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In den vergangenen zwei Wochen wurden in Israel mehrere tödliche Attentate verübt.

Foto: AP/Oded Balilty

Die Ilka-Bar in Tel Aviv galt bis vor kurzem als ein beliebtes Lokal für lange Nächte. Nun verbindet man den Namen mit Blut, Scherben und den Porträtfotos von Eytam Magini und Tomer Morad, deren Leben am Donnerstag nach 27 Jahren endeten. Ein 28-Jähriger Palästinenser aus Dschenin hatte vor der Bar seine Waffe gezogen und wahllos in die Menge geschossen. Magini hätte in einem Monat heiraten sollen. Statt einer Hochzeit gibt es nun ein Begräbnis. Am Freitag erlag ein weiteres Opfer seinen Verletzungen: Ein 35-jähriger Vater von drei Kindern, teilte das Ichilov-Krankenhaus am Freitag mit.

Das Schussattentat in Tel Aviv, das sich nach neun Uhr abends ereignete und bei dem auch mehrere Menschen teils lebensbedrohlich verletzt wurden, ist der vierte große Anschlag in nur 16 Tagen. Und wohl auch jener mit der stärksten Symbolkraft. "Tel Aviv ist ein besonders sensibler Ort", sagt Kobi Michael vom Institut für Nationale Sicherheitsstudien (INSS) in Tel Aviv. Die Stadt stehe für Normalität inmitten eines Landes im permanenten Ausnahmezustand. Anderswo wird gebetet und gekämpft, in Tel Aviv wird gefeiert. Und das ganz besonders gern am Donnerstag auf der Dizengoffstraße. Es ist also kein Zufall, dass der Anschlag sich genau hier und zu diesem Zeitpunkt ereignete.

Sicherheitskräfte erschossen Attentäter

Der Terrorist sei aufgespürt und getötet worden, teilte der Inlandsgeheimdienst Shin Bet am frühen Freitagmorgen mit. Der Geheimdienst hält es aber für unwahrscheinlich, dass der Attentäter allein handelte. Mindestens ein Komplize soll ihm geholfen haben, die gut bewachte Grenze zu Israel illegal zu übertreten, eine Waffe zu besorgen und vor der Tat unentdeckt zu bleiben.

Die israelischen Sicherheitskräfte nahmen bereits am Vormittag des Freitag hunderte Palästinenser fest. "Wir werden siegen", sagte Premierminister Naftali Bennett in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Verteidigungsminister Benny Gantz und Sicherheitsminister Omer Bar-Lev. Zugleich warnte Bennett vor Panikmache. Er rief die Medien dazu auf, die Ereignisse nicht zu skandalisieren: "Das ist keine Reality-Show."

Diesen Eindruck konnte man aber gewinnen, wenn man in den Stunden nach dem Attentat israelisches Fernsehen verfolgte. Der Attentäter war noch auf freiem Fuß, in einer gigantischen Suchaktion versuchten Polizei und Armee, ihn aufzuspüren – und Kameraleute begleiteten sie dabei. Dass das ganze Land live zuschauen konnte, wie die Sondereinheiten der Polizei ihre Einsatztaktik anlegen, sorgte am Tag nach dem Anschlag für eine hitzige Debatte über Medienethik.

Attentäter für manche ein Freiheitskämpfer, für andere ein Verbrecher

In diversen Städten im palästinensischen Westjordanland gingen derweil junge Männer auf die Straße, um den in den Morgenstunden gefassten und erschossenen Attentäter von Tel Aviv als Held zu feiern. Der Vater des Täters, ein pensionierter General der palästinensischen Sicherheitskräfte, ließ sich Freitagmorgen dabei filmen, wie er das Verbrechen seines toten Sohnes als Beitrag zum palästinensischen Befreiungskampf rühmte.

Palästinenserpräsident Machmud Abbas distanzierte sich hingegen von der Gewalt, warnte aber auch vor Vergeltungsschlägen gegen Palästinenser. Diese würden nur in weitere Gewalt münden.

Von manchen scheint dies ausdrücklich erwünscht zu sein. Einzelne Gruppen jener gläubigen Muslime, die am ersten Freitag des Fastenmonats Ramadan die Al-Aksa-Moschee in Jerusalem besuchten, taten sich mit hetzerischen Sprechchören hervor. Sie riefen die radikalislamische Hamas auf, Israel erneut mit Raketen zu beschießen. Den Palästinenserpräsidenten verunglimpften sie als "Spion des Besatzers", also Israels.

Die israelische Regierung nahm das Attentat nicht zum Anlass, um die Grenzen dicht zu machen. Im Ramadan reisen besonders viele Palästinenser aus dem Westjordanland nach Jerusalem, um in der Al-Aksa-Moschee zu beten. (Maria Sterkl aus Tel Aviv, 8.4.2022)