Das Übungsauto ist nicht für alle Menschen ein angenehmes und sicheres Lernumfeld.

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Im Seminarraum der "Fahrschule beim AKH" in Wien-Währing fand sich an drei Wochenenden im März eine kleine Gruppe an Frauen ein: Sie absolvierten die 32 für den Führerschein nötigen Theorie-Einheiten im Rahmen eines Kurses, der nur Frauen offenstand.

Bevor jetzt das Klischee strapaziert wird, dass Frauen die schlechteren Autofahrer sind: Das ist nicht der Grund für das Angebot. Den "Intensivkurs von Frau zu Frau" hat die Fahrlehrerin Tina Bittner ins Leben gerufen. Fünf bis zehn Frauen seien bei den unterschiedlichen Modulen im März immer dabei gewesen, erzählt sie dem STANDARD. Sie seien bunt gemischt und zwischen 25 und 40 Jahre alt gewesen.

Für manche hat der geblockte Termin am Wochenende einfach zeitlich gut gepasst, etwa weil sich das mit der Kinderbetreuung gut vereinbaren ließ. Andere waren von anderen Fahrschulen gekommen, weil sie sich dort nicht wohlgefühlt hatten.

Schwierige Situation

Das hat einen Grund: Die Fahrschule ist nicht für alle ein angenehmes Lernumfeld. Immer wieder berichten speziell Frauen von unangenehmen Situationen mit den zumeist männlichen Lehrern auf dem Beifahrersitz. Das reicht von unpassenden Macho-Sprüchen bis hin zu tatsächlichen Übergriffen. Die sexistischen Kommentare ihres Fahrprüfers machte im Vorjahr etwa die Wiener Moderatorin Sasa Schwarzjirg publik: "Frauen wie Sie sind Gift für Männer", musste sie sich unter anderem am Tag ihrer Fahrprüfung anhören.

"Mach die Beine auseinander", bekam wiederum eine Donaustädterin von ihrem Fahrlehrer zu hören. Er ließ sich über Frauen in Miniröcken aus und stellte zudem infrage, warum Frauen überhaupt Auto fahren wollen. Das berichtete im Vorjahr die Tageszeitung Heute. Es dürfte die Spitze des Eisbergs sein: In Gruppen, in denen sich Frauen auf Facebook vernetzen, wird regelmäßig nach Fahrschulen mit Fahrlehrerinnen oder zumindest angenehmen Fahrlehrern gesucht.

Was die Situation so pikant macht: Speziell bei den Fahrkursen sitzen oft sehr junge Frauen mit einem Fremden auf engstem Raum in einem Auto. Als Ungeübte ist man ohnehin schon nervös und von der wohlmeinenden Unterstützung des Beifahrers abhängig. Darauf können sie augenscheinlich nicht immer zählen: Immer wieder brechen Betroffene ihren Fahrkurs ab. Das Geld bekommen sie dafür im Regelfall nicht zurück – und stehen am Ende ohne Führerschein da.

Wenige Fahrlehrerinnen

Die meisten Fahrschulen sind bis heute ein männlich dominierter Ort. Wer lieber eine Fahrlehrerin möchte, muss Glück haben: Nur fünf bis zehn Prozent der 2000 Fahrlehrer im Land sind weiblich, heißt es vonseiten des Fachverbands in der Wirtschaftskammer. Einen Grund dafür sieht Geschäftsführer Stefan Ebner auch darin, dass die Arbeitnehmerschutzregelung vorsieht, dass schwangere Fahrlehrerinnen keine praktischen Stunden mehr geben dürfen.

Doch genau wegen der männlichen Dominanz hat sich Tina Bittner dafür entschieden, Fahrlehrerin zu werden. "Der Führerschein ist ein Schritt Richtung Autonomie", betont sie. Wie man das Auto später nutze, etwa aus Umweltschutzgründen, sei wieder eine andere Geschichte. Ganz auf dieses Stück Freiheit durch den rosa Schein zu verzichten ist für Bittner aber keine Option.

