In Berlin gibt es bereits ein Denkmal für die in der NS-Zeit ermordeten Volksgruppen. Auch die österreichische Hauptstadt soll nun eines bekommen.

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Zwischen 4.000 und 5.000 Roma und Sinti wurden in Österreich während der NS-Diktatur ermordet. Einen würdigen Ort des Gedenkens für sie gibt es aber 77 Jahre nach dem Ende des Naziterrors immer noch nicht. Das soll sich nun endlich ändern. Am Donnerstag, am Vorabend des internationalen Tages der Roma, wurde bei einer Feier im Parlament ein in den letzten Monaten erarbeiteter Forderungskatalog verschiedener österreichischer Roma- und Sinti-Gruppen übergeben.

In einem Jahr, am 8. April 2023, soll der Welt-Roma-Tag bereits bei einem bestehenden Mahnmal mitten in Wien stattfinden. Jedenfalls wenn es nach der Nationalratsabgeordneten der Grünen und Gedenkpolitik-Sprecherin Eva Blimlinger geht. "Es ist jetzt zu einer Einigung zwischen allen Gruppen gekommen, was auch den Studierenden, die das in die Hand genommen haben, zu verdanken ist", sagt Blimlinger im Gespräch mit dem STANDARD. Konkret habe die Roma Volkshochschule Burgenland mit Gilda Horvath wesentlich zum Gelingen beigetragen, sagt Andreas Lehner, der die Forderungen für die Volksgruppen übergeben hat, dem STANDARD. Auch die Hochschülerschaft Österreichischer Roma und Romnja (HÖR) unterstützt das Vorhaben.

Wichtig war allen Beteiligten, dass es ein zentraler Ort in der Bundeshauptstadt ist, im Gespräch waren etwa der Platz der Menschenrechte oder der Ceija-Stojka-Platz im siebenten, der Dr.-Karl-Lueger-Platz im ersten und das Alte AKH im neunten Bezirk.

Favorisierter Standort

Das Alte AKH wird von Blimlinger, die die Initiative mit ihrer Parteikollegin, der Parlamentarierin Olga Voglauer, unterstützt, klar favorisiert. Denn dieser Ort sei nicht nur in der Nähe der erst vor einigen Monaten errichteten Namensmauer zur Erinnerung an die jüdischen Opfer des Holocaust, der Innenhof des Alten AKH sei auch ein geschützter Ort für ein interaktives Denkmal, wie es von den Volksgruppen gewünscht wird. Es soll ein Ort der Begegnung und Weiterbildung sein, ein Ort, an dem man nicht ausschließlich der Vergangenheit gedenkt, sondern auch aktiv Antiziganismus in der Gegenwart bekämpfen kann.

"Ich kann mir auch QR-Codes vorstellen, die ins Netz zu Videos und Infos führen", sagt Blimlinger. Als Sprachen sollten neben Romanes und Deutsch auch die der anderen Volksgruppen, also Kroatisch und Slowenisch, verwendet werden.

Eine Bespielung des Gedenkorts auch im virtuellen Raum hätte auch den Vorteil, dass man Opfernamen, die noch bekannt würden, ergänzen könnte. Denn Namenstafeln sind im Falle der Roma und Sinti schwierig zu erstellen und wären jedenfalls unvollständig. "Das liegt daran, dass Deportationslisten verloren gegangen sind", erklärt die Historikerin Blimlinger, die selbst 1998 bis 2004 Teil der Historikerkommission der Republik war, "außerdem waren viele nicht sesshaft und uns fehlen Meldedaten."

Würde man im Zuge von Forschungen noch auf weitere Namen stoßen, könnte man sie virtuell nachreichen, das sei "schwieriger, wenn das in Stein gemeißelt ist", sagt Blimlinger. Sie sieht die Chancen dafür, dass nach der Übergabe der Forderungen am Donnerstag die Finanzierung durch Bund und Stadt Wien schnell aufgestellt wird, als sehr gut. "Es gibt mittlerweile bei allen politischen Parteien ein Bekenntnis zum Mahnmal", sagt die Politikerin, auch beim Koalitionspartner, sei sie sich sicher: "Der Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka ist hier sehr unterstützend."

Jury mit Volksgruppen

Für die künstlerische Umsetzung des Mahnmals soll ein Wettbewerb ausgeschrieben werden, dessen Jury zur Hälfte von Fachleuten und zur Hälfte von Volksgruppenvertretern besetzt sein wird.

Etwa 3.000 der Roma und Sinti wurden am 2. August 1944 im Vernichtungslager Auschwitz getötet. Die Europa-Abgeordneten Lukas Mandl (ÖVP) und Andreas Schieder (SPÖ) empfehlen am Donnerstag in einer gemeinsamen Aussendung, den 2. August deshalb künftig auch in Österreich zum Gedenktag für die in der NS-Zeit ermordeten Roma und Sinti zu erklären.

Wenn auch nicht alle Namen der verfolgten und getöteten Frauen, Männer und Kinder bekannt sind, die Gräueltaten, die die Nazis ihnen antaten, haben einen Namen: der Porajmos, was auf Romanes "das Verschlingen" bedeutet. (Colette M. Schmidt, 7.4.2022)