Wladimir Putins Residenz bei Moskau, der Schauplatz des Treffens mit Österreichs Kanzler Karl Nehammer.

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Das Szenario, demzufolge russische Medien die Kurzvisite von Karl Nehammer bei Wladimir Putin gnadenlos propagandistisch ausschlachten würden, trat bis auf wenige punktuelle Ausnahmen am Dienstag nicht ein – wohl auch, weil der Kreml das kurze Gespräch zwischen dem österreichischen Kanzler und dem russischen Präsidenten nicht kommentierte.

Die landesweit erscheinende Zeitung "Iswestija" titelte mit "Wiener Chance" und gab Nehammers Warnung vor einer Verschärfung der Sanktionen wieder; aber auch ein Eingeständnis, dass es "keine Alternativen" zu einem Dialog gebe. Nehammer sei im Gegensatz zu Sebastian Kurz eine "technische Figur, ein grauer Demokrat"; ein Regierungschef eines Landes, das "in den letzten Jahrzehnten niemals halsbrecherisch agiert hat", wie der Politologe Wadim Truchatschow zitiert wurde. Österreich versuche sich in der "Rolle des globalen Vermittlers" zu etablieren und verzichte immerhin auf Waffenlieferungen.

Nehammer sei "keine Figur von Dauer", sondern nur einer von elf Kanzlern seit dem Jahr 2000, stellte die "Moskowski Komsomolez" einen hämischen Vergleich mit dem russischen Langzeitpräsidenten an.

"Harter" Empfang

"Kommersant", die Tageszeitung des Oligarchen Alischer Usmanow, berichtete recht ausführlich von einem "harten Empfang" bei Putin. Bei der Schilderung der Gesprächsinhalte musste das Medium aber auf das zurückgreifen, was der österreichische Gast davon berichtete – mit der Relativierung, dass Putin die "Ereignisse" in Butscha und Kramatorsk als "Inszenierung der ukrainischen Seite" bezeichne.

Die international erscheinende "Komsomolskaja Prawda" charakterisierte Nehammer als Kanzler eines "verhältnismäßig neutralen Landes". Als "wirklich selten" bezeichnete die Zeitung den Umstand, dass es weder eine Abschlusserklärung noch Protokollfotos gab. Nehammer sei als "Vermittler der EU" immerhin eine "interessante Wahl": Österreich sei eine "passende Variante" als Verhandler – ganz im Gegensatz zu Frankreich oder Deutschland; ein Besuch von dort wäre "unangebracht" gewesen.

Polemischer beschrieb die private Online-Zeitung "pravda.ru" (nicht zu verwechseln mit der kommunistischen "Pravda" oder "Komsomolskaya Pravda") das Gespräch. Nehammer sei es nur um das russische Gas gegangen. Und er habe versucht, Putin zu "erpressen", indem er verbreiten würde, dass Russland in Butscha und anderen Städten Kriegsverbrechen begehe und ein "Schlächter" sei. Putin habe dies zurückgewiesen. (Gianluca Wallisch, 12.4.2022)