Karl Nehammer (links) mit Witali Klitschko, dem Bürgermeister von Kiew, und dessen Bruder Wladimir Klitschko.

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Ausgerechnet die "Bild"-Zeitung war es, die als Erste davon berichtete, dass Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) nach Russland reist. Ein Plan, der auch in Österreich für Irritation sorgt – zumal er offenbar eher im Alleingang des Kanzlers entstand. Wer wusste von Nehammers Plänen? Und was hat Kai Diekmann mit alledem zu tun?

Zumindest der Koalitionspartner war offenkundig nicht in die Pläne zu der Russland-Reise eingeweiht. Zumindest hinter vorgehaltener Hand sprechen ranghohe Grüne davon, die Neuigkeit aus den Medien – also aus der "Bild" – erfahren zu haben. Man geht auch davon aus, dass die Reise schon seit Tagen geplant worden sei.

Vizekanzler Werner Kogler gibt dem Ganzen aber zumindest eine Chance: "Unter der Voraussetzung, dass die Reise des österreichischen Bundeskanzlers innerhalb der Europäischen Union abgestimmt ist, könnte es einen Versuch wert sein", hieß es am Montag in einem Statement.

Andere Grüne sind da weniger begeistert. So twitterte deren außenpolitische Sprecherin Ewa Ernst-Dziedzic: "Nein, ich kann einen Besuch bei Putin nicht gutheißen. Das hat mit Diplomatie nichts zu tun." Spekuliert wurde auch, ob überhaupt der Bundespräsident in die diplomatisch heiklen Pläne eingeweiht wurde. DER STANDARD fragte diesbezüglich in der Hofburg nach, dort gibt man allerdings kein Statement ab.

ÖVP-"Bild"-Netzwerk

Die "Bild" wusste jedenfalls schon am Sonntagabend Bescheid und veröffentlichte dazu einen Artikel – in Österreich waren die Pläne zwar bereits Medien kommuniziert worden, man vereinbarte aber, diese erst am Montagvormittag zu veröffentlichen.

Deren Ex-Chefredakteur Kai Diekmann – er verließ 2017 den Springer-Verlag – war jedenfalls übers Wochenende mit Nehammer auf Reisen. Gemeinsam mit zahlreichen Journalisten und Journalistinnen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Kanzlers besuchte Nehammer den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Nur: Da Diekmann kein Journalist mehr ist, war unklar, warum er eigentlich dabei war.

Von der ÖVP heißt es dazu nun: "Kai Diekmann wurde vom Bundeskanzleramt angefragt, diese Reise aufgrund seiner Expertise in Bezug auf politisch internationale Reisen zu begleiten." Man verweist darauf, dass Diekmann Erfahrung mit Kriegsgebieten habe, außerdem habe man seine Nähe zu den Klitschko-Brüdern "als Vorteil gesehen". Außerdem heißt es: "Festzuhalten ist: Kai Diekmann hat für diese Begleitung kein Honorar erhalten und hat alle anfallenden Kosten selbst übernommen."

Das ist auch deshalb relevant, weil Diekmann über Umwege eine Beratungsfunktion für die ÖVP hat. Seine Agentur Storymachine hat, wie die ÖVP dem STANDARD bestätigt, einen Exklusivvertrag mit der Volkspartei und deren Parlamentsklub. Auf deren Mandat, so heißt es, kommuniziere Georg Streiter, Ex-Ressortleiter Politik der "Bild", für die ÖVP in Belangen des U-Ausschusses. Auf konkrete Vertragsdetails will die ÖVP auf Nachfrage nicht eingehen. Es gehe grundsätzlich um Beratung.

Kanzler will Brücken bauen, nicht inszenieren

Diekmann war für den STANDARD bisher nicht erreichbar. Laut ÖVP gibt er an, er habe von den Reiseplänen des Kanzlers gewusst, diese aber nicht an seine Ex-Kollegen weitergegeben. Bei einem Pressegespräch Sonntagnachmittag hatte Nehammer erklärt, dass die Initiative zur Moskau-Reise von ihm persönlich ausging. Die Idee sei ihm gekommen, als der Trip nach Kiew zum ukrainischen Präsidenten Selenskyj geplant wurde.

Als Kanzler eines neutralen Landes innerhalb der europäischen Union, so begründete es Nehammer, sehe er Chancen, als "Brückenbauer" und "redlicher Makler" vermitteln zu können. So habe Österreich eben mit der russischen Föderation Kontakt aufgenommen – und der sei prompt erwidert worden. Seitens Russlands sei "alles möglich" gewesen, sagte Nehammer im Vorfeld der Reise. Doch eine gemeinsame Pressekonferenz mit Wladimir Putin habe er abgelehnt. "Es geht bestimmt nicht um eine Inszenierung Österreichs", beteuerte der Kanzler. (Jan Michael Marchart, Katharina Mittelstaedt, Gabriele Scherndl, 11.4.2022)