Wer sich auch später im Leben noch Ziele setzt und diese zu erreichen versucht, hat im Schnitt mehr Zeit dafür.

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Viele Menschen sind bereit, so manche Grenze zu überschreiten, um das eigene Altern einzubremsen. Meist geht es zunächst vor allem um den Erhalt des äußeren Eindrucks von Jugend und der entsprechenden Fitness – ganze Industrien sind damit reich geworden. Letztlich aber läuft es auf den Wunsch nach mehr Zeit hinaus, die einem in gutem gesundheitlichem Zustand noch bleibt.

Diese Aspekte des Lebens werden in Zukunft eine wachsende Rolle spielen, wie ein Blick auf die demografische Entwicklung zeigt: Die Gesellschaft altert schnell, und dieser Umstand wird sich bald schon merklich auf viele unserer Lebensbereiche auswirken. Den kommenden Herausforderungen hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sogar ein ganzes Jahrzehnt gewidmet: Die Jahre 2021 bis 2030 gelten seit dem Vorjahr als "Dekade des gesunden Älterwerdens".

Umgang mit dem eigenen Älterwerden

Ein Grund mehr, dem Altern allmählich ein besseres Image zu verpassen. Tatsächlich scheint für ein langes Leben neben den Genen und dem körperlichen Wohlbefinden auch die Psychologie eine wichtige Rolle zu spielen, das lässt sich bereits aus mehreren Studien schließen. Besonders große Auswirkungen dürften dabei Faktoren haben, die in Verbindung mit dem Umgang mit dem eigenen Älterwerden stehen. Eine vor 20 Jahren von dem Yale-Psychologen Becca R. Levy durchgeführte Langzeitstudie wies darauf hin, dass jene Menschen, die ihren Alterungsprozess in einem positiven Licht sahen, um durchschnittlich sieben Jahre länger lebten als jene, die bei vergleichbarer Gesundheit mit dem Älterwerden unentwegt haderten.

Eine aktuelle Studie mit zu Beginn annähernd viermal so vielen Probandinnen und Probanden kommt im Grunde zum selben Ergebnis, nur bei den Zahlen unterscheiden sie sich: Im Schnitt erstaunliche 13 Jahre länger lebten Teilnehmende, die im Altern einen Entwicklungsprozess erkennen. Das jedenfalls berichtet ein Team der Universitätsmedizin Greifswald im "Journal of Personality and Social Psychology". Seine Schlüsse daraus: Menschen, die mit dem Älterwerden persönliche Ziele und Pläne verbinden, können ein weit längeres Leben erwarten.

Aspekte des Älterwerdens

Bei der Studie griffen die Forschenden unter der Leitung von Susanne Wurm und Sarah Schäfer auf Daten aus dem Jahr 1996 zurück. Damals wurden im Rahmen des Deutschen Alterssurveys 2.400 Menschen zwischen 40 und 85 Jahren zu ihrer Sicht auf die verschiedenen Aspekte des eigenen Älterwerdens befragt. Außerdem wurde über die folgenden 23 Jahre dokumentiert, wer wann verstarb, das waren insgesamt 871 Personen.

"Wir wussten bereits aus einer US-amerikanischen Studie von B. R. Levy aus dem Jahr 2002, die 660 Personen ebenfalls über 23 Jahre hinweg untersuchte, dass Menschen mit einer positiven Sicht auf das Älterwerden sieben Jahre länger leben", sagt Wurm. "Unsere Studie liefert nun in größerem Umfang für Deutschland den Nachweis, dass Menschen, die das Älterwerden als Entwicklungsprozess erleben, sogar 13 Jahre länger leben."

Ideen und Pläne bis ins hohe Alter

Im Unterschied zur vorangegangenen Studie wurde dieses Mal auch die Vielfalt des Alters unter die Lupe genommen. Nicht nur die Rolle allgemein positiver Altersbilder für die Langlebigkeit wurde untersucht, die Forschenden differenzierten zwischen unterschiedlichen Sichtweisen auf das Älterwerden, mit Blick auf verschiedene Lebensbereiche. Das ermöglichte es ihnen, jene Sichtweisen zu identifizieren, die mit einem langen Leben korrelierten.

"Viele Menschen sehen das Älterwerden nicht allein positiv oder negativ. Vielmehr unterscheiden sie dabei zwischen verschiedenen Lebensbereichen. Wir konnten nun erstmals zeigen, dass jene Menschen länger leben, die das Älterwerden mit einer persönlichen Weiterentwicklung verbinden", sagt Wurm. "Menschen also, die viele Ideen und Pläne realisieren und weiterhin neue Dinge lernen wollen."

Dass es dagegen vergleichsweise unwichtig für ein langes Leben sei, ob Menschen das Älterwerden mit körperlichen oder sozialen Verlusten verbinden, fanden die Forscherinnen bemerkenswert. Für ihre Untersuchung haben die Forscherinnen bereits bekannte psychische und gesundheitsbezogene Ergebnisse berücksichtigt, um sicherzustellen, dass keine anderen Faktoren wie etwa Krankheiten die Ergebnisse verfälschten.

Erzfeind des gesunden Alterns

Ob ein unmittelbar kausaler Zusammenhang zwischen einem zufriedenen Altern und einem langen Leben besteht, bleibt freilich unklar, doch allein die Möglichkeit eröffnet Handlungsoptionen. "Die Befunde geben gute Hinweise darauf, dass wir Menschen vor allem darin unterstützen sollten, ihr Älterwerden aktiv zu gestalten", sagt Wurm.

Die Einstellung, sich selbst zu beschränken, weil es für diesen Plan oder jene Aktivität vermeintlich schon zu spät sei, entpuppe sich hier als Erzfeind des gesunden Alterns, so die Wissenschafterin. "Menschen lernen ihr ganzes Leben lang negative Bilder vom Alter und neigen deshalb dazu, diese auf sich selbst anzuwenden, wenn sie dann alt sind. Diese Altersselbstdiskriminierung gilt es zu durchbrechen." (tberg, red, 7.4.2022)