Seitdem die Nachrichten immer mehr zur Unterhaltung werden, haben Unterhalter es auf sich genommen, Nachrichten zu überbringen. Im düsteren Amerika der Bush-Jahre gab es keine Fernsehsendung, die sich so sehr der Wahrheit verschrieben hatte wie die Late Show des Comedians Jon Stewart, dessen Markenzeichen eine bemerkenswerte Abwesenheit von Zynismus war. Stewart hatte Haltung, er hatte Meinungen, und wenn etwas seinen Ärger erregte, dann ließ er die Zuschauer an diesem Ärger teilhaben; die Wut nährte seinen Witz, und der Witz gab seiner Wut erst Schärfe.

Satirische Spurensuche: Investigativkabarettist Scheuba.
Foto: Christian Heredia

In Jon Stewarts Sendung lernte eine Gruppe junger Leute ein Handwerk, das man journalistische Comedy nennen könnte – unter anderem Stephen Colbert, John Oliver und Trevor Noah, die dann in den noch dunkleren Trump-Jahren aus ihren Fernsehsendungen den politischen Wahnsinn, der sich Tag für Tag ereignete, kommentierend, deutend und informierend begleiteten. Als am 6. Jänner 2021 ein von Trump aufgestachelter Mob das Kongressgebäude stürmte, zögerte Colbert in seiner Spätabendsendung nicht, den damals immerhin noch amtierenden Präsidenten einen Faschisten zu nennen. John Oliver wiederum treibt in Last Week Tonight die Vermischung von Information, Kommentar und Unterhaltung jede Woche weiter, als man es je für möglich gehalten hätte: Über zwanzig Minuten spricht er über so obskure Themen wie das Postwesen oder das Elektrizitätsnetz – und tut es mit solcher Verve und Komik, dass all das unter seiner Hand gesellschaftlich relevant und wichtig wird. Dennoch ist Last Week Tonight natürlich eine sehr lustige Sendung – es waltet darin die spezifische Komik der Klarheit, eine Intelligenzanreicherung des scheinbar banalen Materials, die einen daran erinnert, dass im Deutsch des 19. Jahrhunderts das Wort "Witz" noch ein Synonym für Geist war.

Ein nie versagendes Gedächtnis

Zu diesen Aufklärer-Kabarettisten und journalistischen Comedians gehört auch Florian Scheuba. In Amerika gibt es mehrere wie ihn, in Österreich hat er nicht seinesgleichen. Dass Scheuba witzig ist, ist selbstverständlich – wäre es anders, er wäre nicht seit Jahrzehnten erfolgreich in seinem Beruf. Seine Hauptwaffe aber ist ein nie versagendes Gedächtnis. Was der Rest des Landes vergessen oder verdrängt hat, Scheuba weiß es noch genau, und zwar nicht nur von den Spitzen des Staates, sondern noch vom kleinsten Lokalpolitiker. Er studiert eben nicht bloß Medien und Meldungen, sondern auch Akten. Und diese werden in seinen Händen zur Mordwaffe. Scheuba ist ein Mann der Aufklärung durch und durch. Nichts provoziert ihn so sehr wie Dummheit, speziell in Gestalt von Amuletten, lebendem Wasser, Homöopathie und alternativer Medizin.

Multimediale Analyse

Durch das Debakel der Covid-Impfgegnerschaft haben wir alle gelernt, dass die Duldsamkeit gegenüber Mumpitz mehr Unheil verschuldet hat, als wir uns zuvor klargemacht haben; Scheuba aber, immerhin Erfinder des Ausdrucks "Esoterik-Verharmlosung", wusste es schon lang und hat es uns immer wieder erklärt. Hätten wir ihm doch früher zugehört! Und doch hat seine Kunst der multimedialen Gegenwartsanalyse in all ihren unterschiedlichen Ausformungen – Bühne, Podcast, Fernsehen, Glosse – nichts Pädagogisches. Manche Kabarettisten halten dem Publikum lehrhafte Vorträge, zu ihnen gehört Scheuba nicht, obgleich man aus seinem Vortrag viel lernt. Er ist ein perfekter Stimmenimitator, im wörtlichen wie im übertragenen Sinn; er bildet das Seelenleben und die oft armselige Intelligenz seiner Objekte in der einfühlenden Parodie so nach, dass daraus die lebendigsten, komischsten Miniaturen entstehen.

Florian Scheuba, "Wenn das in die Hose geht, sind wir hin". € 18,– / 160 Seiten. Zsolnay-Verlag, 2022

Aber erst die Lektüre macht offenbar, wie fein Scheubas Texte gearbeitet sind. Es ist für die Arbeit eines Kabarettisten nicht zwingend notwendig, dass man auch beim Lesen laut lacht. Ein Qualitätskriterium ist es allemal. Wer dieses Buch liest, wird Österreich sehr genau kennenlernen, das ist unvermeidlich. Wer dieses Buch liest, wird zornig werden, auch das ist schwer zu vermeiden, es ist auch erwünscht. Wer es liest, wird viel lachen und ist daher zu beneiden; nicht zu beneiden ist, wer darin vorkommt, doch von Scheuba bemerkt zu werden ist eine Strafe, die noch keinen unverdient getroffen hat. Die Phrase, dass groteske Zeiten den Kabarettisten die Arbeit schwermachen, war ja nie korrekt; gute Kabarettisten gedeihen in absurden Zeiten, und die Gesellschaft braucht sie mehr denn je. So gestaltet sich nun einmal das Paradoxon des politischen Kabaretts: Natürlich sind wir entsetzt über die Skandale und Katastrophen, aber ein wenig freuen wir uns auch auf das, was die Kabarettisten diesem Material abgewinnen werden. Länder, in denen es mit rechten Dingen zugeht, haben gute Lebensqualität, aber schwaches Kabarett. Österreich hat phänomenales Kabarett. Österreich hat Florian Scheuba. (Daniel Kehlmann, 9.4.2022)