Der Mann in der ersten Reihe der Fridays-for-Future-Demonstration Ende März fiel auf. Sein Auftritt passte so gar nicht zum Rest der Demonstration der Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten. Als Einziger war er vermummt, als die Demonstration durch Wien zog. Daran störte sich aber offensichtlich niemand.

Erst als eine Antifaschistin nach der Demonstration auf Twitter darauf hinwies, dass der Mann ein T-Shirt mit einer sogenannten Schwarzen Sonne trug, wurde er ein Thema. Die Schwarze Sonne, auch Sonnenrad genannt, ist ein bei Neonazis und esoterisch angehauchten Rechtsextremen beliebtes Symbol und Erkennungszeichen, das direkt von der SS stammt, die wie keine andere Organisation für die Verbrechen der Nationalsozialisten steht.

Dieser Tweet machte die Teilnahme des Vermummten zum Thema.

Warum der Mann, der aus dem Umfeld der Identitären kommen soll, bei der Fridays-for-Future-Demonstration auftauchte, ist unklar. Spekuliert wird über eine Mutprobe, denn die Fridays-for-Future-Aktivisten sind sicher keine Rechtsextremen, sondern eines ihrer Feindbilder.

Ein originäres NS-Symbol

Die Schwarze Sonne ist ein Symbol der SS und kann entweder als drei übereinandergelegte Hakenkreuze oder als Rad aus zwölf "Sigrunen" gedeutet werden. Die SS ließ das Symbol von KZ-Häftlingen in den Boden ihrer Kultstätte, der Wewelsburg bei Paderborn, einlassen. Die Schwarze Sonne ist ein originäres NS-Symbol, auch wenn es während der Nazi-Zeit nur wenig Verbreitung gefunden hat. Dass Neonazis und Esoteriker alle möglichen Erklärungsversuche für das Ornament liefern, ändert daran nichts.

In den vergangenen Jahren sorgten Schwarze-Sonne-Shirts, -Autoaufkleber und -Tattoos für Anklagen und Verurteilungen wegen NS-Wiederbetätigung.

Am Garagenfenster eines Wohnhauses in Wolfsegg am Hausruck war öffentlich sichtbar eine Schwarze Sonne angebracht.
Foto: Privat

Ende November machte das Mauthausen-Komitee öffentlich, dass an einem Garagenfenster eines Wohnhauses in Wolfsegg am Hausruck eine Schwarze Sonne öffentlich sichtbar angebracht wurde. Nach Medienberichten und einer Anzeige wurde das Symbol entfernt.

Terrorist mit Schwarzer Sonne

Weltweite Beachtung fand das Symbol, als im Jahr 2019 ein Rechtsextremer im neuseeländischen Christchurch 51 Menschen ermordete, während diese eine Moschee besuchten. Der Attentäter trug während seiner Tat einen Patch und Ketten mit dem Nazi-Symbol. Es fand sich auch auf dem Deckblatt des kruden Manifests, das der Attentäter nach dem Anschlag präsentierte und dessen Titel "Der große Austausch" Bezug auf eine identitäre Verschwörungserzählung über einen angeblichen "Bevölkerungsaustausch" nahm. Kurz nach dem Terrorakt wurde bekannt, dass der Attentäter dem Identitären-Chef Martin Sellner 1.500 Euro gespendet hatte.

Auch im Ukraine-Krieg tauchte die Schwarze Sonne auf. Die Ukraine wurde ja laut dem russischen Präsidenten Wladimir Putin überfallen, um diese zu "entnazifizieren": eine Anspielung auf das rechtsextreme Asow-Regiment, das bis vor wenigen Jahren eine Schwarze Sonne in seinem Emblem hatte – neben einer Wolfsangel, einem Symbol, das auch von einer Waffen-SS-Einheit verwendet wurde. Wasser auf die Mühlen der russischen Propaganda war ein von der Nato am 8. März, dem internationalen Frauentag, auf Twitter veröffentlichtes und mittlerweile wieder gelöschtes Foto, das eine ukrainische Soldatin zeigte, die auf ihrer Uniform einen Sonnenrad-Patch trug.

