Bilderbuch veröffentlichen am Freitag ihr neues Album. Ganz unaufgeregt.

Hendrik Schneider

Bisher war die Arbeitstechnik die: Hau raus die Hits. Gab es genug davon, wurden sie in Reihe gesetzt, daraus ein Album geleimt, fertig, die Party konnte abheben. Leichte Durchhänger fielen in der überdrehten Grundstimmung gar nicht negativ auf, waren eher willkommene Atempausen vor der nächsten Wumme auf die elf. Das ist vorbei.

Gelb ist das Feld heißt das neue Album von Bilderbuch. Es erscheint am Freitag und ist anders. Bilderbuch haben sich schon einmal neu erfunden, als sie den Sprung von den inspirierten Kopisten des damals gerade angesagten Dance-Rock von ihrem Album Die Pest im Piemont (2011) zu Schick Schock taten. Dafür nahm das oberösterreichische Quartett vier Jahre Anlauf und läutete mit seinem Erscheinen eine neue Zeitrechnung in seiner Biografie ein.

Angemessen anlassig

Schick Schock besaß ein Momentum, machte sie zu Stars. Mit einer Mischung aus Hip-Hop, ohne Hip-Hop zu sein, Brian-May-Gitarre, ohne dröge Queen zu sein, funky, ohne black zu sein, dazu intelligent prollig und angemessen anlassig. Für Bilderbuch wie die zu jener Zeit ebenfalls gerade raketig abhebenden Wanda bewahrheitete sich gleichzeitig der Spruch "viel Feind, viel Ehr‘".

Wie es der österreichischen Seele und ihrer galligen Folklore eingeschrieben ist, polarisierte der Erfolg. Bilderbuch wurde mit Falco-Grabschändungsanzeige gedroht, weil Maurice Ernst im Angeberidiom traumwandlerisch zwischen Englisch und Deutsch kreuzte. Er gab den rolligen Kater, doch einen, der dabei mehr Stil und Attitüde unter einen Schlapphut brachte, als toleriert wird. Das ist vorbei, aber nicht ganz. Die Nörgler werden bleiben, der Wechsel der Sprache von Deutsch mit leger ausgelegter Grammatik zum gern übertrieben geknödelten Englisch ist immer noch ein Merkmal der Band.

BILDERBUCH

Dennoch ist Gelb ist das Feld (selbst der Plemplem-Titel hat Tradition) anders. Es ist eine Art Zurück-zur-Natur-Album. Nicht nur wegen der Assoziation, die der Albumtitel wachruft. Immer wieder taucht die Natur auf, als bedrohtes Lebensumfeld, als Metapher für simple Schönheit.

Heil im Midtempo

Das mit den schreienden, mitreißenden Hits hat die Band darüber etwas vernachlässigt. Sollte sie solche anvisiert haben, lässt sich Gelb ist das Feld das nicht anmerken, bewegt sich formal weg von den letzten Veröffentlichungen. Die Band sucht und findet ihr Heil in einem Midtempo, das oft klingt wie der Soundtrack einer Überlandfahrt im Mittelklassewagen. Sicherheitsgurt, GPS, Airbag, Safety first. Der Lamborghini früherer Tage ist jetzt ein besserer Škoda, ein Audi vielleicht, wären auf der Rückbank Kindersitze montiert, es würde das Bild nicht irritieren.

Die Musik ist weg vom zuckenden Irrsinn und geht in Richtung eines Entwurfs auf dem weiten, gelben Feld des Indierock. Das Genre verströmt überwiegend Langeweile, umarmt aber gleichzeitig so viel, dass es eine nur ungenaue Zuschreibung bleiben muss. Für Bilderbuch bedeutet es einen Schwenk vom Expressionismus zum Impressionismus – ohne deshalb gleich unscharf zu werden.

BILDERBUCH

Doch waren Alben wie Schick Schock oder Magic Life originärer, klang Michael Krammers Gitarre trotz aller historischen Verstrickungen geil und sexy. Aktuell beweist er bloß, dass er das Gerät auch beherrscht, ohne das Netzleiberl durchzuschwitzen. Wahrscheinlich trägt er gerade ohnehin ein Button-down-Hemd aus der Bürolehrlingsabteilung von Gap.

Gelehrige Schüler

Es tauchen Referenzen auf, die zwar als geschmackssicher gelten, jedoch Echo, nicht Urschrei sind. Ein Song wie For Rent ist deutlich von The Smiths inspiriert, öfter meint man, der Saat von Echo & the Bunnymen beim Keimen beizuwohnen. Allesamt Helden der britischen Indie-Szene, auf ihre Art Klassiker, die Schulen begründet haben. Es verwundert aber, dass Bilderbuch beschlossen haben, sich wie brave Gelehrige in eine dieser Klassen zu setzen. Erhellen wollen sie diesen Schwenk nicht.

Charme und Unfug

Die Band gibt zurzeit keine Interviews, auch wegen des Ukraine-Kriegs nicht, der relativiert doch einiges. Selbst nach der Tournee in den USA und Kanada Ende letzten Jahres wollte man nur eines: seine Ruhe haben. Let the music do the talking.

Gelb ist das Feld ist aber ohnehin kein einsilbiges Werk: 14 Songs lang geben sich die großen Aufreger der heimischen Popmusik mit internationaler Strahlkraft unaufgeregt. Das mag als taktischer Haken interessant sein, das Ergebnis ist es nur bedingt.

Die Texte sind zwar originell, verschränken Treuherzigkeit mit Witz, Charme mit Unfug. Nur das Geräusch neben der Gesangsspur, das klang schon einmal erhebender. (Karl Fluch, 6.4.2022)