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Warteschlange vor einer Bank in Moskau. Finanzielle Nöte haben vor allem Arbeitsmigranten.

Foto: AP/Victor Berzkin

Sie schuften auf Baustellen, bedienen in Läden und Restaurants, liefern per Fahrrad die Pizza: eine Schattenarmee von Arbeitskräften, ohne die in Moskau oder Sankt Petersburg nichts gehen würde. Die Arbeitsmigranten und Saisonarbeiter bekommen Billiglohn oder schmale Umsatzbeteiligung, leben in winzigen Zimmern abbruchreifer Häuser – und schicken Geld nach Hause. Denn viele kommen aus den bettelarmen Ländern Zentralasiens. Dort würden sie noch weniger verdienen, schließlich ist der Arbeitslohn in Russland rund elfmal so hoch wie in den zentralasiatischen Ländern.

Für die einen, die es sich leisten können, sind russische Großstädte ein Eldorado der Dienstleistung. Lieferungen rund um die Uhr, auch an Sonn- und Feiertagen. Alles ist immer verfügbar. Und die anderen? Ulan zum Beispiel arbeitet in einem Geschäft in Moskau. Er kommt aus Kirgisistan, schickt regelmäßig Geld nach Hause. "Wir haben es vorher schon kaum geschafft", sagt er von sich und seinen Landsleuten.

"Alles wird teurer"

Regelmäßig tauschen sie sich in Internetforen aus. "Jetzt müssen wir über die Runden kommen." Alles wird teurer, viele Geschäfte schließen wegen der Sanktionen gegen Russland. "Bei diesen Preisen kann ich das Geld nicht mehr wie früher an meine Eltern senden. Ich weiß nicht, wovon sie leben werden."

Steigende Lebenshaltungskosten in Russland, der Verfall des Rubelkurses in ihren Heimatländern: Millionen Arbeitsmigranten aus Zentralasien sind davon betroffen. Laut dem Nachrichtenportal Novastan.org sind zwischen Jänner und September vergangenen Jahres allein aus Tadschikistan rund zwei Millionen Menschen nach Russland gekommen. Das sind 20 Prozent der Gesamtbevölkerung. Ihre Familien in der Heimat leben von dem, was sie in Russland verdienen.

Teure Flüge in die Heimat

Zum Rubelverfall kommen die seit Beginn der sogenannten "Militäroperation" stark gestiegenen Flugkosten. Viele Billigairlines haben den Betrieb wegen der Sanktionen derzeit eingeschränkt, damit bleiben teure Linienflüge. "Viele Arbeitsmigranten sind damit konfrontiert, dass fast alle Flüge gestrichen wurden", sagt Schamil Tagijew, der Vorsitzende der aserbaidschanischen Gemeinde in Moskau. "Und die Flüge, die es noch gibt, sind sehr teuer geworden. Für Saisonarbeiter sind 30.000 bis 200.000 Rubel pro Ticket eine unfassbare Summe." Je nach Flug wären das umgerechnet zwischen 300 und 2.000 Euro – unbezahlbar für die Arbeitsmigranten.

Zusätzlich hält Ausländerfeindlichkeit weitere Schikanen für sie bereit. Neuerdings müssen sich Ausländer in Russland regelmäßig medizinisch untersuchen lassen. Der Drogen- und Aids-Test, die Röntgenuntersuchung auf Tuberkulose, der Medizincheck, all das kostet rund 50 Euro. Viel Geld für Menschen, die von 200 bis 300 Euro im Monat leben müssen und auch noch ihre Familien in der Heimat ernähren wollen. Wer den Test verweigert, dem droht der Entzug der Arbeitserlaubnis.

Urlaub ohne Bezahlung

Ulan aus Kirgisistan sagt, viele seiner Kollegen seien in Panik und diskutierten darüber, ob sie wegen der Sanktionen überhaupt Geldtransfers nach Hause über russische Banken durchführen könnten. Zudem gebe es Arbeitsmigranten, die noch größere Probleme hätten, so Ulan: "Einige meiner Landsleute haben geschrieben, dass ihre Arbeitgeber sie ohne Bezahlung in den Urlaub geschickt haben, weil ihre Unternehmen wegen der Sanktionen geschlossen sind." (red, 8.4.2022)