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Marokkos König Mohamed VI. (Mitte) und Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez (2. v. li.) beim gemeinsamen Mahl.

Foto: AP / Moroccan Royal Palace

Die Befreiungsbewegung für die ehemalige spanische Kolonie Westsahara, Frente Polisario, bricht mit Madrid. Die Organisation, die in den sahrauischen Flüchtlingslagern im südwestalgerischen Tindouf eine Exilregierung für die seit 1975 von Marokko besetzten Gebiete in Afrika, direkt gegenüber der Kanarischen Inseln, unterhält, reagiert damit auf einen Richtungswechsel in der spanischen Außenpolitik durch den sozialistischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez.

Sánchez schrieb im März in einem Brief an Marokkos König Mohamed VI. überraschend, dass die von Marokko 2007 angebotene Autonomie für die Westsahara "die seriöseste, realistischste und glaubwürdigste Grundlage zur Lösung des Streits" sei. Daraufhin wurde er am Donnerstag von Mohamed VI. nach Rabat eingeladen. Bei einer gemeinsamen Suppe zum Fastenbrechen im Ramadan beschworen die beiden eine neue Ära in den bilateralen Beziehungen.

Bisher hatte sich Spanien immer hinter die Vereinten Nationen gestellt. Diese streben ein Referendum an, in dem die Sahrauis darüber entscheiden sollen, ob sie einen eigenen Staat gründen oder nicht. Das scheiterte seit über drei Jahrzehnten am Widerstand Marokkos.

"Tauschobjekt"

"Die Polisario-Front beschließt, ihre Kontakte mit der derzeitigen spanischen Regierung auszusetzen, bis sie davon ablässt, die Sache der Sahrauis als beschämendes Tauschobjekt und Entschädigung bei ihren Geschäften und Transaktionen mit den marokkanischen Besatzern zu instrumentalisieren", heißt es in dem Dokument, das auf Samstag in den befreiten Gebieten der Westsahara datiert ist. Die Polisario verlangt, dass sich Madrid wieder "an die Vorschriften des Völkerrechts hält, das sowohl das unveräußerliche Recht des sahrauischen Volkes auf Selbstbestimmung als auch die Achtung der international anerkannten Grenzen seines Territoriums verankert".

Die Polisario erinnert daran, dass Spanien nach internationalem Recht so lange Verwaltungshoheit für die Westsahara hat, bis diese ordnungsgemäß mit einem Referendum entkolonialisiert wird.

Marokko hatte seit über einem Jahr erheblich Druck auf Madrid ausgeübt, indem die Grenzpolizei immer wieder großzügig wegschaute, wenn tausende Flüchtlinge versuchten, die spanischen Exklaven in Nordafrika, Ceuta und Melilla, zu erreichen. Nicht nur Spanien sondern auch die USA und Deutschland haben sich der Linie Rabats angenähert.

Erklärungsbedarf

Sánchez hat nicht nur internationalen Erklärungsbedarf, was seinen Schwenk angeht. Auch zu Hause kann diesen kaum jemand nachvollziehen, geschweige denn unterstützen. Nur wenige Stunden vor Sánchez' Reise nach Rabat verabschiedete das spanische Parlament eine Erklärung, die die Polisario und deren Position unterstützt und einmal mehr ein Referendum im Rahmen der UN-Friedensbemühungen befürwortet.

Die Abstimmung spaltete die Regierung Sánchez. Während seine Sozialisten als Einzige dagegen stimmten, unterstützte der Koalitionspartner Unidas Podemos zusammen mit Parteien von ganz links bis hin zum konservativen Partido Popular die Resolution. Die rechtsextreme Vox und die rechtsliberalen Ciudadanos enthielten sich. (Reiner Wandler aus Madrid, 11.4.2022)