Die Kurse für Frauen sind natürlich gleich aufgebaut wie alle anderen Kurse. Doch Frauen hätten oft das Gefühl, dass sie in herkömmlichen Kursen für ihre Fragen belächelt werden. Überhaupt sei die Herangehensweise von Frauen häufig eine andere: "Ich habe oft den Eindruck, dass Frauen mehr verstehen wollen, warum sie etwas tun", sagt Bittner – etwa wenn es darum geht zu verstehen, wann man auf halbe, wann auf ganze Sicht fährt. Männer hätten da häufig eine viel draufgängerischere Verhaltensweise.

Barbara Schwara von der Fahrschule Michelbeuern sieht das ähnlich. Sie ist eine der wenigen Fahrschulinhaberinnen des Landes und bietet regelmäßig "Drive and relax"-Einheiten für Menschen an, die schon lange nicht mehr hinter dem Steuer gesessen sind oder dabei Angst haben. "Das sind fast immer Frauen", sagt sie – und zwar nicht, weil sie die schlechteren Autofahrerinnen sind, sondern weil sie vorsichtiger sind. "Das finde ich positiv", betont die Unternehmerin.

Erst entspannen, dann fahren

Bevor sie mit ihren Auffrischungsschülerinnen ins Auto steigt, wird mithilfe von Shiatsu-Methoden entspannt. Dann erst kommt der praktische Teil: Zuerst führt der Weg in kleine Siedlungen, in denen nicht viel Verkehr ist, dann wird auf der Höhenstraße gekurvt. "In der zweiten Einheit fahren wir schon auf dem Gürtel", sagt Schwara. Nach einigen wenigen Einheiten sei die Sache dann meist erledigt und ausreichend Selbstvertrauen aufgebaut. Die Nachfrage an den Einheiten sei "sehr groß", viele Kundinnen seien um die 40 – und sie berichten immer wieder auch von schlechten Erfahrungen in anderen Fahrschulen in der Vergangenheit.

Was viele nicht wissen: Wer in der Fahrschule Sexismus erfährt, kann sich an die Gleichbehandlungsanwaltschaft wenden, sich dort beraten lassen oder eine Meldung machen, auch anonym. Wichtig ist, nach einem solchen Erlebnis ein detailliertes Protokoll anzufertigen. Auch dabei kann die Gleichbehandlungsanwaltschaft unterstützen. Es sei wichtig, das möglichst zeitnah zu machen, betont Sandra Konstatzky, Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft. Häufig würden solche Erlebnisse nämlich verdrängt, an wichtige Details erinnere man sich dann später nicht mehr.

Die Gleichbehandlungsanwaltschaft kann, wenn das gewünscht wird, auch bei einem Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission unterstützen. Bei Diskriminierung steht dem Opfer Schadenersatz zu, betont Konstatzky. Es kann aber auch empfohlen werden, dass der übergriffige Fahrlehrer abgezogen oder in eine Nachschulung geschickt wird.

Rechtlich bindend sind diese Empfehlungen allerdings nicht. Durch MeToo sei das Bewusstsein aber in vielen Unternehmen gestiegen, dass man bei solchen Anschuldigungen etwas tun müsse, "in den 1990er- oder frühen 2000er-Jahren war das den Unternehmen oft noch nicht klar", sagt Konstatzky.

Reifen wechseln

Auch beim Fachverband in der Wirtschaftskammer betont man, dass heute bei der Ausbildung Wert auf das Thema gelegt wird. Fahrschulen seien heute, was etwa "anlassige Bemerkungen" angehe, nicht mehr tolerant, betont Fachgruppenobmann Ebner. Beschwerden zu sexistischen Vorfällen würden bei ihm nicht landen, "einen Einzelfall kann man aber nie ausschließen".

Die Angebote speziell für Frauen dürften dennoch einen Nerv getroffen haben: In der "Fahrschule beim AKH" will man nach dem ersten Versuchsballon im März auch künftig weitere Kurse nur für Frauen anbieten.

Und Barbara Schwara wird in ihrer Fahrschule Michelbeuern auch Technikkurse nur für Frauen anbieten. Am 23. April geht das "Auto Technik Café" erstmals über die Bühne. Die Themen: Reifenwechsel zum Beispiel oder das Anlegen von Schneeketten. "Damit man im Fall des Falles nicht von einem Retter abhängig ist." (Franziska Zoidl, 8.4.2022)