Um auch die jüngeren Leserinnen und Leser einzuweihen: Das ist ein Gerät, mit dem man ein Telefaksimile vulgo Fax versenden kann. Diese Fernkopien spielen eine wichtige Rolle in einem Prozess um Betriebsspionage.

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Wien – Dreieinhalb Jahre war Herr Z. Finanzchef eines heimischen Unternehmens, das auf dem Gebiet von Musikinstrumenten tätig ist. Am 26. November 2020 wurde sein Dienstverhältnis einvernehmlich aufgelöst – und am selben Abend soll er per Fax dem schärfsten Mitbewerber Betriebsgeheimnisse verraten und gegen Bezahlung weitere versprochen haben. Weshalb sich der 57-Jährige nun mit einer Anklage wegen des selten verhandelten Delikts "Auskundschaftung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses zugunsten des Auslands" vor Richterin Katharina Bogner wiederfindet.

Der unbescholtene Angestellte bekennt sich mit dem Brustton der Überzeugung nicht schuldig. Und er zeichnet kein sonderlich gutes Bild seines früheren Arbeitsplatzes: Es habe ein "Klima der wechselseitigen Vernaderung und Eifersüchteleien" geherrscht, erzählt er, einzelne Abteilungen der Firma seien einander spinnefeind gewesen. "Es war für mich eigentlich eine Erlösung", begründet er, warum er kein Problem mit dem Dienstende hatte. Dass er auf Anordnung der Chefinnenetage während der Pandemie 150 Menschen in Kurzarbeit schicken musste, erkläre, dass "man nicht nur Freunde im Unternehmen" habe, sagt der Angeklagte, der von einer Intrige gegen ihn ausgeht.

Privates Konto bei Internet-Faxanbieter

Z. erzählt die Geschichte so: Am Vormittag seines letzten Arbeitstages habe er sein Diensthandy und seinen Laptop zurückgegeben und der IT-Leiterin auch sein Passwort verraten, damit diese den tragbaren Computer zurücksetzen kann. Da er Corona-bedingt auch im Homeoffice gearbeitet habe, seien im Passwortsafe des Internetbrowsers auch seine Zugangsdaten für privat genutzte Seiten gespeichert gewesen. Unter anderem jenes für einen Anbieter zur Versendung von Telefaksimile via Internet.

Über diesen Anbieter sollen nun zwei Faxe an die Konkurrenz gegangen sein: eines am Abend des 26. November, das zweite Anfang Dezember. Dem ersten Schreiben waren die Absatzzahlen eines bestimmten Produkts für die Jahre 2013 bis 2019 beigefügt. "Die haben null Wert", behauptet der Angeklagte auf eine Frage der Richterin, über Großhändler könne man die Zahlen ziemlich genau schätzen.

Geheimnummer auf Nachricht eingetragen

Was ihn nun belastet: Auf dem ersten Fax war in einem Feld seine private telefonische Geheimnummer eingetragen. Im zweiten Schreiben fand sich eine nicht existente Durchwahl der Firma. Für Z. ist klar, dass er hereingelegt werden sollte: Denn die Geheimnummer sei in einem Feld gestanden, in das man nach eigenem Gutdünken Text einfügen konnte. Und in der Buchhaltung sei seine Telefonnummer bekannt gewesen.

Noch etwas kommt der durch Yannick Shetty und Bettina Sommer vertretenen Staatsanwaltschaft seltsam vor. Denn am 14. Jänner 2021, einen oder zwei Tage nachdem Z. fristlos entlassen worden war, wurde sein Konto bei dem Faxanbieter gelöscht und wenige Sekunden später neu angelegt. "Das habe ich gemacht, da ich befürchtet habe, gehackt worden zu sein", begründet der Angeklagte die Maßnahme. Er vermutet sogar, dass die inkriminierten Nachrichten gar nicht über seinen Anbieter versandt worden seien, da die Header anders aussehen würden. Selbst wenn es doch so gewesen sei, müsse jemand in der Firma seine privaten Passwörter ausgelesen haben, lautet sein Verdacht.

Kontozugriff nach Rückgabe des Laptops

Er und sein Verteidiger Ernst Schillhammer meinen auch, einen Beweis dafür zu haben. Private IT-Forensiker hätten festgestellt, dass auf sein Browser-Konto nach Rückgabe des Laptops noch von Geräten im Firmennetzwerk zugegriffen worden sei. Als er diese Erkenntnis beim von ihm angestrengten Arbeitsrechtsprozesses gegen die fristlose Entlassung vorgelegt habe, sei die Vertreterin des Unternehmens überraschend schnell zu einem Vergleich bereit gewesen.

Die Geschäftsführerin des Mitbewerbers wird per Zoom-Konferenz im Ausland einvernommen, was – für das Landesgericht überraschenderweise – technisch klaglos funktioniert. Sie sagt, sie habe den Angeklagten nicht gekannt, die Informationen in den Faxnachrichten seien aber durchaus brisant gewesen. Sie habe daher sofort den Mitbewerber per Brief und die Polizei informiert, so kam die Angelegenheit ins Rollen.

Als zweite Zeugin wird die IT-Leiterin des betroffenen Unternehmens befragt. Sie widerspricht dem Angeklagten: Es sei eine "Policy", dass der Passwortspeicher im Browser deaktiviert sei. Es könnten also auf Z.s Firmenlaptop gar keine Zugriffsdaten gespeichert gewesen sein. Der Angeklagte widerspricht: Ein früherer Mitarbeiter der Computerabteilung habe ihm das auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin freigeschaltet, da Z. Testaccounts für den Webshop der Firma angelegt hatte und sich nicht 20 unterschiedliche Passwörter merken wollte.

Weiblicher IT-Fachmann

Die junge Zeugin, die von Richterin Bogner bei einer Gelegenheit interessanterweise als "IT-Fachmann" angesprochen wird, beteuert, sie habe den Laptop am 26. November 2020 in den nur ihr zugänglichen Safe gelegt und einige Zeit später zurückgesetzt. Ob von anderen Computern im Netzwerk auf den Browser des Angeklagten zugegriffen worden sei, kann sie nicht sagen. Sie erinnert sich aber, dass bei internen Recherchen nach Bekanntwerden der Causa die auf dem ersten Fax angegebene Nummer angerufen worden sei, da habe der Angeklagte abgehoben.

Die Richterin vertagt schließlich auf unbestimmte Zeit – sie will auf jeden Fall einen Mitarbeiter des Faxanbieters zur Sache hören, ob auch der ehemalige IT-Mitarbeiter, der angeblich die Passwortspeicherung für Z. freigeschaltet hat, und ein vom Verteidiger beantragtes Sachverständigengutachten nötig sind, will sich Bogner noch überlegen. (Michael Möseneder, 8.4.2022)