Machu Picchu in den peruanischen Bergen: Die weltberühmte Inkastadt wurde im 15. Jahrhundert auf einem Bergrücken zwischen den Gipfeln des Huayna Picchu und des Machu Picchu errichtet.

Foto: APA/AFP/PERCY HURTADO

Machu Picchu liegt in 2.430 Metern Seehöhe über dem Urubamba-Fluss auf einem schmalen Sattel zwischen zwei Berggipfeln. Jener im Süden, mit 3.082 Metern der höhere der beiden, heißt Machu Picchu (Quechua-Sprache für "alter Berg") und ist damit Namensvetter einer der bekanntesten archäologischen Stätten der Welt – zu Unrecht, wie sich nun herausgestellt hat.

Eine aktuelle Studie lässt den Schluss zu, dass die Inkastadt in den Anden ursprünglich nur Picchu oder eher sogar Huayna Picchu ("junger Berg") hieß, also den Namen des kleineren der zwei Gipfel trug. Der Irrtum dürfte bereits bei der Freilegung der Stadt zu Beginn des 20. Jahrhunderts geschehen sein.

Bekannt, aber nicht berühmt

Als der amerikanische Entdecker Hiram Bingham III. die Ruinen 1911 zum ersten Mal betrat, waren sie weder in der Region noch darüber hinaus besonders bekannt, obwohl man seit über 50 Jahren Kenntnis von ihnen hatte. Der deutsche Kaufmann August Berns war bereits 1867 beim Waldroden auf die Anlage gestoßen und hatte die Gegend vom peruanischen Staat als Claim erhalten. Selbst als die gesamte Zone 1874 durch Berns kartografisch vermessen wurde, blieb die Stadt weitgehend unbeachtet.

Erst Bingham, seine Befreiung der Inkastadt vom diese überwuchernden Urwald und sein 1913 im "National Geographic" veröffentlichter Bericht machten die Stätte weltweit unter der Bezeichnung "Machu Picchu" bekannt. Bingham war durchaus klar gewesen, dass dies nicht notwendigerweise der ursprüngliche Name war: Im "National Geographic" schrieb er, dass der wahre Name wohl "in den Schatten der Vergangenheit verloren" gegangen sei.

Das handkolorierte Glasdia aus dem Jahr 1911 zeigt Bingham (oben) mit einem einheimischen Führer auf einer Dschungelbrücke in Espiritu Pampa in Peru.
Foto: Harry Ward Foote/Yale University

Alte Karten studieren

Über 110 Jahre nach Binghams erstem Besuch der Stätte versuchten nun Donato Amado Gonzales vom peruanischen Kulturministerium in Cusco und der Anthropologe Brian Bauer von der University of Illinois in Chicago diese Schatten mithilfe unterschiedlicher Datenquellen zu durchdringen. Die Forscher haben Binghams Notizen und andere Materialien im Zusammenhang mit seiner Arbeit vor Ort, alte Karten und Atlanten mit Beschreibungen der Region sowie Dokumente aus dem 17. Jahrhundert untersucht, die im Archivo Regional del Cusco aufbewahrt werden.

"Dabei entdeckten wir signifikante Informationen, die darauf hindeuten, dass die Inkastadt tatsächlich Picchu oder wahrscheinlicher Huayna Picchu hieß", sagt Bauer. So stießen die Wissenschafter auf einen Atlas, der sieben Jahre vor Binghams Ankunft in Peru veröffentlicht worden war und in dem in der Gegend von Machu Picchu die Ruinen einer Inkastadt namens Huayna Picchu verzeichnet ist. Darüber hinaus kamen Bingham 1911, noch bevor er Cusco verließ, Geschichten von Ruinen namens Huayna Picchu zu Ohren, die entlang des Urubamba-Flusses zu finden sein sollten.

Berichte aus der Zeit der Konquistadoren

Auch der Sohn des Landbesitzers, auf dessen Areal die Stätte liegt, erzählte Bingham ein Jahr später, dass die Ruinen Huayna Picchu hießen. "Die eindeutigsten Verbindungen zum ursprünglichen Namen der Inkastadt sind in Berichten enthalten, die kurz nachdem die Spanier die Region im späten 16. Jahrhundert unter ihre Kontrolle gebracht hatten, entstanden", sagte Bauer.

Den stärksten Hinweis liefere ein "atemberaubender Text" dieser Zeit: "Darin wird berichtet, dass die Ureinwohner der Region erwogen hätten, einen Ort wieder in Besitz zu nehmen, den sie Huayna Picchu nannten", schreiben die Forschenden im Fachblatt "Ñawpa Pacha: Journal of the Institute of Andean Studies".

"Obwohl Bingham andeutete, dass der Name der großartigen Ruinen 'in den Schatten der Vergangenheit verloren' sei", meinen die Autoren, "ist es ein gewisser Trost, dass die aktuellen Untersuchungen diese Schatten durchdringen und Einblicke in den wahren Namen und die Geschichte dieser Stadt gewähren." (tberg, 11.4.2022)