und dieses könnte durch den Zerfall radioaktiver Elemente sogar über Jahrmillionen aktiv gewesen sein.

Doch am Ende ging auch das Wasser

Und wohin verschwand nun eigentlich das ganze H2O? Dafür spielt uns einmal mehr das Vorhandensein verschiedener Isotope in die Hände. Auf der Erde besitzt beinah jedes zehntausendste Wasserstoffatom neben einem Proton auch ein Neutron in seinem Kern. Dieser schwere Wasserstoff, auch Deuterium oder kurz D genannt, ist somit rund doppelt so schwer wie das neutronenlose H und kann dementsprechend schwerer ins Weltall entfliehen. Und genau das beobachten wir auf dem Mars. Dort ist D in Relation rund siebenmal häufiger als in den Ozeanen der Erde zu finden, ein Indiz, dass einiges an Wasserstoff entkommen musste. Und dieses H wiederum kam von jenem H2O, das sich einst an der Oberfläche des Mars befand, wo es einen globalen, zumindest 137 Meter tiefen Ozean füllen hätte können.

Während sich der Wasserstoff also vom Planeten verabschiedete, verband sich ein Teil des O, des Sauerstoffs, mit dem Eisen im Boden, bildete Rost und sorgte dafür, dass unser Nachbar jene blutrote Farbe erhielt, die Jahrmilliarden später antike Hochkulturen dazu veranlassen sollten, ihn nach ihrem Gott des Krieges zu benennen: Nergal, Ares oder eben Mars.

Und hoffentlich klären sich nun, Jahrtausende später, dann auch bald jene anfangs gestellten Fragen. Noch sind wir zwar nicht ganz dort. „Trostlos“ ist Mars - entgegen der Schlagzeile der "New York Times" - jedenfalls nicht. (Manuel Scherf, 29.4.2022)

Manuel Scherf studierte Physik an der Universität Graz und arbeitet seit 2009 mit Unterbrechungen am Institut für Weltraumforschung. Er engagierte sich jahrelang im Rahmen verschiedener EU-Projekte (Europlanet, IMPEx) für die Verbesserung der Forschungsstruktur in den Weltraumwissenschaften und koordinierte das Europlanet Telescope Network, ein Netzwerk aus 16 kleineren europäischen Sternwarten. Zusätzlich forscht er seit einigen Jahren über die Entstehung und Evolution erdähnlicher Atmosphären und die Entwicklung von Habitabilität.

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