Wer einen Neuvertrag für Strom abschließt, zahlt für 100 Kilometer Fahren mit dem E-Auto fast so viel wie mit Verbrenner-Fahrzeugen.

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Bisher war die Rechnung relativ einfach. Musste man für die Anschaffung eines Elektroautos zwar tiefer in die Tasche greifen, holte man sich diese Zusatzinvestition dafür durch monatlich geringere Fahrtkosten wieder zurück. Denn Strom ist – zumindest, wenn man den eigenen Stromtarif zu Hause und nicht öffentliche E-Tankstellen nutzt – deutlich günstiger als fossile Treibstoffe. Der Ukraine-Krieg und die damit einhergehende Energiekrise bringen diese Rechnung nun aber durcheinander.

Ein Blick auf die stark gestiegenen Treibstoffpreise lässt vermuten, dass E-Autos im Vergleich zu Fahrzeugen mit Verbrennermotoren preislich nun noch besser abschneiden müssten. In der Tat sind die Preise für Diesel und Benzin seit März des Vorjahres um 50 bis 60 Prozent gestiegen. Kostete der Liter Diesel damals noch 1,16 Euro, liegt der Durchschnittspreis nun bei 1,87 Euro. Bei Benzin fiel die Steigerung von 1,20 auf 1,78 Euro eine Spur geringer aus, wie aktuelle Zahlen des ÖAMTC zeigen. Aber auch hier gilt: Wer heute tankt, zahlt deutlich mehr als noch vor einem Jahr.

Was die Strompreise betrifft, ergibt die STANDARD-Anfrage beim Energieregulator E-Control ein überraschendes Bild. Denn trotz einiger Vertragsanpassungen bei Bestandskunden liegen die Gesamtkosten pro Kilowattstunde (kWh) im Schnitt unverändert bei etwa 23 Cent. Der Berechnung zugrunde liegt der Mittelwert der österreichischen Landesversorger inklusive Energie- und Netzpreis sowie Abgaben und Umsatzsteuer beim jährlichen Durchschnittsverbrauch von 3500 kWh pro Haushalt.

Kosten für 100 Kilometer

Umgelegt aufs Autofahren ergeben sich laut ÖAMTC folgende Szenarien: Für 100 Kilometer muss man für neu zugelassene Benziner 10,86 Euro (6,1 Liter Verbrauch), für ein Dieselauto 10,65 Euro (5,7 Liter) einkalkulieren. Wer hingegen ein E-Auto fährt, benötigt im Schnitt 20 kWh und somit nur 4,60 Euro. Rechnet man den Übertragungsverlust beim Aufladen weg, steigt man mit dem E-Auto also immer noch um mehr als die Hälfte günstiger aus als mit Verbrennermotor.

Faustregel für die E-Auto-Nutzung: Zumindest zuhause oder in der Arbeit sollte man günstig laden können.
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Die Rechnung hat jedoch einen Haken. Wer nämlich einen neuen Stromvertrag abschließen muss – etwa weil das Eigenheim neu bezogen wurde und ein bestehender Vertrag nicht mitgenommen werden konnte –, bekommt die höheren Energiepreise voll ab. Vor allem in Ostösterreich liegt die kWh bei Neuverträgen bei 40 Cent und mehr, was ein Plus von fast 100 Prozent zum aktuellen Durchschnittswert bedeutet.

Mit Kosten von acht bis neun Euro für 100 Kilometer ist der bisherige Preisvorteil gegenüber Benzin und Diesel damit fast dahin – vorausgesetzt, die Treibstoffpreise steigen in den kommenden Wochen und Monaten nicht noch weiter an. Dass der Strommarkt verhältnismäßig stark vom Ukraine-Krieg und den Russland-Sanktionen betroffen ist, hängt laut E-Control damit zusammen, dass nach der Stilllegung diverser Atomkraft- und Kohlekraftwerke Gas bei der Stromproduktion eine deutlich größere Rolle als noch vor wenigen Jahren spielt.

Wien Energie wartet ab

Da der Strompreis in den kommenden Monaten mit großer Wahrscheinlichkeit nicht deutlich sinken wird und auch Bestandskunden mit weiteren Preiserhöhungen rechnen müssen, wird somit auch das Fahren mit E-Autos teurer werden. Unklar ist dabei, ob auch die öffentlichen Ladestationen ihre Preise anheben.

Diese sind – gerade was das Schnellladen betrifft – ohnehin bereits deutlich teurer als das Laden an der eigenen Steckdose. Wien Energie, das in und um Wien mehrere Tausend Stationen betreibt, will die Situation genau beobachten. Unmittelbare Preiserhöhungen seien derzeit nicht geplant, könnten aber auch nicht ausgeschlossen werden, teilte der Energieanbieter mit.

Kritik an intransparenten Ladestationen

Beim ÖAMTC sieht man die gestiegenen Strompreise nicht als Ausschlusskriterium, auf E-Mobilität umzusteigen. Wie bisher gelte allerdings: "Wer weder zuhause noch in der Arbeit über eine entsprechend günstige Lademöglichkeit verfügt, für den ist ein Elektroauto eher nicht sinnvoll", sagt Martin Grasslober, Leiter Verkehrswirtschaft beim ÖAMTC.

Abgesehen davon, dass das Laden bei öffentlichen Stationen deutlich teurer als zuhause sei, vermisst der Verkehrsclub aus Kundensicht auch die nötige Transparenz. Denn viele Stationen operieren hauptsächlich zeitbasiert. Wie viel Strom aber tatsächlich in den Akku fließt, sei vielerorts nebensächlich. Genau das mache aber die Vergleichsmöglichkeit hinsichtlich Kilowattstunden-Preis schwierig. (Martin Stepanek, 7.4.2022)