Reichsflugscheiben und Antisemitismus

Nach dem Zweiten Weltkrieg tauchte die Schwarze Sonne in Romanen des ehemaligen SS-Mannes Wilhelm Landig auf, der den Reichsflugscheibenmythos wesentlich geprägt hat – also von jenen "Nazi-Ufos", denen der Film "Iron Sky" ein Denkmal setzte und der seit Jahrzehnten die Fantasie und den Redefluss von Ufologen, selbsternannten Weltkriegsexperten und Eso-Historikern befeuert.

Landigs vor Antisemitismus triefende Romantrilogie "Götzen gegen Thule" (1971), "Wolfszeit für Thule" (1980) und "Rebellen für Thule – Das Erbe von Atlantis" (1991) erzählt davon, dass ein esoterischer Kreis innerhalb der SS, die "Schwarze Sonne", mit Geheimtechnologie in die Antarktis entkommen ist. Dort, wo auch die Insel "Thule" liegen soll, hat die Gruppe einen unterirdischen Stützpunkt angelegt, von dem aus sie den Kampf gegen die Weltverschwörung des "Berges Zion" und für ein neues Reich weiterführt. Neben U-Booten und modernen Kampfflugzeugen verfügt die SS in dieser Romanfiktion auch über die 4.000 km/h schnellen "V7-Reichsflugscheiben", nicht zum Einsatz gekommene "Wunderwaffen" der Nazis.

Keine Beweise

Nach eigenen Angaben arbeitete Landig selbst an der Entwicklung der Nazi-Ufos mit. Beweise dafür gibt es keine. Ebenso wie es weder technische noch historische Belege für deren Existenz gibt. Wie jedes gute Märchen hat auch diese Erzählung einen wahren Kern. Die Nazis versuchten fieberhaft, mit "Wunderwaffen" wie der ersten ballistischen Rakete V2, elektrisch betriebenen U-Booten oder dem ersten Düsenjäger ihren Untergang zu verzögern. Zusätzlich führten sie in den Jahren 1938 und 1939 eine Expedition in die Antarktis durch, bei der eine bis dahin völlig unbekannte Gebirgsregion entdeckt wurde, die von der Expeditionsleitung "Neuschwabenland" getauft wurde.

Erste Geschichten über von den Nazis entwickelte scheibenförmige Fluggeräte kamen im Jahr 1950 auf, als sich in Europa angebliche Sichtungen "unbekannter Flugobjekte" häuften. Ein deutscher Ingenieur erzählte dem Magazin "Der Spiegel", er habe von 1942 bis zum nahenden Kriegsende 1945 an der Konzeption eines solchen Flugkreisels gearbeitet. Der Prototyp musste jedoch zerstört werden, und die Unterlagen seien gestohlen worden, weswegen es für diese Erzählung keinerlei Beweis gab.

Standardwerke des esoterischen Neonazismus

Landigs Romane gelten als Standardwerke des esoterischen Neonazismus, in den 1990er-Jahren wurden deren Inhalte von einer neuen Generation rechtsextremer Esoterikautoren weiterentwickelt, und die Schwarze Sonne tauchte auf Buchumschlägen und CD-Covers auf, bis sie schließlich zu einem angesagten Symbol von Rechtsextremen wurde.

US-Neonazis mit dem SS-Symbol.
Foto: Imago

Der 1909 in Wien geborene Landig war schon in frühen Jahren überzeugter Nationalsozialist. Er war am Putschversuch der Nazis im Jahr 1934 beteiligt, flüchtete danach nach Deutschland, trat der SS bei und wurde Sachbearbeiter im Geheimdienst der Organisation. 1942 bis 1944 war er auf dem Balkan im Kriegseinsatz, wurde schließlich in Belgrad verwundet und nach Wien zurückgeschickt. Nach Kriegsende saß er zwei Jahre Haft in einem britischen Internierungslager ab.

Spitzel für den deutschen BND

Seiner politischen Gesinnung blieb er treu und dockte bei verschiedenen rechten Parteien an, wie dem FPÖ-Vorgänger Verband der Unabhängigen (VdU) oder der "Österreichischen Sozialen Bewegung", die ausgezeichnete Kontakte zu rechtsextremen Kreisen im europäischen Ausland unterhielt. Nebenbei arbeitete Landig für den deutschen Auslandsgeheimdienst, den BND. Dem Dienst gab er fleißig Informationen über die rechtsextreme Szene weiter, wie der Journalist Christoph Franceschini in seinem Buch "Südtirol im Fadenkreuz fremder Mächte" schreibt. (Markus Sulzbacher, 13.4.2022)