Während wirtschaftlicher Krisen gewinnt Kunst als Investitionsgut an Beliebtheit. Wer jetzt jedoch lediglich an den Erwerb klassischer Gemälde denkt, der irrt. In letzter Zeit konnte man vor allem den Hype um digitale Kunst als Wertanlage medial mitverfolgen. Das digitale Kunstwerk mit dem Titel „Everydays – The First 5000 Days“ des Künstlers Beeple (Mike Winkelmann) wurde etwa um 69 Millionen US-Dollar verkauft. Jedoch werden nicht nur Kunstwerke im engeren Sinne als NFT veräußert. Twitter-Gründer Jack Dorsey hat seinen ersten Tweet um 2,9 Millionen Dollar verkauft. Vor kurzem war ein NFT-Kunstwerk auch am Cover der 10.000 STANDARD-Ausgabe zu finden.

Platz 3 beim NFT-Cover-Wettbewerb für die 10.000 STANDARD-Ausgabe: "10.000 flights" von Adam Tubak.
Foto: Adam Tubak

Wie passen Kunstrecht und NFT zusammen?

Das Kunstrecht ist eine komplexe Querschnittsmaterie vieler Rechtsgebiete. Die Anwendung von allgemeinen Gesetzen in diesem Bereich erfordert ein Grundverständnis für Kunst und die Spezifika des Kunsthandels. Viele Rechtsnormen, die im Bereich des Kunstrechts angewendet werden, wurden nämlich nicht für die Kunst geschaffen. So kommt es etwa durch die Anwendung der allgemeinen eigentumsrechtlichen Regelungen auf das, gerade auch von geistigem Eigentum erfüllte, Kunstwerk zu einem recht sonderbaren Wertungswiderspruch: Aufgrund der geistigen Interessen der Künstlerin oder des Künstlers, kann die Eigentümerin oder der Eigentümer das durch den urheberrechtlichen Werkschutz abgesicherte Kunstwerk zwar nicht übermalen, darf es aber aufgrund des sachenrechtlichen Eigentumserwerbs sehr wohl zerstören.

Die NFT-Kunst existiert in einem ähnlich komplexen Rahmen. Die Abkürzung NFT steht für „Non-fungible Token“. Unter einem „Token“ versteht man eine Zeichenfolge aus 40 Zeichen, die üblicherweise Informationen zur Künstlerin, zum Künstler des NFT-Werks, der aktuellen Besitzerin oder des Besitzers und zum aktuell gehandelten Preis des Werkes enthält. „Fungible“ bedeutet, dass eine Sache austauschbar ist. So kann zum Beispiel ein 50-Euro-Schein gegen einen anderen 50-Euro-Schein oder fünf 10-Euro-Scheine problemlos ausgetauscht werden. Der Wert ist in diesen Beispielen gleichbleibend. „Non-fungible“ bedeutet hingegen, dass etwas nicht gegen einen anderen Gegenstand ausgetauscht werden kann. So kann beispielsweise Picassos weltberühmtes Werk „Guernica“, oder Klimts „Kuss“ zwar mit einem Preis beziffert, aber unmöglich ausgetauscht werden. Dieses Prinzip gilt ebenso für das NFT-Kunstwerk.

Ein NFT ist also ein Eigentums- oder Echtheitszertifikat und fungiert als Gütesiegel im Handel mit digitaler Kunst. Ein NFT ermöglicht es digitalen Kunstschaffenden, ihre Werke zu veröffentlichen, ohne sich Sorgen über einen Authentizitätsnachweis, im Urheberrecht „Eigenhändigkeit“ genannt, oder einen Eigentumsnachweis machen zu müssen. Digitale Kunstschaffende haben durch das NFT die Möglichkeit Originalwerke zu generieren und diese an andere Personen zu veräußern, ohne auf den alten Kunstmarkt angewiesen zu sein. Das Kunstrecht wird es in diesem Bereich hingegen schon noch brauchen.

Verschollen im digitalen Raum

Das Medium, auf dem ein Kunstwerk abgebildet wird, wirkt auch auf die darauf angewendeten kunstrechtlichen Regelungen. Führt man sich den erwähnten Fall der Zerstörung des Kunstwerks durch die Eigentümerin oder den Eigentümer vor Augen, wird klar, dass die Zerstörung eines NFT-Kunstwerks, das auf dem Medium der, als unzerstörbar bekannten Blockchain-Technologie gespeichert wird, anderen rechtlichen Regelungen folgen muss. In dem technisch komplexen Gebilde der Blockchain werden mehrere Datenblöcke chronologisch verkettet – jeder Block verweist auf die Daten des vorhergehenden Blocks und wird mit neuen Transaktionen gefüllt. Im Nachhinein können die Daten in früheren Blöcken nicht mehr verändert werden. Wenn ein Block verändert wird, hat das einen Domino-Effekt auf alle nachgereihten Blöcke, und die Blockchain kann nicht weiter genutzt werden. Die herkömmliche Methode der Zerstörung eines Kunstwerks, indem das genutzte Medium dahinter zerstört wird, ist im Fall von NFT-Kunst also keine Option.

