Die Öffentlichkeit kann die auf Video aufgezeichnete Aussage einer 18-Jährigen, die von einem Arbeitskollegen vergewaltigt worden sein soll, nicht verfolgen.

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Wien – Selbst sein Bewährungshelfer wundert sich, dass der von ihm als "Vorzeigeklient" gelobte Herr B. nach seiner jüngsten Entlassung aus der Strafhaft so rasch wieder Jobs gefunden hat. Denn der 21-Jährige hat bereits vier Vorstrafen, darunter 30 Monate teilbedingt wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung – dem selbsternannten "Islamischen Staat". Was ganz offensichtlich kein Hindernis für ihn war, einen Job als Securitymann in der Impfstraße des Austria Center Vienna zu bekommen, den er am 5. Jänner antrat.

Bereits am ersten Arbeitstag verstand er sich gut mit einer 18 Jahre alten Frau, die ebenso dort ihren Dienst versah. Man entschloss sich zu einer gemeinsamen Unternehmung nach Dienstschluss und traf sich auf dem Stephansplatz. "Wir sind spazieren gegangen, dann habe ich sie zum Essen eingeladen", erzählt der Angeklagte dem Schöffengericht unter Vorsitz von Stefan Huber. Nach dem Besuch einer großen Schnellrestaurantkette gingen die beiden noch auf einen Bubble-Tea, dann beschloss man, heimzufahren.

Kurzfristige Übernachtung im Hotel

Hier beginnen sich die Geschichten zu trennen. Laut Anklage habe B. die junge Frau in der U-Bahn bedrängt und gefragt, ob er bei ihr übernachten könne. "Sie hat in ihrer Angst, ihm die Wohnadresse verraten zu müssen, dann zugestimmt, mit ihm in ein Hotel zu fahren", sagt die Staatsanwältin im Eröffnungsplädoyer. Man nahm sich ein Zimmer, dort habe der Angeklagte keinen Zweifel mehr an seinen Absichten gelassen. "Du gehörst mir, du machst, was ich sage", soll er zu K. gesagt haben. Er zwang sie, sich auszuziehen und soll sie laut Anklage vergewaltigt haben.

Am nächsten Morgen sei er mit ihr noch mit einem Taxi zur Arbeit gefahren, erst dort habe sie den Mut gefunden, sich einer Vorgesetzten anzuvertrauen, woraufhin B. in Untersuchungshaft genommen wurde. Verteidigerin Sonja Scheed und ihr bulliger, gelegentlich patziger Mandant widersprechen heftig.

Angeblich einvernehmlicher Beischlaf nach dem Fernsehen

Es sei alles einvernehmlich gewesen. Im Hotelzimmer habe man zunächst ferngesehen, dann habe die Frau begonnen, ihn im Intimbereich zu liebkosen, dann habe sie gefragt: "Willst du Sex haben?" Seine Antwort: "Ja, sicher, wieso nicht? Ich bin ein Mann", sagt der Angeklagte. Nach zehn bis 15 Minuten habe die Frau gesagt, sie könne nicht mehr, worauf er den Geschlechtsakt ohne Ejakulation beendet habe.

Auch bei der gemeinsamen Taxifahrt in die Arbeit habe man noch Spaß gehabt, erst als er ihr im Austria Center eröffnet habe, dass er die Zweisamkeit als One-Night-Stand betrachte, sei die Stimmung gekippt. Verteidigerin Scheed ortet darin auch ein mögliches Motiv für eine Verleumdung.

Der Angeklagte berichtet weiters, er habe der Frau beim Treffen unumwunden erzählt, dass er bereits in Haft gewesen sei. Umgekehrt habe sie verraten, dass sie alleinerziehende Mutter sei und das Kind bei einer Vergewaltigung durch ihren Ex-Freund entstanden sei. B. kennt den Kindsvater angeblich auch flüchtig: "Sie hat gesagt, er ist Araber so wie ich", erinnert sich der in Tunesien geborene Österreicher.

Öffentlichkeit ausgeschlossen, Enthaftung abgelehnt

Die auf Video aufgezeichnete Einvernahme der Frau wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit vorgespielt, anschließend beantragt die Verteidigerin die Enthaftung des Angeklagten und verweist darauf, dass bei der jungen Frauen keine Verletzungen im Genitalbereich gefunden wurden, was bei einer Vergewaltigung äußerst ungewöhnlich sei. Außerdem will Scheed, dass der Teamleiter der Frau als Zeuge einvernommen wird, dem sie am 6. Jänner nur von einer "Belästigung" erzählt haben soll. Und schließlich beantragt sie, den Mietwagenfahrer ausfindig zu machen, der B. und die Frau ins Austria Center gefahren hat. Der könne bestätigen, dass die Stimmung gut gewesen sei, ist sie sich sicher.

Die Enthaftung lehnt der Senat ab, da die Haftgründe noch immer vorliegen würden. Auch am Teamleiter gibt es kein Interesse, für die Ausforschung des Chauffeurs sowie zur Vernehmung einer nicht erschienenen Zeugin vertagt der Vorsitzende dann auf den 6. Mai.

Die große Sicherheitsfirma, die B. als Securitymann eingestellt hat, schiebt die Verantwortung auf einen Subunternehmer. (Michael Möseneder, 13.4.2022)