Wind- und Sonnenkraft produziert zeitweilig hohe Stromüberschüsse. Ein Teil davon soll in Wärmespeicher fließen.

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Beim Umbau in Richtung grüne Energiesysteme stehen meist die Elektrizitätsnetze – und damit der Ausbau von Sonnen- und Windkraft – im Fokus. Letztendlich liegen die wohl aufwendigeren Umbauarbeiten aber im Bereich der Wärmeenergie.

Wie soll die Industrie wegkommen von ihrem Gas- und Ölhunger? Wie heizt man Hunderttausende Stadtwohnungen, die heute am Gasnetz hängen? Wie stellt man die Fernwärme vollständig auf erneuerbare Energie um? Angesichts der Erfordernis, sich aufgrund des Ukraine-Kriegs von Öl und Gas aus Russland unabhängig zu machen, stellen sich diese Fragen mit einer enormen Dringlichkeit.

In nichtfossilen Energiesystemen sind Energiespeicher zu Schlüsseltechnologien geworden. Sie vermitteln zwischen den dezentralen und zeitlich stark fluktuierenden Quellen und einer kontinuierlichen und ortsunabhängigen Nutzung.

Möchte man das gesamte Heizsystem einer Stadt aus erneuerbaren Energiequellen speisen, ergibt sich daraus auch ein besonderer Speicherbedarf: Thermische Energie sollte übers ganze Jahr hinweg aus Geothermie, Biomasseanlagen, Industrieabwärme oder Überschussstrom aus Wind und Sonnenkraft "gesammelt" werden, um im Winter zur Verfügung zu stehen. Diese saisonalen Speicher in Form großer unterirdischer Wasserbassins sollen in Zukunft auch Österreichs Fernwärmesysteme prägen.

Dänisches Vorbild

Ein Forschungsprojekt, das auf die Adaptierung dieser Speichertechnologie für die heimischen Gegebenheiten abzielt, wurde vergangene Woche bei der International Sustainable Energy Conference 2022 (ISEC) in Graz vorgestellt. Die Veranstaltung, die vom in Gleisdorf in der Steiermark angesiedelten Forschungsinstitut AEE Intec organisiert und unter anderem vom Klimaschutzministerium unterstützt wurde, versammelte Beiträge zu erneuerbaren Heiz- und Kühlsystemen für städtische und industrielle Energiesysteme. AEE Intec ist Mitglied des Forschungsnetzwerks Austrian Cooperative Research (ACR).

Zu den Zielen des präsentierten Klimafonds-Leitprojekts "gigaTES" gehörte es, neue Materialien zur Abdichtung zu entwickeln, lokale Grundwassergegebenheiten miteinzubeziehen und umsetzbare Architekturen für große Speichervolumina von bis zu zwei Millionen Kubikmetern zu finden, sagt Projektleiter Wim van Helden von AEE Intec. "Eines der Ziele war, die Oberfläche der Speicher so klein wie möglich zu halten, sodass die genutzte Landfläche gering bleibt", erklärt van Helden. "Die Grundstückspreise in Österreich sind höher als in Dänemark."

Veränderung in der Art der Einbindung

Der Verweis auf Dänemark kommt nicht von ungefähr. Das Land ist ein Pionier im Bereich der saisonalen Wärmespeicher. Hier begann man bereits in den 1990ern, erste Anlagen zu bauen. Mittlerweile gibt es eine Reihe an Speicheranlagen verschiedener Größe, mehrere befinden sich in Planungs- oder Bauphasen.

Dabei lässt sich auch eine Veränderung in der Art der Einbindung in die Energiesysteme beobachten. "Anfangs waren die Projekte dazu da, Energie lokaler Solarthermie-Anlagen zu speichern. Heute kommt die Energie aus verschiedenen Quellen – auch aus Biomasse oder Wärmepumpen, die von Überschussstrom angetrieben werden. Die Speicher werden nun dazu eingesetzt, Spitzenlasten eines Fernwärmesystems im Winter abzudecken", sagt van Helden.

In Österreich wollte man in Graz bereits vor Jahren mit einem großen Speicher, der ein Viertel des Wärmebedarfs der Stadt decken sollte, zu einem lokalen Vorreiter werden. Doch das Projekt kam nicht vom Fleck. Nach einem Wechsel des Konsortiums steckt man hier wieder in der Planungsphase.

Unterirdisches Happel-Stadion

Um einen Haushalt mit Heizwärme zu versorgen, braucht es ein Wasservolumen von etwa 100 Kubikmetern, für 20.000 Haushalte sind es also zwei Millionen. Um eine Stadt wie Wien aus Speichern zu versorgen, bräuchte es eine ganze Reihe sehr großer Speicheranlagen – mit jeweils einem Volumen, das jenem des Happel-Fußballstadions entspricht, rechnet van Helden vor.

Die Dimensionierung ist natürlich davon abhängig, welche Energiequellen vor Ort saisonal oder ganzjährig verfügbar sind. "Eine Herausforderung besteht auch in der Kombination mit älteren Fernwärmesystemen, die höhere Betriebstemperaturen erfordern als die 95 Grad, die saisonale Speicher erreichen", sagt der Forscher.

Eine Schwierigkeit im Vergleich zu den dänischen Vorbildern liegt auch im Umgang mit dem Grundwasser. "In Österreich muss man im Grundwasser bauen, weil der Spiegel höher ist", erklärt van Helden. "Man braucht Isolierungen oder andere Baumaßnahmen, die sicherstellen, dass das umliegende Grundwasser nicht erwärmt wird."

Neben Lösungsansätzen für dieses Problem wurden im Projekt auch neue Kunststoffe entwickelt, die die Speicher trotz der hohen Temperaturen auf 30 Jahre dicht halten – auch in Bezug auf Wasserdampf. Zwei Patente wurden für Deckenkonstruktionen angemeldet: Eines sieht eine "untergetauchte" Decke vor, sodass an der Oberfläche ein Teich entsteht, das andere beschreibt eine schwimmende Decke, die etwa Solarthermiepaneele aufnehmen könnte.

Erste Umsetzung geplant

Mittlerweile arbeitet das Team um van Helden an einer ersten Umsetzung der Projektergebnisse. Die Technologien werden zunächst an einem kleineren Speicher im Ausmaß von 40.000 Kubikmetern erprobt, bevor im nächsten Schritt tatsächlich ein ganzes Happel-Stadion im Boden versenkt wird.

Laut van Helden könnte ein solcher Großspeicher in fünf Jahren fertiggestellt sein. Sinnvoll ist das natürlich nur, wenn auch verschiedene erneuerbare Energiequellen bis dahin entsprechend erschlossen sind. Wind- und Sonnenkraft müssen etwa stark ausgebaut sein, um trotz steigenden Strombedarfs jene enormen Überschüsse zu produzieren, die sich hier per Wärmepumpen einspeisen lassen.

Wirtschaftlich sind die Speicher wie viele andere neue Energietechniken auf eine funktionierende CO2-Bepreisung angewiesen. Die Speicherkosten in einer groß dimensionierten Anlage wurden im Projekt mit 50 bis 93 Euro pro Megawattstunde errechnet. Vor ein paar Monaten lag man damit noch weit über dem Preis für eine entsprechende Menge Erdgas. Nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs liegt man nun deutlich darunter. (Alois Pumhösel, 14.4.2022)