Esoterisch angehauchter "Polytheismus" vor lachsrosa Wänden: Werke von Elisabeth von Samsonow in Innsbruck.

Foto: Taxispalais Kunsthalle Tirol

Krieg, soziale Ungerechtigkeit, Klimakrise, Rassismus, patriarchale Gewalt und etliche andere Probleme legen nahe, dass es an der Zeit ist, unser Zusammenleben neu zu denken. Ob dieses Denken von esoterisch anmutender Malerei angeregt werden kann, die sich darin erschöpft, sehr bunt, sehr abstrakt und sehr großformatig zu sein, will man im Taxispalais als Besucherin allerdings bezweifeln.

Die Malerei stammt ebenso wie eine Installation aus (weiblich konnotierten!) Bodenvasen von der Künstlerin und Philosophin Elisabeth von Samsonow, die in Niederösterreich mit Künstlerkolleginnen das ökofeministische "Land of the Goddesses" gegründet hat. Könnten matriarchale Systeme ein Ausweg aus den Krisen der Gegenwart sein? Womöglich. Die aus dem Land der Göttinnen geborene Kunst ist dafür aber kein besonders überzeugendes Argument. Sie blieb jedoch lange das einzige Denkangebot, das die von Taxispalais-Direktorin Nina Tabassomi kuratierte Schau Göttinnen zu machen hatte. Die Schau sollte "prozessual" entstehen und alle zwei Wochen um eine Position erweitert werden, was sich aber – Corona-bedingt, wie es heißt – derartig verzögert hat, dass zwei Monate nach der Eröffnung gerade einmal ein weiterer Beitrag fertig installiert war.

Immerhin erschließt sich seither allmählich, wohin die Reise geht. Göttinnen ist der zweite Teil einer Trilogie, die im Vorjahr mit Hexen begonnen hat. Wurde darin noch ein perfides soziales Konstrukt analysiert, ist man nun in den Gefilden der aktivistischen Kunst angekommen, die angesichts der Weltlage in den Institutionen gerade Hochkonjunktur hat. In The Mermaids: Mirror Worlds wird die indigene Bevölkerung als Ressource für medizinische Versuche missbraucht, um das Überleben der "weißen Rasse" zu sichern. In dieser dystopischen Szenerie tauchen mythische Meerjungfrauen ebenso auf wie die Imagefilme internationaler Großkonzerne.

"Grüß Göttin!"

Das indigene Karrabing Film Collective spiegelt in seinen Arbeiten die bis heute nachwirkenden Strukturen kolonialer Unterdrückung. Seit dieser Woche ist auch die Videoinstallation Between the Waves der Inderin Tejal Shah zu sehen, die dualistische Kategorien performativ auf die Müllhalde einer selbstzerstörerischen Zivilisation wirft. Dass die weibliche Seite Gottes im heiligen Land Tirol ein Tabu ist, muss erwähnt werden: Für ein an der Autobahn aufgestelltes "Grüß Göttin"-Schild erntete die Künstlerin Ursula Beiler vor Jahren wütende Proteste – eine legendäre Provinzposse.

Als Performerin in die Göttinnen-Schau eingeladen, fiel Beiler nicht viel mehr ein, als in Almabtriebskostümierung mit weiblichen Flurnamen herumzuhantieren. Als Anregung zum Diskurs taugte das eher wenig. Dabei will Tabassomi gerade dem Diskursiven mehr Raum geben und hat deshalb die Zahl der Ausstellungen reduziert. Das erste Viertel dieses Jahres ist nun mit wenig mehr als einer unfertigen Schau verstrichen. (Ivona Jelčić, 13.4.2022)