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Weniger Arbeit, mehr Freizeit: Es sind besonders junge Menschen, die sich nach einer anderen Work-Life-Balance sehnen.

Foto: Getty Images/Oleh Slobodeniuk

Arbeiten, nur um eine Arbeit zu haben oder Geld zu verdienen – das wollen vor allem junge Menschen nicht mehr länger tun. Insbesondere seit der Pandemie scheinen viele ihre Ansprüche an ihren Job überdacht zu haben: lieber weniger, dafür sinnvolleren Tätigkeiten nachgehen und mehr Privatleben haben, lautet der Wunsch vieler. Hinzu kommt, dass auch die Anforderungen in einigen Berufen, etwa in der Pflege, im Handel oder in der Bildung, in den vergangenen Jahren gestiegen sind: Arbeitnehmer mussten oft mit einem höheren Zeitdruck, ständiger Verfügbarkeit und höheren Anforderungen an die Arbeitsleistung umgehen.

In den USA wird diese Entwicklung bereits mit dem Begriff der "Great Resignation" benannt. Statt sich weiter abzurackern, haben dort innerhalb eines Jahres 30 Millionen Menschen einfach ihren Job gekündigt. Zugleich fällt es Arbeitgebern immer schwerer, für bestimmte Jobangebote überhaupt Bewerberinnen zu finden. Die Arbeitszufriedenheit ist in vielen Branchen auf einem Tiefpunkt angekommen – auch hierzulande, wie Studien zeigen.

Andere Prioritäten

Angetrieben wird der Exodus vor allem von den sogenannten Millennials und Post-Millennials, also Menschen zwischen 18 und 34 Jahren – jenen Generationen also, die eines Tages die Zukunft der Arbeit entscheidend mitbestimmen werden. Wie sehr sich deren Prioritäten gegenüber ihrer Elter- und Großelterngeneration verändert haben, zeigt nun auch eine neue Studie des Personaldienstleisters Randstad, für die 35.000 Beschäftigte aus 34 Ländern, darunter auch Österreich, zu ihren Arbeitsvorstellungen und Jobprioritäten befragt wurden.

Das Ergebnis: Mehr als die Hälfte aller Beschäftigten zwischen 18 und 24 Jahren gaben an, dass sie ihren Job kündigen würden, wenn sie dieser unglücklich macht, 40 Prozent wären sogar lieber arbeitslos als unzufrieden im Job. Unter den Millennials, also den 25- bis 34-Jährigen, sind 38 Prozent lieber arbeitslos als unglücklich im Job. Zum Vergleich: Von den über 50-Jährigen würde nur jeder Vierte Arbeitslosigkeit Unzufriedenheit im Job vorziehen.

Job, der zu Werten passt

Auch Werte spielen in der jüngeren Generation eine größere Rolle. Laut der Studie gab knapp die Hälfte der unter 35-Jährigen an, dass sie keinen Job eines Unternehmens annehmen würden, in dem Diversität und Gleichberechtigung nicht gefördert werden. Ebenfalls 50 Prozent wiederum würden keine Arbeit wählen, die nicht zu ihren sozialen und ökologischen Werten passt.

Auch die Flexibilität spielt spätestens seit Corona eine größere Rolle. Mehr als drei Viertel der Befragten gaben an, dass ihnen flexible Arbeitszeiten und Arbeitsorte extrem wichtig sind. Etwa ein Drittel der unter 35-Jährigen würde sogar kündigen, wenn diese Flexibilität im Job nicht gegeben ist. Das Problem: Weniger als die Hälfte der Beschäftigten hat laut Studie derzeit die Auswahl, ihren Arbeitsplatz frei zu wählen, zwei von fünf Beschäftigten können zudem ihre Arbeitszeiten nicht flexibel gestalten. Für die Studienautoren könnte dies bedeuten, dass die "Great Resignation" wohl auch in Zukunft weiter andauern könnte.

Arbeit trotzdem wichtig

Dabei ist es nicht so, dass der jungen Generation Arbeit nicht wichtig wäre. Laut Studie geben sogar durchschnittlich mehr junge Beschäftigte im Vergleich zu älteren Arbeitnehmern an, dass ihnen die Arbeit wichtig ist. Nur sollte der Job eben noch besser zu dem eigenen Privatleben, den Werten und Lebensvorstellungen passen, so der Wunsch. Voller Einsatz – aber nur bei voller Überzeugung und Sinnstiftung, lautet das Motto.

Welche Folgen hat all das für die Arbeitswelt der Zukunft? Einige argumentieren, dass es bald zu einer Machtverschiebung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern kommen könnte. Finden sich durch die andauernde "Great Resignation" immer weniger Arbeitssuchende für einen bestimmten Job, erhöht sich deren Verhandlungsmacht gegenüber den Arbeitgebern. Möglicherweise können sie dann auch Gehalt, Arbeitsbedingungen und flexible Arbeitszeitmodelle besser zu ihren Gunsten ausverhandeln.

Fehlendes Personal

Zugleich stellt sich die Frage, ob sich für bestimmte Berufsgruppen künftig überhaupt noch genug Arbeitnehmerinnen finden werden. In der Pflege gibt es schon jetzt vielerorts einen Personalmangel, und auch im Handel, im Tourismus und in der Gastronomie klagen Betriebe in regelmäßigen Abständen über fehlendes Personal.

Die Autoren der Randstad-Studie sehen dabei aber vor allem auch die Arbeitgeber selbst in der Pflicht. Diese müssten in Zukunft jene Bedingungen schaffen, die Mitarbeiter auch weiterhin in den Unternehmen halten: darunter bessere Möglichkeiten, sich Arbeitszeiten flexibler einzuteilen, Fort- und Weiterbildungsangebote, höheres Gehalt, mehr Anerkennung und vor allem Tätigkeiten, die auch sinnstiftend sind.

Weg zur Viertagewoche

Einige Betriebe glauben, sich bereits auf der Gewinnerseite zu befinden, indem sie in den vergangenen Monaten und Jahren etwa die Viertagewoche und 30-Stunden-Woche eingeführt haben. Nachdem es zunächst vor allem IT-Dienstleister waren, die mit dieser Idee experimentierten, ist das Konzept nun auch in der Produktion und im Handel angekommen. In wie vielen Branchen sich diese dann aber tatsächlich umsetzen lässt, wird sich wohl erst in den nächsten Jahren zeigen. Und auch mit neuen, individuell anpassbaren Arbeitszeitkonten wird vielerorts experimentiert.

Langsam, aber sicher scheinen einige Betriebe aber auch wieder zu einer Situation zurückkommen zu wollen, die jener vor der Pandemie gleicht: mit Anwesenheitspflichten vor Ort und fixen Arbeitszeiten. Wenngleich sich auch viele Arbeitnehmerinnen genau diese Bedingungen wünschen, hat sich der generelle Wandel, welche Rolle der Beruf im Leben spielen soll, für die jüngere Generation wohl bereits nachhaltig etabliert, sagen viele Experten. An den neuen Wünschen und Werten wird die Arbeitswelt deshalb wohl kaum vorbeikommen. Vor allem dann nicht, wenn aus den jungen Arbeitnehmerinnen von heute bereits die neuen Arbeitgeber von morgen geworden sind. (Jakob Pallinger, 10.4.2022)