Im Schnitt nimmt jeder Badehungrige nach einem Strandbesuch unabsichtlich 30 Gramm Sand mit in seine Unterkunft. Zur Hochsaison tummeln sich täglich gut 30.000 Menschen auf der Playa de Palma auf Mallorca. Am Ende der Saison hat der sechs Kilometer lange Strand allein dadurch 82 Tonnen Sand verloren.

Foto: imago images/Chris Emil Janßen

Man mag es durchaus glauben, wenn man daran zurückdenkt, wie viel davon man nach einem Strandurlaub schon in den Koffern mit nach Hause gebracht hat: Der Sand an den Küsten der Erde schwindet langsam. Laut UN-Umweltbehörde Unep ist Quarzsand wegen des globalen Baubooms gleich hinter Wasser der zweitmeistverbrauchte Rohstoff der Erde. Er wird unter anderem für die Herstellung von Glas, Solarzellen und Mikrochips benötigt. Der Verbrauch von Sand hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten auf schätzungsweise 50 Milliarden Tonnen pro Jahr verdreifacht– und die Nachfrage steigt exponentiell.

Wenn man an Bilder aus der Sahara oder von endlosen tropischen Stränden denkt, könnte man meinen, es gäbe für die nächsten Jahrtausende trotzdem genug davon. Tatsächlich aber ist nicht jeder Sand gleichermaßen geeignet, vor allem aber ist er keine schnell genug nachwachsende Ressource. Eine Verknappung zeichnet sich bereits ab, was mittlerweile auch dazu geführt hat, dass Sand illegal vom Meeresgrund gefördert wird – mit den entsprechenden ökologischen Folgen.

Kaum genutzte Alternative

Ein Team der Universitäten Genf und Queensland, Australien, hat nun einen Bericht vorgelegt, wonach aus Bergbauabfällen gewonnener Sand, sogenannter Erzsand, das Problem entschärfen könnte. Erzsand ist ein sandähnliches Material, das bei der Gewinnung von mineralischen Rohstoffen im Bergbau als Abfallprodukt entsteht. Laut dem Bericht fallen derzeit schätzungsweise 30 bis 60 Milliarden Tonnen Bergbauabfälle jährlich an, was diese zum größten Abfallstrom der Erde mache, so die Wissenschafter.

"Die Abtrennung und Wiederverwendung der sandähnlichen Materialien, bevor sie dem Abfallstrom zugeführt werden, würde nicht nur das Abfallvolumen erheblich reduzieren, sondern könnte auch eine nachhaltige Sandquelle schaffen", sagte Mitautor Daniel Franks. Die Forschenden untersuchten am Beispiel des brasilianischen Konzerns Vale das Potenzial von Erzsand.

Vermeintlicher Abfall

Vale ist einer der größten Eisenerzproduzenten der Welt. Er betreibt mehr als zwanzig Eisenerzminen in Brasilien, in denen jährlich Millionen von Tonnen Bergbauabfälle anfallen. In den Jahren 2015 und 2019 ereigneten sich tödliche Unglücke, als es zu Dammbrüchen bei Vale-Eisenerzminen kam. Als Reaktion auf die Katastrophen verschärfte die brasilianische Regierung die Vorschriften zur Entsorgung von Bergbauabfällen.

Für die Analyse zu Erzsand entnahmen die Forschenden Proben aus einer Eisenerzverarbeitungsanlage von Vale im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais. Sie wiesen nach, dass ein Teil des Materialstroms, der sonst als Müll enden würde, als Ersatz für Sand im Bausektor sowie in der Industrie verwendet werden könnte. Wenn sich diese Ergebnisse nicht nur auf Eisen-, sondern auch auf andere Mineralerze übertragen ließen, bestehe das Potenzial für eine erhebliche Verringerung der weltweiten Bergbauabfälle, so die Forschenden.

Ökobilanz

Punkto Ökobilanz zeigte sich, dass Erzsand potenziell zu einer Nettoreduktion der Kohlenstoffemissionen in der Sandproduktion führen könnte. Die Forschenden betonen jedoch, dass die Emissionen maßgeblich durch den Transport dominiert seien. Die Nähe und die Art des Transports von Erzsand-Produktionsstätten zu den Orten der Nachfrage spielen demnach eine wichtige Rolle hinsichtlich des Potenzials für den Klimaschutz.

Laut dem Bericht findet sich bei fast einem Drittel aller möglichen Abbaustätten für Erzsand im Umkreis von nur fünfzig Kilometern eine ausreichend hohe Nachfrage für Sand. Der Forscher Daniel Franks fügte hinzu, dass China potenziell eine Milliarde Tonnen seines Sandbedarfs mit Erzsand decken könnte.

Die Ergebnisse der Studie stellte das Team Anfang März auf der fünften Umweltversammlung der Vereinten Nationen (UNEA) vor, wie die Universität Genf festhielt. Eine neue Uno-Resolution fordert eine Stärkung der wissenschaftlichen, technischen und politischen Kenntnisse über Sand, um globale Strategien und Maßnahmen zur umweltgerechten Gewinnung und Nutzung der natürlichen Ressource zu unterstützen. (red, APA, 12.4.2022)