Oft gehört, selten gesehen: der Kuckuck, der seinen Wirtsvögeln mit allen möglichen Tricks Kuckuckskinder unterjubelt.

Foto: Imago/McPhoto

Immer öfter ist es dieser Tage im Wald zu hören, das unverwechselbare "Gu-kuh, Gu-kuh", dessen Terz musikalisch mehrfach verewigt wurde. Viele Kuckucke, die den Winter südlich der Sahara verbringen, sind längst in unseren Breiten angekommen. Aber für so manchen dieser Frühstarter ist Österreich nur eine Zwischenstation, weiß der Ornithologe Andreas Kleewein: Etliche Kuckucke ziehen nämlich weiter nach Ost- und Nordosteuropa, wo sie dann balzen – und eben nicht brüten.

Denn die taubengroßen Vögel haben dieses anstrengende Geschäft bekanntlich "outgesourct", wie man heute neudeutsch sagt: Die Vogelweibchen legen ihre Eier in die Nester anderer Vogelspezies, die sich dann um die Kuckuckskinder kümmern. Zu den bevorzugten Wirtsvögeln des Kuckucks zählen in Österreich der Hausrotschwanz, die Bachstelze, der Rohrsänger oder das Rotkehlchen.

Der Klimawandel könnte für den Kuckuck nun allerdings zum Problem werden. Da einige Wirtsvögel wegen der wärmeren Temperaturen früher mit dem Brüten beginnen, besteht die Gefahr, dass der Kuckuck für die Eiablage zu spät kommt. Diese Frage wird nun im Rahmen eines österreichweiten Citizen-Science-Projekts geklärt, das Andreas Kleewein mitkoordiniert, der in Kärnten für die Vogelschutzorganisation Birdlife tätig ist.

Vorverlegte Flüge?

Interessierte aus ganz Österreich können im Rahmen dieses Projekts online die ersten Kuckucksrufe melden. Das soll Aufschlüsse darüber geben, ob der Kuckuck seine Langstreckenflüge vorverlegt, um die eigene Eiablage weiterhin zeitlich mit dem Brutverhalten seiner Wirtsvögel zu synchronisieren. Denn das ist nötig, um diese mit fiesen Tricks überlisten zu können.

Die Listen des Kuckucks und die Gegenstrategien der Wirtsvögel haben über Millionen von Jahren ein erstaunliches Raffinement entwickelt. So beobachten Kuckucksweibchen ihre Wirtsvogelpaare im Voraus genau. Konkret geht es darum, die Fortschritte beim Nestbau und der Eiablage genau im Blick zu haben. Denn das Kuckucksei wird im Idealfall gleich nach dem ersten eigenen Ei der Wirtsvögel ins Nest gelegt. Bevorzugt geschieht das am späten Nachmittag oder in der Dämmerung.

Die Eiablage der Kuckucksweibchen dauert dann nur wenige Sekunden. Nach vollbrachter Tat entfernt es auch noch das Ei des Wirtsvogels, das bereits vor der eigenen Eiablage in den Schnabel genommen wurde.

Der Trick mit den Eiern

Die vielleicht erstaunlichste List des Kuckucks ist freilich die Anpassung der Eifärbung an jene der Wirtsvögel, damit die Kuckuckseier nicht auffallen. Diese Fähigkeit nötigt auch Andreas Kleewein den höchsten Respekt ab. Die Weibchen haben sich dabei auf jeweils eine Vogelart spezialisiert und legen Eier, die denen der Zieheltern sehr ähneln. Die Eier der Kuckucksweibchen, die bei Rohrsängern schmarotzen, sind etwa braun gesprenkelt, während Kuckucke, die Gartenrotschwänze als Wirtsvögel bevorzugen, türkisblaue Eier legen.

Wie eine bereits 1933 im Fachblatt "Nature" erschienene Studie richtig vermutete, wird diese Mimikry allein über die Weibchen vererbt: Nur sie besitzen nämlich das W-Chromosom (analog zum ausschließlich männlichen Y-Chromosom beim Menschen), das die spezifischen genetischen Informationen für die Eifärbung enthält.

Evolutionäres Hochrüsten

Auch bei diesem Trick findet ein evolutionäres Hochrüsten statt, wie eine am Montag erschienene Studie im Fachjournal PNAS am Beispiel der in Afrika beheimateten Kuckucksfinken zeigt. Diese Vogelspezies ist ebenfalls ein Brutparasit, wie schon der Name verrät. Und so wie der Kuckuck beherrscht auch der Kuckucksfink den Trick der Ei-Mimikry, die ebenfalls über das W-Chromosom weitergegeben wird.

Im konkreten Fall sind verschiedene Grasmückenarten die Wirtsvögel. Diese reagieren aber mit immer komplexeren und "fälschungssichereren" Ei-Signaturen auf die Mimikry der Kuckucksfinken.

Keine Art-Brut-Ostereier, sondern die Eier von Kuckucksfinken, die sich erstaunlich gut an die komplexen Signaturen von zwei Wirtsvogelarten anpassen.
Foto: Claire N. Spottiswoode

Dieser Überlebenswettkampf um die Eifärbung könnte langfristig zugunsten der Wirtsvögel ausgehen, vermutet das Ornithologenteam um Claire Spottiswoode (Cambridge University), und zwar aus Gründen der Vererbung: Bei den Wirtsvögeln der Kuckucksfinken mischen nämlich auch die Männchen genetisch bei der Eifärbung mit, was schnellere Änderungen ermöglichen würde als bei den Kuckucksfinken (und den Kuckucken).

Perfide Ersatzstrategie

Doch zurück zum heimischen Kuckuck. Der dürfte in Sachen Klimakrise eher keine Anpassungsprobleme zu haben, wie die Daten des Citizen-Science-Projekts vermuten lassen: Wurden die ersten "Gu-kuhs" im Jahr 2000 Mitte April vermeldet, waren sie heuer und im Vorjahr bereits in der zweiten Märzhälfte zu vernehmen. 2021 gab es immerhin über 1.600 eingegangene Kuckucksmeldungen.

Und selbst wenn der Kuckuck etwas zu spät kommen sollte, hat er immer noch eine perfide Ersatzstrategie, die wenig raffiniert, aber umso wirkungsvoller ist: Er räumt einfach das Nest der Wirtsvögel leer, "motiviert" sie so zu einem Zweitgelege und legt das Ei dort hinein. (Klaus Taschwer, 13.4.2022)