Die Zerstörung eines NFT ist aber trotz der unzerstörbaren Blockchain möglich, nämlich durch den sogenannten „Burn“, wie man die digitale Zerstörung von Tokens nennt. Ein Burn kann etwa dadurch erreicht werden, dass man das NFT an eine private digitale Adresse sendet, für die niemand einen Schlüssel hat. Im Ergebnis ist das NFT aber weniger im analogen Sinne zerstört als vielmehr im digitalen Raum verschollen. Diese Art der Zerstörung kann man nicht mit der realen Zerstörung eines Kunstwerks gleichsetzen. Ein reales, originales Kunstwerk verschwindet durch seine Zerstörung tatsächlich aus unserer Welt.

Hat man vor der Zerstörung eine Druckvorlage auf Basis des Kunstwerks hergestellt, lassen sich zwar Kunstdrucke reproduzieren; diese werden aber niemals an das Original heranreichen. Beim NFT-Kunstwerk verhält es sich allerdings an dieser Stelle umgekehrt. Das, was in der analogen Kunst die Druckvorlage ist, ist in der NFT-Kunst eine Bilddatei (etwa ein JPEG) oder eine kurze GIF-Videosequenz. Das JPEG oder GIF wird mittels Smart-Contract-Technologie in ein NFT konvertiert; man spricht hier auch von „Minting“. Wird nun ein NFT-Kunstwerk durch einen Burn in den digitalen leeren Raum verbannt, dann existiert deswegen aber das JPEG oder GIF immer noch. Dieses kann jederzeit wieder in ein neues originales NFT-Kunstwerk konvertiert werden – alles, was sich dabei im Vergleich zum originalen NFT-Kunstwerk ändert, ist das Datum.

NFTs können auf Online-Plattformen erworben werden.
Foto: Vadim Bogulov/Unsplash

Da sich an den Begriff der Originalität im Kunstrecht bestimmte Konsequenzen knüpfen, werden auch Druckvorlagen von originalen Kunstwerken regelmäßig nach einem Druck einer bestimmten Anzahl von Kunstdrucken zerstört, um deren Begrenztheit sicherzustellen. Druckvorlagen können jedoch niemals ein originales reales Kunstwerk hervorbringen, sondern immer nur eine Reproduktion. Die JPEG oder GIF-Vorlage eines NFT-Kunstwerks kann aber beliebig oft neue originale digitale NFT-Kunstwerke hervorbringen, die von dem ersten Original optisch nicht zu unterscheiden wären. Es sei denn, man wendet die alte Logik auf die neue Kunstszene an und zerstört auch die digitalen Vorlagen.

Die unzerstörbare Blockchain

Auch wenn man ein NFT-Kunstwerk, so wie jeden Token, in den Weiten des digitalen Raums stranden lassen kann, wird man die Meta-Daten zu seiner Transaktionsgeschichte niemals los. Diese sind nämlich auf der dahinterliegenden unzerstörbaren Blockchain-Technologie abgespeichert. Gerade dieser Umstand macht NFTs aus urheberrechtlicher Sicht so interessant. Die Geschichte der Rechtsverhältnisse an einem NFT lassen sich so bis zu seiner Erstellung zurückverfolgen. Neben der Übertragung des Eigentums, können auch die übertragenen Nutzungsrechte direkt im NFT-Kunstwerk abgespeichert werden. Auch eine Beteiligung des Urhebers an Weiterveräußerungen, sogenannte „royalties“, können ähnlich wie bei Weiterveräußerungen am Kunstmarkt, im Rahmen des urheberrechtlichen Folgerechts, vorgesehen werden. Diese werden ebenfalls direkt im NFT-Kunstwerk als Bedingung integriert. Nachdem für Weiterveräußerungen eine entsprechende Regel auf der Blockchain programmiert wird, ist ein Weiterverkauf ohne Beteiligung gar nicht mehr möglich, und die NFT-Urheberin oder -Urheber erhält ihre royalties automatisch ausbezahlt.

Im Übrigen ist durch die Unveränderlichkeit der Blockchain, bei jeder Transaktion, so auch bei der Übertragung eines NFT-Kunstwerks auch auf den datenschutzrechtlichen Grundsatz der Datenminimierung zu achten: Es sind so wenig personenbezogene Daten wie möglich bei der Transaktion abzuspeichern. Eine Löschung von Namen oder anderen identifizierbaren Angaben ist nämlich im Nachhinein nicht mehr möglich, und muss daher für die Zukunft mitgedacht werden.

Wie diese kurzen rechtlichen Überlegungen zu möglichen digitalen Fragestellungen zeigen, scheint das Kunstrecht ebenso wenig für die NFT-Welt geschaffen zu sein, wie schon die diversen, im Kunstrecht angewandten Rechtsnormen ursprünglich für die Kunst. Die NFT-Kunstszene wird daher auch weiterhin neue kunstrechtliche Fragestellungen eröffnen, die in den nächsten Jahren noch zu diskutieren sein werden. (Verena Ehrnberger, Sophie Tichy, 12.4.2022)

Verena Ehrnberger leitet die Rechtsabteilung der STANDARD-Gruppe und hat Jus und Literaturwissenschaften in Wien studiert.

Sophie Tichy arbeitet als Medienjuristin in der Rechtsabteilung der STANDARD-Gruppe und hat Jus in Graz studiert.

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